Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.16. Wie einem Thiere mag zu Muth seyn, kann ich doch Begreifen, weil ich selbst als Kind auf Vieren kroch. Wie einem Vogel sei zu Sinn, begreif' ich nicht, Weil stets die Schwinge mir gebrach, und noch gebricht. Was alles da so leicht fliegt unterm Himmelsbogen, Aus einer andern Welt scheint es hereingeflogen; Aus einer andern Zeit. Es ging die große Flut Nur über Thiertrotz weg, nicht über Vogelmut. Sie schwebten, wie zuerst der Geist auf Wassern schwebte, Und sahen zu, wie sich die Schöpfung neu belebte. Und wie ein Vogel jetzt, wenn ab in einem Kreise Der Welt ein Frühling stirbt, zum andern macht die Reise; So fliegt, wann diesen Stern, ob fremd' ob eigne, Glut Verzehrt, ein Vogel fern zu andern wohlgemut. 16. Wie einem Thiere mag zu Muth ſeyn, kann ich doch Begreifen, weil ich ſelbſt als Kind auf Vieren kroch. Wie einem Vogel ſei zu Sinn, begreif' ich nicht, Weil ſtets die Schwinge mir gebrach, und noch gebricht. Was alles da ſo leicht fliegt unterm Himmelsbogen, Aus einer andern Welt ſcheint es hereingeflogen; Aus einer andern Zeit. Es ging die große Flut Nur uͤber Thiertrotz weg, nicht uͤber Vogelmut. Sie ſchwebten, wie zuerſt der Geiſt auf Waſſern ſchwebte, Und ſahen zu, wie ſich die Schoͤpfung neu belebte. Und wie ein Vogel jetzt, wenn ab in einem Kreiſe Der Welt ein Fruͤhling ſtirbt, zum andern macht die Reiſe; So fliegt, wann dieſen Stern, ob fremd' ob eigne, Glut Verzehrt, ein Vogel fern zu andern wohlgemut. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0025" n="15"/> <div n="2"> <head>16.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wie einem Thiere mag zu Muth ſeyn, kann ich doch</l><lb/> <l>Begreifen, weil ich ſelbſt als Kind auf Vieren kroch.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Wie einem Vogel ſei zu Sinn, begreif' ich nicht,</l><lb/> <l>Weil ſtets die Schwinge mir gebrach, und noch gebricht.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Was alles da ſo leicht fliegt unterm Himmelsbogen,</l><lb/> <l>Aus einer andern Welt ſcheint es hereingeflogen;</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Aus einer andern Zeit. Es ging die große Flut</l><lb/> <l>Nur uͤber Thiertrotz weg, nicht uͤber Vogelmut.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Sie ſchwebten, wie zuerſt der Geiſt auf Waſſern ſchwebte,</l><lb/> <l>Und ſahen zu, wie ſich die Schoͤpfung neu belebte.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Und wie ein Vogel jetzt, wenn ab in einem Kreiſe</l><lb/> <l>Der Welt ein Fruͤhling ſtirbt, zum andern macht die Reiſe;</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>So fliegt, wann dieſen Stern, ob fremd' ob eigne, Glut</l><lb/> <l>Verzehrt, ein Vogel fern zu andern wohlgemut.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [15/0025]
16.
Wie einem Thiere mag zu Muth ſeyn, kann ich doch
Begreifen, weil ich ſelbſt als Kind auf Vieren kroch.
Wie einem Vogel ſei zu Sinn, begreif' ich nicht,
Weil ſtets die Schwinge mir gebrach, und noch gebricht.
Was alles da ſo leicht fliegt unterm Himmelsbogen,
Aus einer andern Welt ſcheint es hereingeflogen;
Aus einer andern Zeit. Es ging die große Flut
Nur uͤber Thiertrotz weg, nicht uͤber Vogelmut.
Sie ſchwebten, wie zuerſt der Geiſt auf Waſſern ſchwebte,
Und ſahen zu, wie ſich die Schoͤpfung neu belebte.
Und wie ein Vogel jetzt, wenn ab in einem Kreiſe
Der Welt ein Fruͤhling ſtirbt, zum andern macht die Reiſe;
So fliegt, wann dieſen Stern, ob fremd' ob eigne, Glut
Verzehrt, ein Vogel fern zu andern wohlgemut.
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