Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.49. Wer fährt durch ein Gefild, sieht hinter sich versinken Ein reizend Landschaftbild, ein andres vorwerts winken. Nicht halten kann er das, und dieses fest nicht fassen, Vorübergleiten muß er eins ums andre lassen. Im größern Maßstab nur und auf viel ernstre Weise Erfährt dasselbe, wer durchs Leben macht die Reise. Du hast es oft gehört; doch hast du's je gefühlt, Wie schmerzenreiche Lust hinweg das Leben spült? 50. Des Regens Tropfen sprühn, doch wird davon nicht grün Der Rasen, den versengt der Sommersonne Glühn. Die Gräser bleiben dürr, doch neue sprießen drunter, Und übergrünen bald die alten frisch und munter. Getrost, o Herz! dir bringt Verlornes nicht zurück Die Stunde, doch dafür bringt sie ein neues Glück. 49. Wer faͤhrt durch ein Gefild, ſieht hinter ſich verſinken Ein reizend Landſchaftbild, ein andres vorwerts winken. Nicht halten kann er das, und dieſes feſt nicht faſſen, Voruͤbergleiten muß er eins ums andre laſſen. Im groͤßern Maßſtab nur und auf viel ernſtre Weiſe Erfaͤhrt dasſelbe, wer durchs Leben macht die Reiſe. Du haſt es oft gehoͤrt; doch haſt du's je gefuͤhlt, Wie ſchmerzenreiche Luſt hinweg das Leben ſpuͤlt? 50. Des Regens Tropfen ſpruͤhn, doch wird davon nicht gruͤn Der Raſen, den verſengt der Sommerſonne Gluͤhn. Die Graͤſer bleiben duͤrr, doch neue ſprießen drunter, Und uͤbergruͤnen bald die alten friſch und munter. Getroſt, o Herz! dir bringt Verlornes nicht zuruͤck Die Stunde, doch dafuͤr bringt ſie ein neues Gluͤck. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0271" n="261"/> <div n="2"> <head>49.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wer faͤhrt durch ein Gefild, ſieht hinter ſich verſinken</l><lb/> <l>Ein reizend Landſchaftbild, ein andres vorwerts winken.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Nicht halten kann er das, und dieſes feſt nicht faſſen,</l><lb/> <l>Voruͤbergleiten muß er eins ums andre laſſen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Im groͤßern Maßſtab nur und auf viel ernſtre Weiſe</l><lb/> <l>Erfaͤhrt dasſelbe, wer durchs Leben macht die Reiſe.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Du haſt es oft gehoͤrt; doch haſt du's je gefuͤhlt,</l><lb/> <l>Wie ſchmerzenreiche Luſt hinweg das Leben ſpuͤlt?</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>50.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Des Regens Tropfen ſpruͤhn, doch wird davon nicht gruͤn</l><lb/> <l>Der Raſen, den verſengt der Sommerſonne Gluͤhn.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Die Graͤſer bleiben duͤrr, doch neue ſprießen drunter,</l><lb/> <l>Und uͤbergruͤnen bald die alten friſch und munter.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Getroſt, o Herz! dir bringt Verlornes nicht zuruͤck</l><lb/> <l>Die Stunde, doch dafuͤr bringt ſie ein neues Gluͤck.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [261/0271]
49.
Wer faͤhrt durch ein Gefild, ſieht hinter ſich verſinken
Ein reizend Landſchaftbild, ein andres vorwerts winken.
Nicht halten kann er das, und dieſes feſt nicht faſſen,
Voruͤbergleiten muß er eins ums andre laſſen.
Im groͤßern Maßſtab nur und auf viel ernſtre Weiſe
Erfaͤhrt dasſelbe, wer durchs Leben macht die Reiſe.
Du haſt es oft gehoͤrt; doch haſt du's je gefuͤhlt,
Wie ſchmerzenreiche Luſt hinweg das Leben ſpuͤlt?
50.
Des Regens Tropfen ſpruͤhn, doch wird davon nicht gruͤn
Der Raſen, den verſengt der Sommerſonne Gluͤhn.
Die Graͤſer bleiben duͤrr, doch neue ſprießen drunter,
Und uͤbergruͤnen bald die alten friſch und munter.
Getroſt, o Herz! dir bringt Verlornes nicht zuruͤck
Die Stunde, doch dafuͤr bringt ſie ein neues Gluͤck.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/271 |
Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/271>, abgerufen am 16.07.2024. |