Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.da mag man allerdings über die gänzliche Erfolglosigkeit einer In jener Kunstlehre aber, welche, von Lessing ausge- Gewiß konnte ein Geist, dessen Verstandesschärfe bis da- Vorstellungen genügte denen, welche bey Aussprüchen sich befriedig- ten, gleich jenem (Eberhard, Handbuch der Aesthet. etc. Halle 1803.): die schönen Künste vergnügen; Darstellung der Schönheit ist ihr Geschäft und ihr Interesse nichts, als das Vergnügen ih- res Genusses u. s. w. -- Als wenn Solches allein die bildenden Künste schon hinreichend bezeichnete, sie von anderen Bestrebungen genügend unterschiede; als wenn es, den Bösen und seine Helfer ausgenommen, irgend ein menschliches Streben gäbe, welches gra- dehin verletzen und quälen, nicht lieber vergnügen wollte! Oder soll es heissen, die schönen Künste vergnügen, ohne einen dauern- den Eindruck zu hinterlassen, ohne in das gesammte[n] Leben wirksam einzugreifen, ohne, im besten und edelsten Sinne, auch zu nützen? I. 9
da mag man allerdings uͤber die gaͤnzliche Erfolgloſigkeit einer In jener Kunſtlehre aber, welche, von Leſſing ausge- Gewiß konnte ein Geiſt, deſſen Verſtandesſchaͤrfe bis da- Vorſtellungen genuͤgte denen, welche bey Ausſpruͤchen ſich befriedig- ten, gleich jenem (Eberhard, Handbuch der Aeſthet. etc. Halle 1803.): die ſchoͤnen Kuͤnſte vergnuͤgen; Darſtellung der Schoͤnheit iſt ihr Geſchaͤft und ihr Intereſſe nichts, als das Vergnuͤgen ih- res Genuſſes u. ſ. w. — Als wenn Solches allein die bildenden Kuͤnſte ſchon hinreichend bezeichnete, ſie von anderen Beſtrebungen genuͤgend unterſchiede; als wenn es, den Boͤſen und ſeine Helfer ausgenommen, irgend ein menſchliches Streben gaͤbe, welches gra- dehin verletzen und quaͤlen, nicht lieber vergnuͤgen wollte! Oder ſoll es heiſſen, die ſchoͤnen Kuͤnſte vergnuͤgen, ohne einen dauern- den Eindruck zu hinterlaſſen, ohne in das geſammte[n] Leben wirkſam einzugreifen, ohne, im beſten und edelſten Sinne, auch zu nuͤtzen? I. 9
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da mag man allerdings uͤber die gaͤnzliche Erfolgloſigkeit einer
ſolchen Umkehrung aller Verhaͤltniſſe voruͤbergehend ſich taͤu-
ſchen koͤnnen.
In jener Kunſtlehre aber, welche, von Leſſing ausge-
hend, eben durch ihre einſeitige Richtung auf Unterſuchung
des Gegenſtandes beſonders veranlaßt waͤre, deſſen Begriff
recht ſcharf und deutlich aufzufaſſen, verſchwimmt der Gegen-
ſtand, in dem Sinne, den ich erklaͤrt, uͤberall mit ihn dar-
ſtellenden Formen, ſogar mit jenen aͤuſſerlichſten Bedingungen
der Darſtellung, welche den bildenden Kuͤnſten durch ihren
Stoff aufgelegt werden. Wir werden indeß alles Umbeſtimmte
und Irrige, ſo hieraus entſtanden, in ſeiner Wurzel abſchnei-
den, wenn es uns anders gelingt, eine Schwaͤche der Darle-
gung aufzudecken, welche die wichtigſte Kunſtſchrift Leſſings,
Laokoon, bey hoͤchſtem Werthe ihrer abgeriſſenen Andeutun-
gen, doch in Bezug auf die Kunſtlehre eines allgemeinen Re-
ſultates entbehren laͤßt.
Gewiß konnte ein Geiſt, deſſen Verſtandesſchaͤrfe bis da-
hin kaum uͤbertroffen worden, auch uͤber die Kunſt nichts ganz
Gemeines denken, noch von ihr ein durchaus Verwerfliches
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*) Vorſtellungen genuͤgte denen, welche bey Ausſpruͤchen ſich befriedig-
ten, gleich jenem (Eberhard, Handbuch der Aeſthet. etc. Halle
1803.): die ſchoͤnen Kuͤnſte vergnuͤgen; Darſtellung der Schoͤnheit
iſt ihr Geſchaͤft und ihr Intereſſe nichts, als das Vergnuͤgen ih-
res Genuſſes u. ſ. w. — Als wenn Solches allein die bildenden
Kuͤnſte ſchon hinreichend bezeichnete, ſie von anderen Beſtrebungen
genuͤgend unterſchiede; als wenn es, den Boͤſen und ſeine Helfer
ausgenommen, irgend ein menſchliches Streben gaͤbe, welches gra-
dehin verletzen und quaͤlen, nicht lieber vergnuͤgen wollte! Oder
ſoll es heiſſen, die ſchoͤnen Kuͤnſte vergnuͤgen, ohne einen dauern-
den Eindruck zu hinterlaſſen, ohne in das geſammten Leben wirkſam
einzugreifen, ohne, im beſten und edelſten Sinne, auch zu nuͤtzen?
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