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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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dürfen wir, mit Rückblick auf die Denkmale Paschals I.,
annehmen, daß um die Mitte des neunten Jahrhunderts die
italienische Kunstübung bereits ihre niedrigste Stufe erreicht
hatte. Daß sie im eilften Jahrhundert noch immer dieselbe
Stufe einnahm, sehen wir aus einem unwiderleglichen Zeug-
niß, dem vaticanischen Exemplare des Lobgedichtes auf die
Gräfin Mathilde *).

Verschiedene behaupten, ich erkenne nicht aus welchen
Gründen, daß diese Abschrift des bekannten Lobgedichtes des
Donizo im zwölften Jahrhundert geschrieben sey. Gewiß
könnte das erste unter den theils miniirten, theils nur farbig
bezeichneten Blättern dieser Handschrift eher auf die Vermu-
thung leiten, sie sey der Gräfin persönlich überreicht, mithin
noch vor ihrem Tode besorgt worden. Ist sie vielleicht sogar
in ihren Bildern die Copie eines anderen Exemplares, welches
ich angezeigt finde **), aber nicht selbst gesehen habe?

Unter allen Umständen ist so viel gewiß, daß sie schon
ihres Gegenstandes willen nicht früher, als nach der Mitte
des eilften Jahrhunderts kann geschrieben und durch Bilder
geziert seyn, deren schwankende, oft tief in die Form einschnei-
dende Umrisse, deren rohe Farbenkleckse, deren Unbekanntschaft
selbst mit den leisesten Andeutungen des Helldunkels und der
Modellirung bezeugen, daß um das Jahr 1100 noch keine
Besserung eingetreten war. Die äußerste Grenze dieser ganz
negativen Kunstepoche fällt demnach mit dem Gegenstande der
nachfolgenden Untersuchung zusammen.



*) Bibl. Vaticana, No. 4922.
**) Millin, voy. c. T. II. p. 176.

duͤrfen wir, mit Ruͤckblick auf die Denkmale Paſchals I.,
annehmen, daß um die Mitte des neunten Jahrhunderts die
italieniſche Kunſtuͤbung bereits ihre niedrigſte Stufe erreicht
hatte. Daß ſie im eilften Jahrhundert noch immer dieſelbe
Stufe einnahm, ſehen wir aus einem unwiderleglichen Zeug-
niß, dem vaticaniſchen Exemplare des Lobgedichtes auf die
Graͤfin Mathilde *).

Verſchiedene behaupten, ich erkenne nicht aus welchen
Gruͤnden, daß dieſe Abſchrift des bekannten Lobgedichtes des
Donizo im zwoͤlften Jahrhundert geſchrieben ſey. Gewiß
koͤnnte das erſte unter den theils miniirten, theils nur farbig
bezeichneten Blaͤttern dieſer Handſchrift eher auf die Vermu-
thung leiten, ſie ſey der Graͤfin perſoͤnlich uͤberreicht, mithin
noch vor ihrem Tode beſorgt worden. Iſt ſie vielleicht ſogar
in ihren Bildern die Copie eines anderen Exemplares, welches
ich angezeigt finde **), aber nicht ſelbſt geſehen habe?

Unter allen Umſtaͤnden iſt ſo viel gewiß, daß ſie ſchon
ihres Gegenſtandes willen nicht fruͤher, als nach der Mitte
des eilften Jahrhunderts kann geſchrieben und durch Bilder
geziert ſeyn, deren ſchwankende, oft tief in die Form einſchnei-
dende Umriſſe, deren rohe Farbenkleckſe, deren Unbekanntſchaft
ſelbſt mit den leiſeſten Andeutungen des Helldunkels und der
Modellirung bezeugen, daß um das Jahr 1100 noch keine
Beſſerung eingetreten war. Die aͤußerſte Grenze dieſer ganz
negativen Kunſtepoche faͤllt demnach mit dem Gegenſtande der
nachfolgenden Unterſuchung zuſammen.



*) Bibl. Vaticana, No. 4922.
**) Millin, voy. c. T. II. p. 176.
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[242/0260] duͤrfen wir, mit Ruͤckblick auf die Denkmale Paſchals I., annehmen, daß um die Mitte des neunten Jahrhunderts die italieniſche Kunſtuͤbung bereits ihre niedrigſte Stufe erreicht hatte. Daß ſie im eilften Jahrhundert noch immer dieſelbe Stufe einnahm, ſehen wir aus einem unwiderleglichen Zeug- niß, dem vaticaniſchen Exemplare des Lobgedichtes auf die Graͤfin Mathilde *). Verſchiedene behaupten, ich erkenne nicht aus welchen Gruͤnden, daß dieſe Abſchrift des bekannten Lobgedichtes des Donizo im zwoͤlften Jahrhundert geſchrieben ſey. Gewiß koͤnnte das erſte unter den theils miniirten, theils nur farbig bezeichneten Blaͤttern dieſer Handſchrift eher auf die Vermu- thung leiten, ſie ſey der Graͤfin perſoͤnlich uͤberreicht, mithin noch vor ihrem Tode beſorgt worden. Iſt ſie vielleicht ſogar in ihren Bildern die Copie eines anderen Exemplares, welches ich angezeigt finde **), aber nicht ſelbſt geſehen habe? Unter allen Umſtaͤnden iſt ſo viel gewiß, daß ſie ſchon ihres Gegenſtandes willen nicht fruͤher, als nach der Mitte des eilften Jahrhunderts kann geſchrieben und durch Bilder geziert ſeyn, deren ſchwankende, oft tief in die Form einſchnei- dende Umriſſe, deren rohe Farbenkleckſe, deren Unbekanntſchaft ſelbſt mit den leiſeſten Andeutungen des Helldunkels und der Modellirung bezeugen, daß um das Jahr 1100 noch keine Beſſerung eingetreten war. Die aͤußerſte Grenze dieſer ganz negativen Kunſtepoche faͤllt demnach mit dem Gegenſtande der nachfolgenden Unterſuchung zuſammen. *) Bibl. Vaticana, No. 4922. **) Millin, voy. c. T. II. p. 176.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/260>, abgerufen am 24.11.2024.