der bedrängten Regierungen Conrads und Heinrichs, der ersten, zur Beförderung überflüssiger und freier Künste nur wenig ge- schehen konnte. Der neue deutsche Staat rang noch mit man- chen Beschwerden und Hindernissen; mit Ausnahme einiger römischen Colonieen, welche bei veränderter Bevölkerung ihre äußere Einrichtung bewahrt hatten, gab es nur dem Namen nach Städte; die wiederholten Verwüstungen der Ungarn muß- ten, wie die einfache Bestattung Heinrich I. zu bewähren scheint *), da, wo schon früher kein Reichthum war, größere Armuth zurücklassen, welche die einfachste Lebenssitte **) min- der fühlbar machte. Indeß konnte jene Schule unter Con- rad I. keine gänzliche Unterbrechung erfahren haben, weil sie schon unter Heinrich und Otto I. wieder hervortritt; weil die Kunstfertigkeiten unter allen Umständen der Uebung und leben- digen Fortpflanzung bedürfen.
Unter den Geschenken der Könige und Fürsten des sächsi- schen Hauses, welche bis zur Unterdrückung des Reichsstiftes zu Quedlinburg daselbst aufbewahrt wurden, befand sich ein von außen mit getriebenem Goldblech bekleidetes Missale, wel- ches für ein Geschenk Heinrich des ersten galt, weil der Ein- weihungstext des Münsters, seiner Stiftung, darin eingetragen war, und weil man wissen wollte, der Schönschreiber, der sich zu Ende des Buches Johannes Presbyter nennt, habe unter diesem Könige gelebt ***). Obwohl diese Angabe an sich selbst kein Mißtrauen erweckt, so will ich sie doch nicht
*)Wallmann, I. Andr., Abh. von den schätzbaren Alter- thümern zu Quedlinburg. Das. 1776. 8.
der bedraͤngten Regierungen Conrads und Heinrichs, der erſten, zur Befoͤrderung uͤberfluͤſſiger und freier Kuͤnſte nur wenig ge- ſchehen konnte. Der neue deutſche Staat rang noch mit man- chen Beſchwerden und Hinderniſſen; mit Ausnahme einiger roͤmiſchen Colonieen, welche bei veraͤnderter Bevoͤlkerung ihre aͤußere Einrichtung bewahrt hatten, gab es nur dem Namen nach Staͤdte; die wiederholten Verwuͤſtungen der Ungarn muß- ten, wie die einfache Beſtattung Heinrich I. zu bewaͤhren ſcheint *), da, wo ſchon fruͤher kein Reichthum war, groͤßere Armuth zuruͤcklaſſen, welche die einfachſte Lebensſitte **) min- der fuͤhlbar machte. Indeß konnte jene Schule unter Con- rad I. keine gaͤnzliche Unterbrechung erfahren haben, weil ſie ſchon unter Heinrich und Otto I. wieder hervortritt; weil die Kunſtfertigkeiten unter allen Umſtaͤnden der Uebung und leben- digen Fortpflanzung beduͤrfen.
Unter den Geſchenken der Koͤnige und Fuͤrſten des ſaͤchſi- ſchen Hauſes, welche bis zur Unterdruͤckung des Reichsſtiftes zu Quedlinburg daſelbſt aufbewahrt wurden, befand ſich ein von außen mit getriebenem Goldblech bekleidetes Miſſale, wel- ches fuͤr ein Geſchenk Heinrich des erſten galt, weil der Ein- weihungstext des Muͤnſters, ſeiner Stiftung, darin eingetragen war, und weil man wiſſen wollte, der Schoͤnſchreiber, der ſich zu Ende des Buches Johannes Presbyter nennt, habe unter dieſem Koͤnige gelebt ***). Obwohl dieſe Angabe an ſich ſelbſt kein Mißtrauen erweckt, ſo will ich ſie doch nicht
*)Wallmann, I. Andr., Abh. von den ſchaͤtzbaren Alter- thuͤmern zu Quedlinburg. Daſ. 1776. 8.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0245"n="227"/>
der bedraͤngten Regierungen <persNamefull="abb">Conrads</persName> und <persNameref="http://d-nb.info/gnd/11854831X">Heinrichs</persName>, der erſten,<lb/>
zur Befoͤrderung uͤberfluͤſſiger und freier Kuͤnſte nur wenig ge-<lb/>ſchehen konnte. Der neue deutſche Staat rang noch mit man-<lb/>
chen Beſchwerden und Hinderniſſen; mit Ausnahme einiger<lb/>
roͤmiſchen Colonieen, welche bei veraͤnderter Bevoͤlkerung ihre<lb/>
aͤußere Einrichtung bewahrt hatten, gab es nur dem Namen<lb/>
nach Staͤdte; die wiederholten Verwuͤſtungen der <placeName>Ungarn</placeName> muß-<lb/>
ten, wie die einfache Beſtattung <persNameref="http://d-nb.info/gnd/11854831X">Heinrich <hirendition="#aq">I.</hi></persName> zu bewaͤhren<lb/>ſcheint <noteplace="foot"n="*)"><hirendition="#g"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/183291565">Wallmann</persName></hi>, I. Andr., Abh. von den ſchaͤtzbaren Alter-<lb/>
thuͤmern zu <placeName>Quedlinburg</placeName>. Daſ. 1776. 8.</note>, da, wo ſchon fruͤher kein Reichthum war, groͤßere<lb/>
Armuth zuruͤcklaſſen, welche die einfachſte Lebensſitte <noteplace="foot"n="**)">S. die Biographen der Koͤniginnen <persNameref="http://d-nb.info/gnd/119162547">Mathilde</persName> und <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118646974">Adel-<lb/>
heid</persName>, bey <hirendition="#g"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/118571249">Leibnitz</persName></hi>, <hirendition="#aq">scr. rer. Brunsv</hi>.</note> min-<lb/>
der fuͤhlbar machte. Indeß konnte jene Schule unter <persNameref="http://d-nb.info/gnd/119308339">Con-<lb/>
rad <hirendition="#aq">I.</hi></persName> keine gaͤnzliche Unterbrechung erfahren haben, weil ſie<lb/>ſchon unter <persNamefull="abb">Heinrich</persName> und <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118590758">Otto <hirendition="#aq">I.</hi></persName> wieder hervortritt; weil die<lb/>
Kunſtfertigkeiten unter allen Umſtaͤnden der Uebung und leben-<lb/>
digen Fortpflanzung beduͤrfen.</p><lb/><p>Unter den Geſchenken der Koͤnige und Fuͤrſten des ſaͤchſi-<lb/>ſchen Hauſes, welche bis zur Unterdruͤckung des Reichsſtiftes<lb/>
zu <placeName>Quedlinburg</placeName> daſelbſt aufbewahrt wurden, befand ſich ein<lb/>
von außen mit getriebenem Goldblech bekleidetes Miſſale, wel-<lb/>
ches fuͤr ein Geſchenk <persNameref="http://d-nb.info/gnd/11854831X">Heinrich des erſten</persName> galt, weil der Ein-<lb/>
weihungstext des Muͤnſters, ſeiner Stiftung, darin eingetragen<lb/>
war, und weil man wiſſen wollte, der Schoͤnſchreiber, der<lb/>ſich zu Ende des Buches <persNameref="nognd">Johannes Presbyter</persName> nennt, habe<lb/>
unter dieſem Koͤnige gelebt <noteplace="foot"n="***)"><hirendition="#g"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/183291565">Wallmann</persName></hi>, a. a. O. S. 95. Vgl. S. 93.</note>. Obwohl dieſe Angabe an<lb/>ſich ſelbſt kein Mißtrauen erweckt, ſo will ich ſie doch nicht<lb/><fwplace="bottom"type="sig">15 *</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[227/0245]
der bedraͤngten Regierungen Conrads und Heinrichs, der erſten,
zur Befoͤrderung uͤberfluͤſſiger und freier Kuͤnſte nur wenig ge-
ſchehen konnte. Der neue deutſche Staat rang noch mit man-
chen Beſchwerden und Hinderniſſen; mit Ausnahme einiger
roͤmiſchen Colonieen, welche bei veraͤnderter Bevoͤlkerung ihre
aͤußere Einrichtung bewahrt hatten, gab es nur dem Namen
nach Staͤdte; die wiederholten Verwuͤſtungen der Ungarn muß-
ten, wie die einfache Beſtattung Heinrich I. zu bewaͤhren
ſcheint *), da, wo ſchon fruͤher kein Reichthum war, groͤßere
Armuth zuruͤcklaſſen, welche die einfachſte Lebensſitte **) min-
der fuͤhlbar machte. Indeß konnte jene Schule unter Con-
rad I. keine gaͤnzliche Unterbrechung erfahren haben, weil ſie
ſchon unter Heinrich und Otto I. wieder hervortritt; weil die
Kunſtfertigkeiten unter allen Umſtaͤnden der Uebung und leben-
digen Fortpflanzung beduͤrfen.
Unter den Geſchenken der Koͤnige und Fuͤrſten des ſaͤchſi-
ſchen Hauſes, welche bis zur Unterdruͤckung des Reichsſtiftes
zu Quedlinburg daſelbſt aufbewahrt wurden, befand ſich ein
von außen mit getriebenem Goldblech bekleidetes Miſſale, wel-
ches fuͤr ein Geſchenk Heinrich des erſten galt, weil der Ein-
weihungstext des Muͤnſters, ſeiner Stiftung, darin eingetragen
war, und weil man wiſſen wollte, der Schoͤnſchreiber, der
ſich zu Ende des Buches Johannes Presbyter nennt, habe
unter dieſem Koͤnige gelebt ***). Obwohl dieſe Angabe an
ſich ſelbſt kein Mißtrauen erweckt, ſo will ich ſie doch nicht
*) Wallmann, I. Andr., Abh. von den ſchaͤtzbaren Alter-
thuͤmern zu Quedlinburg. Daſ. 1776. 8.
**) S. die Biographen der Koͤniginnen Mathilde und Adel-
heid, bey Leibnitz, scr. rer. Brunsv.
***) Wallmann, a. a. O. S. 95. Vgl. S. 93.
15 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/245>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.