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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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tig im Pio-Clementino, sind bacchische Symbole verwendet,
deren Beziehung nahe liegt *). Doch verloren sich diese, viel-
leicht bedenklichen, gewiß etwas weit hergeholten mythischen
Allegorieen sehr früh, und nur in den Beywerken, übrigens
rein christlicher Darstellungen, erhielten sich bis in das spätere
Mittelalter einige, hier schon nicht mehr auf Christliches ge-
deutete, Symbole der alten Welt, aus welchen, bey allgemei-
nem Wiederaufleben des Geistes, die moderne Anwendung der
Allegorie sich mag entwickelt haben.

So findet sich in verschiedenen Elfenbeinschnitzwerken des
neunten bis eilften Jahrhunderts, welche ich späterhin näher
anzeigen werde, in der Darstellung des Gekreuzigten der auf-
gehende Mond, die untergehende Sonne durch die bekannten
Personificationen des Alterthums angedeutet. Auf gleiche
Weise erscheinen die Städte und Flüsse nach altgriechischer Art
personificirt in einer anziehenden Pergamentrolle der Vaticana,
auf deren einer Seite die Hauptereignisse des Buches Josua **)
sehr leicht und mit malerischem Geiste in Acquarellfarben ge-
zeichnet, und hie und da etwas aufgehöht sind. Diese Rolle
indeß gehört, wiewohl die Schrift des Textes schon ziemlich
cursiv, also verhältnißmäßig neu ist, doch der Erfindung nach
ganz offenbar zu den ältesten Denkmalen christlicher Kunst.

*) Dahin gehören auch die Gegenüberstellungen antiker und
biblischer Helden, z. B. des Theseus und David, s. Ciampini,
vet. mon. Romae 1699. p
. 4.
**) Abgebildet bei D'Agincourt hist. de l'Art, T. III. Peinture
Part. II. Pl. 28. fs
. Diese, wie andere Nachbildungen ueugriechi-
scher Miniaturen sind in diesem Werke meist nach den Originalen
gemacht, und ziemlich genau. Hingegen sind die verkleinerten Nach-
bildungen, vornehmlich solche, welche aus Kupferwerken entlehnt
worden, durchhin unbrauchbar.

tig im Pio-Clementino, ſind bacchiſche Symbole verwendet,
deren Beziehung nahe liegt *). Doch verloren ſich dieſe, viel-
leicht bedenklichen, gewiß etwas weit hergeholten mythiſchen
Allegorieen ſehr fruͤh, und nur in den Beywerken, uͤbrigens
rein chriſtlicher Darſtellungen, erhielten ſich bis in das ſpaͤtere
Mittelalter einige, hier ſchon nicht mehr auf Chriſtliches ge-
deutete, Symbole der alten Welt, aus welchen, bey allgemei-
nem Wiederaufleben des Geiſtes, die moderne Anwendung der
Allegorie ſich mag entwickelt haben.

So findet ſich in verſchiedenen Elfenbeinſchnitzwerken des
neunten bis eilften Jahrhunderts, welche ich ſpaͤterhin naͤher
anzeigen werde, in der Darſtellung des Gekreuzigten der auf-
gehende Mond, die untergehende Sonne durch die bekannten
Perſonificationen des Alterthums angedeutet. Auf gleiche
Weiſe erſcheinen die Staͤdte und Fluͤſſe nach altgriechiſcher Art
perſonificirt in einer anziehenden Pergamentrolle der Vaticana,
auf deren einer Seite die Hauptereigniſſe des Buches Joſua **)
ſehr leicht und mit maleriſchem Geiſte in Acquarellfarben ge-
zeichnet, und hie und da etwas aufgehoͤht ſind. Dieſe Rolle
indeß gehoͤrt, wiewohl die Schrift des Textes ſchon ziemlich
curſiv, alſo verhaͤltnißmaͤßig neu iſt, doch der Erfindung nach
ganz offenbar zu den aͤlteſten Denkmalen chriſtlicher Kunſt.

*) Dahin gehoͤren auch die Gegenuͤberſtellungen antiker und
bibliſcher Helden, z. B. des Theſeus und David, ſ. Ciampini,
vet. mon. Romae 1699. p
. 4.
**) Abgebildet bei D’Agincourt hist. de l’Art, T. III. Peinture
Part. II. Pl. 28. fs
. Dieſe, wie andere Nachbildungen ueugriechi-
ſcher Miniaturen ſind in dieſem Werke meiſt nach den Originalen
gemacht, und ziemlich genau. Hingegen ſind die verkleinerten Nach-
bildungen, vornehmlich ſolche, welche aus Kupferwerken entlehnt
worden, durchhin unbrauchbar.
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[166/0184] tig im Pio-Clementino, ſind bacchiſche Symbole verwendet, deren Beziehung nahe liegt *). Doch verloren ſich dieſe, viel- leicht bedenklichen, gewiß etwas weit hergeholten mythiſchen Allegorieen ſehr fruͤh, und nur in den Beywerken, uͤbrigens rein chriſtlicher Darſtellungen, erhielten ſich bis in das ſpaͤtere Mittelalter einige, hier ſchon nicht mehr auf Chriſtliches ge- deutete, Symbole der alten Welt, aus welchen, bey allgemei- nem Wiederaufleben des Geiſtes, die moderne Anwendung der Allegorie ſich mag entwickelt haben. So findet ſich in verſchiedenen Elfenbeinſchnitzwerken des neunten bis eilften Jahrhunderts, welche ich ſpaͤterhin naͤher anzeigen werde, in der Darſtellung des Gekreuzigten der auf- gehende Mond, die untergehende Sonne durch die bekannten Perſonificationen des Alterthums angedeutet. Auf gleiche Weiſe erſcheinen die Staͤdte und Fluͤſſe nach altgriechiſcher Art perſonificirt in einer anziehenden Pergamentrolle der Vaticana, auf deren einer Seite die Hauptereigniſſe des Buches Joſua **) ſehr leicht und mit maleriſchem Geiſte in Acquarellfarben ge- zeichnet, und hie und da etwas aufgehoͤht ſind. Dieſe Rolle indeß gehoͤrt, wiewohl die Schrift des Textes ſchon ziemlich curſiv, alſo verhaͤltnißmaͤßig neu iſt, doch der Erfindung nach ganz offenbar zu den aͤlteſten Denkmalen chriſtlicher Kunſt. *) Dahin gehoͤren auch die Gegenuͤberſtellungen antiker und bibliſcher Helden, z. B. des Theſeus und David, ſ. Ciampini, vet. mon. Romae 1699. p. 4. **) Abgebildet bei D’Agincourt hist. de l’Art, T. III. Peinture Part. II. Pl. 28. fs. Dieſe, wie andere Nachbildungen ueugriechi- ſcher Miniaturen ſind in dieſem Werke meiſt nach den Originalen gemacht, und ziemlich genau. Hingegen ſind die verkleinerten Nach- bildungen, vornehmlich ſolche, welche aus Kupferwerken entlehnt worden, durchhin unbrauchbar.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/184>, abgerufen am 21.11.2024.