Die barberinische Bibliothek zu Rom bewahrt eine Ab- schrift der Psalmen Davids, welche nach einer Angabe im Buche selbst im Jahre 1177 geschrieben, also jenem Altarge- mälde beinahe gleichzeitig ist *). Auch die Schrift, selbst die Goldgründe der Miniaturen, bezeugen dieses für neugriechische Malerey bereits etwas vorgerückte Alter. Unter den Miniatu- ren sind die beiden ersten minder bedeutend, obwohl der antike Schnitt der Bekleidung von hochalterthümlichem Ursprung zeugt. Das dritte Bild indeß gehört zu den ausgezeichneteren Denk- malen mittelalterlicher Kunstfertigkeit; die Figur des David, welche das ganze Blatt ausfüllt, ist schon an sich selbst sehr lobenswerth, der Kopf aber von großer Schönheit des Charak- ters, von ungemeiner Feinheit in der Ausbildung der Züge. Das vierte Bild, die Anfangsvignette des zweyten Blattes, gehört wiederum zu den bemerkenswerthesten Proben altchrist- licher Auffassungsart, welche in den griechischen Handschriften so oft in wunderbarer Reinheit hervortritt. David, der könig- liche Sänger, in einer aufgeschürzten Tunica mit leicht umge- worfenem Mantel, in einem Haine, neben ihm eine weibliche Figur, beide mit Nimbus versehen; hinten ein Gemäuer, über dem eine Figur hervorschaut, gleich als zu horchen. Unten ein Flußgott, dem der Gesang nicht minder süß zu lauten scheint. Die äußere Erscheinung dieses Bildes ist durchaus antik, die Ausführung aber von ungemeiner Feinheit. Das fünfte ist unbedeutend, das sechste, zum Blatte 221, die Er- säufung der Aegypter im rothen Meere, zeigt schöne Bewegun- gen, gute Gewandmotive, feine Köpfe.
Doch werden wir bey Anerkennung des verhältnißmäßi-
*)Barberina codd. gracci. No. 202.
Die barberiniſche Bibliothek zu Rom bewahrt eine Ab- ſchrift der Pſalmen Davids, welche nach einer Angabe im Buche ſelbſt im Jahre 1177 geſchrieben, alſo jenem Altarge- maͤlde beinahe gleichzeitig iſt *). Auch die Schrift, ſelbſt die Goldgruͤnde der Miniaturen, bezeugen dieſes fuͤr neugriechiſche Malerey bereits etwas vorgeruͤckte Alter. Unter den Miniatu- ren ſind die beiden erſten minder bedeutend, obwohl der antike Schnitt der Bekleidung von hochalterthuͤmlichem Urſprung zeugt. Das dritte Bild indeß gehoͤrt zu den ausgezeichneteren Denk- malen mittelalterlicher Kunſtfertigkeit; die Figur des David, welche das ganze Blatt ausfuͤllt, iſt ſchon an ſich ſelbſt ſehr lobenswerth, der Kopf aber von großer Schoͤnheit des Charak- ters, von ungemeiner Feinheit in der Ausbildung der Zuͤge. Das vierte Bild, die Anfangsvignette des zweyten Blattes, gehoͤrt wiederum zu den bemerkenswertheſten Proben altchriſt- licher Auffaſſungsart, welche in den griechiſchen Handſchriften ſo oft in wunderbarer Reinheit hervortritt. David, der koͤnig- liche Saͤnger, in einer aufgeſchuͤrzten Tunica mit leicht umge- worfenem Mantel, in einem Haine, neben ihm eine weibliche Figur, beide mit Nimbus verſehen; hinten ein Gemaͤuer, uͤber dem eine Figur hervorſchaut, gleich als zu horchen. Unten ein Flußgott, dem der Geſang nicht minder ſuͤß zu lauten ſcheint. Die aͤußere Erſcheinung dieſes Bildes iſt durchaus antik, die Ausfuͤhrung aber von ungemeiner Feinheit. Das fuͤnfte iſt unbedeutend, das ſechste, zum Blatte 221, die Er- ſaͤufung der Aegypter im rothen Meere, zeigt ſchoͤne Bewegun- gen, gute Gewandmotive, feine Koͤpfe.
Doch werden wir bey Anerkennung des verhaͤltnißmaͤßi-
*)Barberina codd. gracci. No. 202.
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Die barberiniſche Bibliothek zu Rom bewahrt eine Ab-
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Buche ſelbſt im Jahre 1177 geſchrieben, alſo jenem Altarge-
maͤlde beinahe gleichzeitig iſt *). Auch die Schrift, ſelbſt die
Goldgruͤnde der Miniaturen, bezeugen dieſes fuͤr neugriechiſche
Malerey bereits etwas vorgeruͤckte Alter. Unter den Miniatu-
ren ſind die beiden erſten minder bedeutend, obwohl der antike
Schnitt der Bekleidung von hochalterthuͤmlichem Urſprung zeugt.
Das dritte Bild indeß gehoͤrt zu den ausgezeichneteren Denk-
malen mittelalterlicher Kunſtfertigkeit; die Figur des David,
welche das ganze Blatt ausfuͤllt, iſt ſchon an ſich ſelbſt ſehr
lobenswerth, der Kopf aber von großer Schoͤnheit des Charak-
ters, von ungemeiner Feinheit in der Ausbildung der Zuͤge.
Das vierte Bild, die Anfangsvignette des zweyten Blattes,
gehoͤrt wiederum zu den bemerkenswertheſten Proben altchriſt-
licher Auffaſſungsart, welche in den griechiſchen Handſchriften
ſo oft in wunderbarer Reinheit hervortritt. David, der koͤnig-
liche Saͤnger, in einer aufgeſchuͤrzten Tunica mit leicht umge-
worfenem Mantel, in einem Haine, neben ihm eine weibliche
Figur, beide mit Nimbus verſehen; hinten ein Gemaͤuer, uͤber
dem eine Figur hervorſchaut, gleich als zu horchen. Unten
ein Flußgott, dem der Geſang nicht minder ſuͤß zu lauten
ſcheint. Die aͤußere Erſcheinung dieſes Bildes iſt durchaus
antik, die Ausfuͤhrung aber von ungemeiner Feinheit. Das
fuͤnfte iſt unbedeutend, das ſechste, zum Blatte 221, die Er-
ſaͤufung der Aegypter im rothen Meere, zeigt ſchoͤne Bewegun-
gen, gute Gewandmotive, feine Koͤpfe.
Doch werden wir bey Anerkennung des verhaͤltnißmaͤßi-
*) Barberina codd. gracci. No. 202.
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/317>, abgerufen am 26.11.2024.
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