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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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dieser, die ganze Höhe der Tafel durchmessenden Gestalt, ist
der übrige Raum dreyfach abgetheilt; zur Linken sieht man
darauf drey Geschichten, in denen Christus jedesmal am
Kreuze; vielleicht sollen diese Bilder verschiedene der Handlun-
gen und Reden andeuten, welche, nach den Evangelien, wäh-
rend der Kreuzigung stattgefunden. Zur Rechten blieb mir der
Gegenstand der Darstellungen undeutlich; die mittlere ist viel-
leicht die Erweckung des Lazarus.

In diesem Bilde nun sind die Figuren kurz, die Charak-
tere deutlich, aber roh, die Kleidungen größerentheils, wenn
wir die mittlere Gestalt ausnehmen, nicht herkömmlich, son-
dern barbarisch. Die Arbeit ist sehr unvollkommen, obwohl
schon etwas verschmolzener, als jene der Bilder des Gekreu-
zigten von jenem umbrischen Meister Alberto; die Umrisse noch
immer dunkelfarbig, breit und stark in die Augen fallend; ob-
wohl sie in der erhobenen Figur schon mehr untergeordnet
worden, als früherhin zu geschehen pflegte.


stehendem Beyspiel erhellt, daß solche Abkürzungen häufig aus blo-
ßer Ehrfurcht vor dem Herkömmlichen, ohne eigentliches Verständ-
niß nachgebildet wurden.
In S. Bartolommeo, auf der Tiberinsel zu Rom, befindet sich
an der Einfassung des heil. Brünnleins vor dem Hauptaltare ein
Christus, als Weltlehrer, von hochmittelalterlichem Ansehen. Im
Felde zu beiden Seiten dieser Figur:
+ OC IPVS
was offenbar durch Versetzung der Buchstaben aus XPOC IVS. ent-
standen ist, in welcher letzteren Abkürzung die lateinische Endung
wiederum aus Mißverständniß und willkührlicher Deutung das ge-
wöhnliche @n. scheint verdrängt zu haben.
Ein anderes ist es mit dem: @ @, welches meist auf grie-
chischen Ursprung hindeutet, weil die Darstellung selbst neuer ist.
Siehe oben.

dieſer, die ganze Hoͤhe der Tafel durchmeſſenden Geſtalt, iſt
der uͤbrige Raum dreyfach abgetheilt; zur Linken ſieht man
darauf drey Geſchichten, in denen Chriſtus jedesmal am
Kreuze; vielleicht ſollen dieſe Bilder verſchiedene der Handlun-
gen und Reden andeuten, welche, nach den Evangelien, waͤh-
rend der Kreuzigung ſtattgefunden. Zur Rechten blieb mir der
Gegenſtand der Darſtellungen undeutlich; die mittlere iſt viel-
leicht die Erweckung des Lazarus.

In dieſem Bilde nun ſind die Figuren kurz, die Charak-
tere deutlich, aber roh, die Kleidungen groͤßerentheils, wenn
wir die mittlere Geſtalt ausnehmen, nicht herkoͤmmlich, ſon-
dern barbariſch. Die Arbeit iſt ſehr unvollkommen, obwohl
ſchon etwas verſchmolzener, als jene der Bilder des Gekreu-
zigten von jenem umbriſchen Meiſter Alberto; die Umriſſe noch
immer dunkelfarbig, breit und ſtark in die Augen fallend; ob-
wohl ſie in der erhobenen Figur ſchon mehr untergeordnet
worden, als fruͤherhin zu geſchehen pflegte.


ſtehendem Beyſpiel erhellt, daß ſolche Abkuͤrzungen haͤufig aus blo-
ßer Ehrfurcht vor dem Herkoͤmmlichen, ohne eigentliches Verſtaͤnd-
niß nachgebildet wurden.
In S. Bartolommeo, auf der Tiberinſel zu Rom, befindet ſich
an der Einfaſſung des heil. Bruͤnnleins vor dem Hauptaltare ein
Chriſtus, als Weltlehrer, von hochmittelalterlichem Anſehen. Im
Felde zu beiden Seiten dieſer Figur:
+ OC IPVS
was offenbar durch Verſetzung der Buchſtaben aus XPOC IVS. ent-
ſtanden iſt, in welcher letzteren Abkuͤrzung die lateiniſche Endung
wiederum aus Mißverſtaͤndniß und willkuͤhrlicher Deutung das ge-
woͤhnliche ̄. ſcheint verdraͤngt zu haben.
Ein anderes iſt es mit dem: , welches meiſt auf grie-
chiſchen Urſprung hindeutet, weil die Darſtellung ſelbſt neuer iſt.
Siehe oben.
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[298/0316] dieſer, die ganze Hoͤhe der Tafel durchmeſſenden Geſtalt, iſt der uͤbrige Raum dreyfach abgetheilt; zur Linken ſieht man darauf drey Geſchichten, in denen Chriſtus jedesmal am Kreuze; vielleicht ſollen dieſe Bilder verſchiedene der Handlun- gen und Reden andeuten, welche, nach den Evangelien, waͤh- rend der Kreuzigung ſtattgefunden. Zur Rechten blieb mir der Gegenſtand der Darſtellungen undeutlich; die mittlere iſt viel- leicht die Erweckung des Lazarus. In dieſem Bilde nun ſind die Figuren kurz, die Charak- tere deutlich, aber roh, die Kleidungen groͤßerentheils, wenn wir die mittlere Geſtalt ausnehmen, nicht herkoͤmmlich, ſon- dern barbariſch. Die Arbeit iſt ſehr unvollkommen, obwohl ſchon etwas verſchmolzener, als jene der Bilder des Gekreu- zigten von jenem umbriſchen Meiſter Alberto; die Umriſſe noch immer dunkelfarbig, breit und ſtark in die Augen fallend; ob- wohl ſie in der erhobenen Figur ſchon mehr untergeordnet worden, als fruͤherhin zu geſchehen pflegte. *) *) ſtehendem Beyſpiel erhellt, daß ſolche Abkuͤrzungen haͤufig aus blo- ßer Ehrfurcht vor dem Herkoͤmmlichen, ohne eigentliches Verſtaͤnd- niß nachgebildet wurden. In S. Bartolommeo, auf der Tiberinſel zu Rom, befindet ſich an der Einfaſſung des heil. Bruͤnnleins vor dem Hauptaltare ein Chriſtus, als Weltlehrer, von hochmittelalterlichem Anſehen. Im Felde zu beiden Seiten dieſer Figur: + OC IPVS was offenbar durch Verſetzung der Buchſtaben aus XPOC IVS. ent- ſtanden iſt, in welcher letzteren Abkuͤrzung die lateiniſche Endung wiederum aus Mißverſtaͤndniß und willkuͤhrlicher Deutung das ge- woͤhnliche ̄. ſcheint verdraͤngt zu haben. Ein anderes iſt es mit dem:  , welches meiſt auf grie- chiſchen Urſprung hindeutet, weil die Darſtellung ſelbſt neuer iſt. Siehe oben.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/316>, abgerufen am 26.11.2024.