Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
Verwundert und beschämt seh' ich die Bücherballen,
Auf denen, was ich schrieb, in alle Welt soll wallen.
Wie leiblich massenhaft geworden ist der Geist;
So breit sich in der Welt zu machen, o wie dreist!
Doch, wenn ich denke, daß hier stehn versammelt könnten
Wol tausend, die ein aufmerksames Ohr mir gönnten --
Nun sind die tausend nicht vereint auf einem Platz,
Doch vorenthalten sei drum ihnen nicht der Schatz.
So send' ich tausendfach gedruckte Bändchen aus,
Daß sein besonder Theil jedwedem komm' ins Haus.
Ein Uebelstand ist nur bei so vertheilten Grüßen:
Daß die Empfänger sie mit Geld bezahlen müßen.
Strafe der Wißbegier! entbehren will sie nicht
Ein Wort, das einsam mit sich selbst ein Dichter spricht.

Verwundert und beſchaͤmt ſeh' ich die Buͤcherballen,
Auf denen, was ich ſchrieb, in alle Welt ſoll wallen.
Wie leiblich maſſenhaft geworden iſt der Geiſt;
So breit ſich in der Welt zu machen, o wie dreiſt!
Doch, wenn ich denke, daß hier ſtehn verſammelt koͤnnten
Wol tauſend, die ein aufmerkſames Ohr mir goͤnnten —
Nun ſind die tauſend nicht vereint auf einem Platz,
Doch vorenthalten ſei drum ihnen nicht der Schatz.
So ſend' ich tauſendfach gedruckte Baͤndchen aus,
Daß ſein beſonder Theil jedwedem komm' ins Haus.
Ein Uebelſtand iſt nur bei ſo vertheilten Gruͤßen:
Daß die Empfaͤnger ſie mit Geld bezahlen muͤßen.
Strafe der Wißbegier! entbehren will ſie nicht
Ein Wort, das einſam mit ſich ſelbſt ein Dichter ſpricht.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <l>
              <pb facs="#f0284" n="274"/>
            </l>
            <lg n="3">
              <l>Verwundert und be&#x017F;cha&#x0364;mt &#x017F;eh' ich die Bu&#x0364;cherballen,</l><lb/>
              <l>Auf denen, was ich &#x017F;chrieb, in alle Welt &#x017F;oll wallen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Wie leiblich ma&#x017F;&#x017F;enhaft geworden i&#x017F;t der Gei&#x017F;t;</l><lb/>
              <l>So breit &#x017F;ich in der Welt zu machen, o wie drei&#x017F;t!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Doch, wenn ich denke, daß hier &#x017F;tehn ver&#x017F;ammelt ko&#x0364;nnten</l><lb/>
              <l>Wol tau&#x017F;end, die ein aufmerk&#x017F;ames Ohr mir go&#x0364;nnten &#x2014;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Nun &#x017F;ind die tau&#x017F;end nicht vereint auf einem Platz,</l><lb/>
              <l>Doch vorenthalten &#x017F;ei drum ihnen nicht der Schatz.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>So &#x017F;end' ich tau&#x017F;endfach gedruckte Ba&#x0364;ndchen aus,</l><lb/>
              <l>Daß &#x017F;ein be&#x017F;onder Theil jedwedem komm' ins Haus.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="8">
              <l>Ein Uebel&#x017F;tand i&#x017F;t nur bei &#x017F;o vertheilten Gru&#x0364;ßen:</l><lb/>
              <l>Daß die Empfa&#x0364;nger &#x017F;ie mit Geld bezahlen mu&#x0364;ßen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="9">
              <l>Strafe der Wißbegier! entbehren will &#x017F;ie nicht</l><lb/>
              <l>Ein Wort, das ein&#x017F;am mit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ein Dichter &#x017F;pricht.</l>
            </lg><lb/>
            <l/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[274/0284] Verwundert und beſchaͤmt ſeh' ich die Buͤcherballen, Auf denen, was ich ſchrieb, in alle Welt ſoll wallen. Wie leiblich maſſenhaft geworden iſt der Geiſt; So breit ſich in der Welt zu machen, o wie dreiſt! Doch, wenn ich denke, daß hier ſtehn verſammelt koͤnnten Wol tauſend, die ein aufmerkſames Ohr mir goͤnnten — Nun ſind die tauſend nicht vereint auf einem Platz, Doch vorenthalten ſei drum ihnen nicht der Schatz. So ſend' ich tauſendfach gedruckte Baͤndchen aus, Daß ſein beſonder Theil jedwedem komm' ins Haus. Ein Uebelſtand iſt nur bei ſo vertheilten Gruͤßen: Daß die Empfaͤnger ſie mit Geld bezahlen muͤßen. Strafe der Wißbegier! entbehren will ſie nicht Ein Wort, das einſam mit ſich ſelbſt ein Dichter ſpricht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane06_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane06_1839/284
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane06_1839/284>, abgerufen am 22.11.2024.