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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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nen Tiraboschi geträumt hat *). Gewiß verließ er sich in
dieser Beziehung auf irgend einen literärischen Aufschneider.
Denn er kann die Stelle, auf welche er sich bezieht, weder
im griechischen Text, noch in der lateinischen Version gelesen
haben, wo klärlich steht, das Bild, also nicht nothwendig die
Bildsäule, sey von der Wand herabgefallen **), was außer
Frage stellt, daß es ein musivisches Wandgemälde gewesen,
wie die übrigen Bildnisse Theodorichs, welche Agnellus
noch gesehen ***).

Also nicht die Gothen, sondern die blutige Rückeroberung
Italiens unter Justinian, der bald darauf erfolgte Einbruch
der Longobarden, das neue Staatsverhältniß endlich, welches
aus diesen Ereignissen hervorging, verkümmerte allgemach die
Fortpflanzung der künstlerischen Ueberlieferungen. Auch ohne

*) Tirab. sto. della lett. It. To. c. lib. I. c. VII. §. 8. -- tutta
composta di sassolini minuti ed a varj colori, intrecciati ed uniti
insieme
. -- Verschiedene haben diese Albernheit dem Tiraboschi
ungeprüft nachgeschrieben.
**) Procop. de bello Goth. lib. I. c. 24, wo der griechische
Text der venez. Ausg.: Taute te apasa ek tou toikhou exitelos e
eikon gegonen; die lateinische, dort und auch bey Muratori, scriptt.
To. I. P. 1
, abgedruckte Version: "itaque de pariete effigies pror-
sus abolevit
."
***) Agnell. l. c. "Ticinum, quae civitas Papia dicitur, ubi
Theodoricus palatium struxit, et eius imaginem sedentem super
equum in Tribunalis cameris Tessellis ornatis bene conspexi
. --
Bacchini macht eben dieses offenbar musiv. Bild zu einer zweyten
Statue. -- Das. geht Agnellus unmittelbar nachher auf Ra-
venna
über, und beschreibt ein zweytes musivisches Bild Theodo-
richs
auf der Fläche des Giebelfeldes, dessen Gipfel jene Ritter-
statue zierte, welche wir nicht mit dem allegorischen Gemälde des
Feldes verwechseln werden.

nen Tiraboſchi getraͤumt hat *). Gewiß verließ er ſich in
dieſer Beziehung auf irgend einen literaͤriſchen Aufſchneider.
Denn er kann die Stelle, auf welche er ſich bezieht, weder
im griechiſchen Text, noch in der lateiniſchen Verſion geleſen
haben, wo klaͤrlich ſteht, das Bild, alſo nicht nothwendig die
Bildſaͤule, ſey von der Wand herabgefallen **), was außer
Frage ſtellt, daß es ein muſiviſches Wandgemaͤlde geweſen,
wie die uͤbrigen Bildniſſe Theodorichs, welche Agnellus
noch geſehen ***).

Alſo nicht die Gothen, ſondern die blutige Ruͤckeroberung
Italiens unter Juſtinian, der bald darauf erfolgte Einbruch
der Longobarden, das neue Staatsverhaͤltniß endlich, welches
aus dieſen Ereigniſſen hervorging, verkuͤmmerte allgemach die
Fortpflanzung der kuͤnſtleriſchen Ueberlieferungen. Auch ohne

*) Tirab. sto. della lett. It. To. c. lib. I. c. VII. §. 8. — tutta
composta di sassolini minuti ed a varj colori, intrecciati ed uniti
insieme
. — Verſchiedene haben dieſe Albernheit dem Tiraboſchi
ungepruͤft nachgeſchrieben.
**) Procop. de bello Goth. lib. I. c. 24, wo der griechiſche
Text der venez. Ausg.: Ταύτῃ τε ἅπασα ἐκ τοῦ τοίχου ἐξίτηλος ἡ
ἐικὼν γέγονεν; die lateiniſche, dort und auch bey Muratori, scriptt.
To. I. P. 1
, abgedruckte Verſion: „itaque de pariete effigies pror-
sus abolevit
.“
***) Agnell. l. c. „Ticinum, quae civitas Papia dicitur, ubi
Theodoricus palatium struxit, et eius imaginem sedentem super
equum in Tribunalis cameris Tessellis ornatis bene conspexi
. —
Bacchini macht eben dieſes offenbar muſiv. Bild zu einer zweyten
Statue. — Daſ. geht Agnellus unmittelbar nachher auf Ra-
venna
uͤber, und beſchreibt ein zweytes muſiviſches Bild Theodo-
richs
auf der Flaͤche des Giebelfeldes, deſſen Gipfel jene Ritter-
ſtatue zierte, welche wir nicht mit dem allegoriſchen Gemaͤlde des
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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/201>, abgerufen am 24.11.2024.