entstanden sind, was bisweilen nicht mit voller Sicherheit aus- zumachen ist. Doch, selbst wenn es auszumachen wäre, daß in den griechischen Kunstarbeiten bis zur türkischen Eroberung einiges Gute sich bewahrt habe, so würde uns an dieser Stelle, wie wir unten sehen werden, doch einzig Solches angehen, was bis zum Anbeginn des dreyzehnten Jahrhunderts gemacht, geübt oder geleistet worden.
Das Unterscheidende der griechischen Kunstübung des Mittelalters liegt, wie wir uns aus einer früheren Entwicke- lung entsinnen, nicht etwa in solchen Vorstellungen, welche schon im Alterthume des Christenthums künstlerisch aufgefaßt worden. Allerdings wird es auch zu Anfang der neuen Kunst- epoche, im vierten und in den folgenden Jahrhunderten, Schu- len gegeben haben, welche vor anderen durch Talent sich aus- zeichneten, und durch äußere Begünstigung gehoben wurden; und besonders von den Griechen dürfen wir voraussetzen, daß sie sich früh auch in christlichen Darstellungen hervorgethan, sowohl in Ansehung der Nationalanlage für anschauliche Auf- fassung sittlicher Verhältnisse, als auch, weil, nach Einwan- derung der Barbaren in die westlichen Provinzen, im östlichen Reiche, vornehmlich unter Justinian I., aber auch unter den nachfolgenden Kaisern, die Künste der alten Welt, so viel noch an ihnen war, mit größerem Nachdruck betrieben und mit Aufwand gefördert wurden. Indeß fehlt es uns über die ört- liche Entwickelung der altchristlichen Kunstideen an genauer und ausführlicher Kunde, und es dürfte gewagt seyn, vor den Verheerungen des gothischen Krieges, oder vor Einwanderung der Longobarden in Italien, eine andere Entwickelung der Handhabungen, des Geschmackes, des Geistes altchristlicher Kunst anzunehmen, als in den östlichen Provinzen oder im
entſtanden ſind, was bisweilen nicht mit voller Sicherheit aus- zumachen iſt. Doch, ſelbſt wenn es auszumachen waͤre, daß in den griechiſchen Kunſtarbeiten bis zur tuͤrkiſchen Eroberung einiges Gute ſich bewahrt habe, ſo wuͤrde uns an dieſer Stelle, wie wir unten ſehen werden, doch einzig Solches angehen, was bis zum Anbeginn des dreyzehnten Jahrhunderts gemacht, geuͤbt oder geleiſtet worden.
Das Unterſcheidende der griechiſchen Kunſtuͤbung des Mittelalters liegt, wie wir uns aus einer fruͤheren Entwicke- lung entſinnen, nicht etwa in ſolchen Vorſtellungen, welche ſchon im Alterthume des Chriſtenthums kuͤnſtleriſch aufgefaßt worden. Allerdings wird es auch zu Anfang der neuen Kunſt- epoche, im vierten und in den folgenden Jahrhunderten, Schu- len gegeben haben, welche vor anderen durch Talent ſich aus- zeichneten, und durch aͤußere Beguͤnſtigung gehoben wurden; und beſonders von den Griechen duͤrfen wir vorausſetzen, daß ſie ſich fruͤh auch in chriſtlichen Darſtellungen hervorgethan, ſowohl in Anſehung der Nationalanlage fuͤr anſchauliche Auf- faſſung ſittlicher Verhaͤltniſſe, als auch, weil, nach Einwan- derung der Barbaren in die weſtlichen Provinzen, im oͤſtlichen Reiche, vornehmlich unter Juſtinian I., aber auch unter den nachfolgenden Kaiſern, die Kuͤnſte der alten Welt, ſo viel noch an ihnen war, mit groͤßerem Nachdruck betrieben und mit Aufwand gefoͤrdert wurden. Indeß fehlt es uns uͤber die oͤrt- liche Entwickelung der altchriſtlichen Kunſtideen an genauer und ausfuͤhrlicher Kunde, und es duͤrfte gewagt ſeyn, vor den Verheerungen des gothiſchen Krieges, oder vor Einwanderung der Longobarden in Italien, eine andere Entwickelung der Handhabungen, des Geſchmackes, des Geiſtes altchriſtlicher Kunſt anzunehmen, als in den oͤſtlichen Provinzen oder im
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0313"n="295"/>
entſtanden ſind, was bisweilen nicht mit voller Sicherheit aus-<lb/>
zumachen iſt. Doch, ſelbſt wenn es auszumachen waͤre, daß<lb/>
in den griechiſchen Kunſtarbeiten bis zur tuͤrkiſchen Eroberung<lb/>
einiges Gute ſich bewahrt habe, ſo wuͤrde uns an dieſer Stelle,<lb/>
wie wir unten ſehen werden, doch einzig Solches angehen,<lb/>
was bis zum Anbeginn des dreyzehnten Jahrhunderts gemacht,<lb/>
geuͤbt oder geleiſtet worden.</p><lb/><p>Das Unterſcheidende der griechiſchen Kunſtuͤbung des<lb/>
Mittelalters liegt, wie wir uns aus einer fruͤheren Entwicke-<lb/>
lung entſinnen, nicht etwa in ſolchen Vorſtellungen, welche<lb/>ſchon im Alterthume des Chriſtenthums kuͤnſtleriſch aufgefaßt<lb/>
worden. Allerdings wird es auch zu Anfang der neuen Kunſt-<lb/>
epoche, im vierten und in den folgenden Jahrhunderten, Schu-<lb/>
len gegeben haben, welche vor anderen durch Talent ſich aus-<lb/>
zeichneten, und durch aͤußere Beguͤnſtigung gehoben wurden;<lb/>
und beſonders von den Griechen duͤrfen wir vorausſetzen, daß<lb/>ſie ſich fruͤh auch in chriſtlichen Darſtellungen hervorgethan,<lb/>ſowohl in Anſehung der Nationalanlage fuͤr anſchauliche Auf-<lb/>
faſſung ſittlicher Verhaͤltniſſe, als auch, weil, nach Einwan-<lb/>
derung der Barbaren in die weſtlichen Provinzen, im oͤſtlichen<lb/>
Reiche, vornehmlich unter <persNameref="http://d-nb.info/gnd/11855896X">Juſtinian <hirendition="#aq">I.</hi></persName><hirendition="#aq">,</hi> aber auch unter den<lb/>
nachfolgenden Kaiſern, die Kuͤnſte der alten Welt, ſo viel noch<lb/>
an ihnen war, mit groͤßerem Nachdruck betrieben und mit<lb/>
Aufwand gefoͤrdert wurden. Indeß fehlt es uns uͤber die oͤrt-<lb/>
liche Entwickelung der altchriſtlichen Kunſtideen an genauer<lb/>
und ausfuͤhrlicher Kunde, und es duͤrfte gewagt ſeyn, vor den<lb/>
Verheerungen des gothiſchen Krieges, oder vor Einwanderung<lb/>
der Longobarden in <placeName>Italien</placeName>, eine andere Entwickelung der<lb/>
Handhabungen, des Geſchmackes, des Geiſtes altchriſtlicher<lb/>
Kunſt anzunehmen, als in den oͤſtlichen Provinzen oder im<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[295/0313]
entſtanden ſind, was bisweilen nicht mit voller Sicherheit aus-
zumachen iſt. Doch, ſelbſt wenn es auszumachen waͤre, daß
in den griechiſchen Kunſtarbeiten bis zur tuͤrkiſchen Eroberung
einiges Gute ſich bewahrt habe, ſo wuͤrde uns an dieſer Stelle,
wie wir unten ſehen werden, doch einzig Solches angehen,
was bis zum Anbeginn des dreyzehnten Jahrhunderts gemacht,
geuͤbt oder geleiſtet worden.
Das Unterſcheidende der griechiſchen Kunſtuͤbung des
Mittelalters liegt, wie wir uns aus einer fruͤheren Entwicke-
lung entſinnen, nicht etwa in ſolchen Vorſtellungen, welche
ſchon im Alterthume des Chriſtenthums kuͤnſtleriſch aufgefaßt
worden. Allerdings wird es auch zu Anfang der neuen Kunſt-
epoche, im vierten und in den folgenden Jahrhunderten, Schu-
len gegeben haben, welche vor anderen durch Talent ſich aus-
zeichneten, und durch aͤußere Beguͤnſtigung gehoben wurden;
und beſonders von den Griechen duͤrfen wir vorausſetzen, daß
ſie ſich fruͤh auch in chriſtlichen Darſtellungen hervorgethan,
ſowohl in Anſehung der Nationalanlage fuͤr anſchauliche Auf-
faſſung ſittlicher Verhaͤltniſſe, als auch, weil, nach Einwan-
derung der Barbaren in die weſtlichen Provinzen, im oͤſtlichen
Reiche, vornehmlich unter Juſtinian I., aber auch unter den
nachfolgenden Kaiſern, die Kuͤnſte der alten Welt, ſo viel noch
an ihnen war, mit groͤßerem Nachdruck betrieben und mit
Aufwand gefoͤrdert wurden. Indeß fehlt es uns uͤber die oͤrt-
liche Entwickelung der altchriſtlichen Kunſtideen an genauer
und ausfuͤhrlicher Kunde, und es duͤrfte gewagt ſeyn, vor den
Verheerungen des gothiſchen Krieges, oder vor Einwanderung
der Longobarden in Italien, eine andere Entwickelung der
Handhabungen, des Geſchmackes, des Geiſtes altchriſtlicher
Kunſt anzunehmen, als in den oͤſtlichen Provinzen oder im
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/313>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.