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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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Aufwand voraussetzt, da es in größter Form und herrlich ge-
schrieben ist, an sich selbst für ein sehr hervorstechendes Bey-
spiel gelten können. Als Gegenstück in der Schriftart bezeich-
net Bandini *) einen Bibelcodex der Dombibliothek zu Pe-
rugia
, vielleicht denselben, der dort mit No. 19 bezeichnet ist
und dem siebenten oder achten Jahrhundert zugeschrieben wird.
Er enthält drey colorirte Federzeichnungen von sehr geringer
Arbeit. Die erste zeigt den Weltlehrer, wie er vom Thron
herab durch einen Engel dem Matthäus sein Evangelium rei-
chen läßt. Auf den Wangen rothe Flecke, weit geöffnete Au-
gen, keine Spur von Schatten und Licht, vielmehr sind die
Theile nur durch harte Federumrisse geschieden. Uebrigens ist
in der Bewegung etwas Gutes, und die antiken Faltenmassen
sind weder unverständig durcheinander geworfen, wie es spä-
terhin, auch bey besserer Ausführung, vorkommt, noch durch
barbarischen Schmuck unterbrochen. Die Beyschriften, welche
sich zur Currentschrift hinneigen, sind den Diplomen der lon-
gobardischen Zeit nicht unähnlich.

Andere und größere Kunstwerke, von denen erweislich
wäre, daß sie innerhalb und unter der Herrschaft longobardi-
scher Könige verfertigt worden, sind mir bis dahin nicht vor-
gekommen. Die Bildnerarbeiten an der Johanniskirche zu
Monza habe ich nicht selbst untersucht, bezweifle jedoch nach den
Abbildungen **), daß sie bis zur ersten Gründung der Kirche
durch die Königin Theudelinde zurückreichen. Was darin aus
altchristlichen Darstellungen entnommen ist, könnte allerdings

*) A. a. O.
**) S. die Abbildung bey Muratori (scriptt. T. I. P. I. ad
p. 460.

Aufwand vorausſetzt, da es in groͤßter Form und herrlich ge-
ſchrieben iſt, an ſich ſelbſt fuͤr ein ſehr hervorſtechendes Bey-
ſpiel gelten koͤnnen. Als Gegenſtuͤck in der Schriftart bezeich-
net Bandini *) einen Bibelcodex der Dombibliothek zu Pe-
rugia
, vielleicht denſelben, der dort mit No. 19 bezeichnet iſt
und dem ſiebenten oder achten Jahrhundert zugeſchrieben wird.
Er enthaͤlt drey colorirte Federzeichnungen von ſehr geringer
Arbeit. Die erſte zeigt den Weltlehrer, wie er vom Thron
herab durch einen Engel dem Matthaͤus ſein Evangelium rei-
chen laͤßt. Auf den Wangen rothe Flecke, weit geoͤffnete Au-
gen, keine Spur von Schatten und Licht, vielmehr ſind die
Theile nur durch harte Federumriſſe geſchieden. Uebrigens iſt
in der Bewegung etwas Gutes, und die antiken Faltenmaſſen
ſind weder unverſtaͤndig durcheinander geworfen, wie es ſpaͤ-
terhin, auch bey beſſerer Ausfuͤhrung, vorkommt, noch durch
barbariſchen Schmuck unterbrochen. Die Beyſchriften, welche
ſich zur Currentſchrift hinneigen, ſind den Diplomen der lon-
gobardiſchen Zeit nicht unaͤhnlich.

Andere und groͤßere Kunſtwerke, von denen erweislich
waͤre, daß ſie innerhalb und unter der Herrſchaft longobardi-
ſcher Koͤnige verfertigt worden, ſind mir bis dahin nicht vor-
gekommen. Die Bildnerarbeiten an der Johanniskirche zu
Monza habe ich nicht ſelbſt unterſucht, bezweifle jedoch nach den
Abbildungen **), daß ſie bis zur erſten Gruͤndung der Kirche
durch die Koͤnigin Theudelinde zuruͤckreichen. Was darin aus
altchriſtlichen Darſtellungen entnommen iſt, koͤnnte allerdings

*) A. a. O.
**) S. die Abbildung bey Muratori (scriptt. T. I. P. I. ad
p. 460.
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[191/0209] Aufwand vorausſetzt, da es in groͤßter Form und herrlich ge- ſchrieben iſt, an ſich ſelbſt fuͤr ein ſehr hervorſtechendes Bey- ſpiel gelten koͤnnen. Als Gegenſtuͤck in der Schriftart bezeich- net Bandini *) einen Bibelcodex der Dombibliothek zu Pe- rugia, vielleicht denſelben, der dort mit No. 19 bezeichnet iſt und dem ſiebenten oder achten Jahrhundert zugeſchrieben wird. Er enthaͤlt drey colorirte Federzeichnungen von ſehr geringer Arbeit. Die erſte zeigt den Weltlehrer, wie er vom Thron herab durch einen Engel dem Matthaͤus ſein Evangelium rei- chen laͤßt. Auf den Wangen rothe Flecke, weit geoͤffnete Au- gen, keine Spur von Schatten und Licht, vielmehr ſind die Theile nur durch harte Federumriſſe geſchieden. Uebrigens iſt in der Bewegung etwas Gutes, und die antiken Faltenmaſſen ſind weder unverſtaͤndig durcheinander geworfen, wie es ſpaͤ- terhin, auch bey beſſerer Ausfuͤhrung, vorkommt, noch durch barbariſchen Schmuck unterbrochen. Die Beyſchriften, welche ſich zur Currentſchrift hinneigen, ſind den Diplomen der lon- gobardiſchen Zeit nicht unaͤhnlich. Andere und groͤßere Kunſtwerke, von denen erweislich waͤre, daß ſie innerhalb und unter der Herrſchaft longobardi- ſcher Koͤnige verfertigt worden, ſind mir bis dahin nicht vor- gekommen. Die Bildnerarbeiten an der Johanniskirche zu Monza habe ich nicht ſelbſt unterſucht, bezweifle jedoch nach den Abbildungen **), daß ſie bis zur erſten Gruͤndung der Kirche durch die Koͤnigin Theudelinde zuruͤckreichen. Was darin aus altchriſtlichen Darſtellungen entnommen iſt, koͤnnte allerdings *) A. a. O. **) S. die Abbildung bey Muratori (scriptt. T. I. P. I. ad p. 460.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/209>, abgerufen am 25.11.2024.