Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

denen Hintersatz bilden. Dieselbe Verfälschung verräth sich am
Architrav der Hauptthüre von S. Bartolomeo, wo an der in-
neren Seite des Architraves, nach dem unzweydeutigen Namen
des Vorstehers, Rodolfinus operarius, ebenfalls in neu an-
tiken Charakteren: ANNI DNI. M.C.LXII., welches Jahr
mit dem Zusatze zur zweyten Inschrift des Meister Gruamons
übereinstimmt, und eben hiedurch die Verdächtigkeit dieser letz-
ten erhöht *).

Wer immer diese Verfälschungen vorgenommen, gewiß
in der redlichen Absicht, den verdienten und wohlbegründeten
Ruhm seiner Vaterstadt vor Vergessenheit sicher zu stellen,
hätte doch wohl die Mühe ersparen können, da Meister Grua-
mons
nach der zum Schlanken sich neigenden, vorgothischen
Architectur der Bauwerke, in welche seine Bildnereyen einge-
lassen sind, gewiß nur im zwölften Jahrhundert, nicht früher
noch später, gemeißelt haben kann.

Das Kunstverdienst seiner Arbeiten besteht vornehmlich
in einem löblichen Sinn der Anordnung nach den Forderungen
halberhobener Arbeiten. Die Gegenstände im Architrav von
S. Andrea: links die heil. drey Könige zu Pferde, rechts die-
selben in der Handlung der Anbetung des Kindes; in der
Mitte, beide Handlungen trennend, Christus, der die Apostel
von den Netzen abruft. An jener Seitenthüre des heil. Jo-
hannes
Ev.: das Abendmahl, dessen Anordnung zu den älte-
ren Beyspielen einer feststehenden Form der Darstellung dieses
Gegenstandes gehört, welche ganz neuerlich durch Ruscheweih's
Kupferstich nach einem Gemälde, welches Vasari fälschlich dem
Giotto beygemessen, in einem weiteren Kreise bekannt geworden.


*) Pisa ill. l. s. c.
17 *

denen Hinterſatz bilden. Dieſelbe Verfaͤlſchung verraͤth ſich am
Architrav der Hauptthuͤre von S. Bartolomeo, wo an der in-
neren Seite des Architraves, nach dem unzweydeutigen Namen
des Vorſtehers, Rodolfinus operarius, ebenfalls in neu an-
tiken Charakteren: ANNI DN̅I̅. M.C.LXII., welches Jahr
mit dem Zuſatze zur zweyten Inſchrift des Meiſter Gruamons
uͤbereinſtimmt, und eben hiedurch die Verdaͤchtigkeit dieſer letz-
ten erhoͤht *).

Wer immer dieſe Verfaͤlſchungen vorgenommen, gewiß
in der redlichen Abſicht, den verdienten und wohlbegruͤndeten
Ruhm ſeiner Vaterſtadt vor Vergeſſenheit ſicher zu ſtellen,
haͤtte doch wohl die Muͤhe erſparen koͤnnen, da Meiſter Grua-
mons
nach der zum Schlanken ſich neigenden, vorgothiſchen
Architectur der Bauwerke, in welche ſeine Bildnereyen einge-
laſſen ſind, gewiß nur im zwoͤlften Jahrhundert, nicht fruͤher
noch ſpaͤter, gemeißelt haben kann.

Das Kunſtverdienſt ſeiner Arbeiten beſteht vornehmlich
in einem loͤblichen Sinn der Anordnung nach den Forderungen
halberhobener Arbeiten. Die Gegenſtaͤnde im Architrav von
S. Andrea: links die heil. drey Koͤnige zu Pferde, rechts die-
ſelben in der Handlung der Anbetung des Kindes; in der
Mitte, beide Handlungen trennend, Chriſtus, der die Apoſtel
von den Netzen abruft. An jener Seitenthuͤre des heil. Jo-
hannes
Ev.: das Abendmahl, deſſen Anordnung zu den aͤlte-
ren Beyſpielen einer feſtſtehenden Form der Darſtellung dieſes
Gegenſtandes gehoͤrt, welche ganz neuerlich durch Ruſcheweih’s
Kupferſtich nach einem Gemaͤlde, welches Vaſari faͤlſchlich dem
Giotto beygemeſſen, in einem weiteren Kreiſe bekannt geworden.


*) Pisa ill. l. s. c.
17 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0277" n="259"/>
denen Hinter&#x017F;atz bilden. Die&#x017F;elbe Verfa&#x0364;l&#x017F;chung verra&#x0364;th &#x017F;ich am<lb/>
Architrav der Hauptthu&#x0364;re von S. Bartolomeo, wo an der in-<lb/>
neren Seite des Architraves, nach dem unzweydeutigen Namen<lb/>
des Vor&#x017F;tehers, <hi rendition="#aq">Rodolfinus operarius,</hi> ebenfalls in neu an-<lb/>
tiken Charakteren: <hi rendition="#aq">ANNI DN&#x0305;I&#x0305;. M.C.LXII.,</hi> welches Jahr<lb/>
mit dem Zu&#x017F;atze zur zweyten In&#x017F;chrift des Mei&#x017F;ter <persName ref="http://vocab.getty.edu/ulan/500186602">Gruamons</persName><lb/>
u&#x0364;berein&#x017F;timmt, und eben hiedurch die Verda&#x0364;chtigkeit die&#x017F;er letz-<lb/>
ten erho&#x0364;ht <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#aq"><placeName>Pisa</placeName> ill. l. s. c.</hi></note>.</p><lb/>
          <p>Wer immer die&#x017F;e Verfa&#x0364;l&#x017F;chungen vorgenommen, gewiß<lb/>
in der redlichen Ab&#x017F;icht, den verdienten und wohlbegru&#x0364;ndeten<lb/>
Ruhm &#x017F;einer Vater&#x017F;tadt vor Verge&#x017F;&#x017F;enheit &#x017F;icher zu &#x017F;tellen,<lb/>
ha&#x0364;tte doch wohl die Mu&#x0364;he er&#x017F;paren ko&#x0364;nnen, da Mei&#x017F;ter <persName ref="http://vocab.getty.edu/ulan/500186602">Grua-<lb/>
mons</persName> nach der zum Schlanken &#x017F;ich neigenden, vorgothi&#x017F;chen<lb/>
Architectur der Bauwerke, in welche &#x017F;eine Bildnereyen einge-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind, gewiß nur im zwo&#x0364;lften Jahrhundert, nicht fru&#x0364;her<lb/>
noch &#x017F;pa&#x0364;ter, gemeißelt haben kann.</p><lb/>
          <p>Das Kun&#x017F;tverdien&#x017F;t &#x017F;einer Arbeiten be&#x017F;teht vornehmlich<lb/>
in einem lo&#x0364;blichen Sinn der Anordnung nach den Forderungen<lb/>
halberhobener Arbeiten. Die Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde im Architrav von<lb/>
S. Andrea: links die heil. drey Ko&#x0364;nige zu Pferde, rechts die-<lb/>
&#x017F;elben in der Handlung der Anbetung des Kindes; in der<lb/>
Mitte, beide Handlungen trennend, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118557513">Chri&#x017F;tus</persName>, der die Apo&#x017F;tel<lb/>
von den Netzen abruft. An jener Seitenthu&#x0364;re des heil. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118557815">Jo-<lb/>
hannes</persName> Ev.: das Abendmahl, de&#x017F;&#x017F;en Anordnung zu den a&#x0364;lte-<lb/>
ren Bey&#x017F;pielen einer fe&#x017F;t&#x017F;tehenden Form der Dar&#x017F;tellung die&#x017F;es<lb/>
Gegen&#x017F;tandes geho&#x0364;rt, welche ganz neuerlich durch <persName ref="http://d-nb.info/gnd/116709995">Ru&#x017F;cheweih&#x2019;s</persName><lb/>
Kupfer&#x017F;tich nach einem Gema&#x0364;lde, welches <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Va&#x017F;ari</persName></hi> fa&#x0364;l&#x017F;chlich dem<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118539477">Giotto</persName> beygeme&#x017F;&#x017F;en, in einem weiteren Krei&#x017F;e bekannt geworden.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">17 *</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[259/0277] denen Hinterſatz bilden. Dieſelbe Verfaͤlſchung verraͤth ſich am Architrav der Hauptthuͤre von S. Bartolomeo, wo an der in- neren Seite des Architraves, nach dem unzweydeutigen Namen des Vorſtehers, Rodolfinus operarius, ebenfalls in neu an- tiken Charakteren: ANNI DN̅I̅. M.C.LXII., welches Jahr mit dem Zuſatze zur zweyten Inſchrift des Meiſter Gruamons uͤbereinſtimmt, und eben hiedurch die Verdaͤchtigkeit dieſer letz- ten erhoͤht *). Wer immer dieſe Verfaͤlſchungen vorgenommen, gewiß in der redlichen Abſicht, den verdienten und wohlbegruͤndeten Ruhm ſeiner Vaterſtadt vor Vergeſſenheit ſicher zu ſtellen, haͤtte doch wohl die Muͤhe erſparen koͤnnen, da Meiſter Grua- mons nach der zum Schlanken ſich neigenden, vorgothiſchen Architectur der Bauwerke, in welche ſeine Bildnereyen einge- laſſen ſind, gewiß nur im zwoͤlften Jahrhundert, nicht fruͤher noch ſpaͤter, gemeißelt haben kann. Das Kunſtverdienſt ſeiner Arbeiten beſteht vornehmlich in einem loͤblichen Sinn der Anordnung nach den Forderungen halberhobener Arbeiten. Die Gegenſtaͤnde im Architrav von S. Andrea: links die heil. drey Koͤnige zu Pferde, rechts die- ſelben in der Handlung der Anbetung des Kindes; in der Mitte, beide Handlungen trennend, Chriſtus, der die Apoſtel von den Netzen abruft. An jener Seitenthuͤre des heil. Jo- hannes Ev.: das Abendmahl, deſſen Anordnung zu den aͤlte- ren Beyſpielen einer feſtſtehenden Form der Darſtellung dieſes Gegenſtandes gehoͤrt, welche ganz neuerlich durch Ruſcheweih’s Kupferſtich nach einem Gemaͤlde, welches Vaſari faͤlſchlich dem Giotto beygemeſſen, in einem weiteren Kreiſe bekannt geworden. *) Pisa ill. l. s. c. 17 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/277
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/277>, abgerufen am 21.11.2024.