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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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und Buntheit zu zeugen scheint. In einer anderen Handschrift
derselben Sammlung *), welche um etwas älter zu seyn
scheint, als jene, befinden sich verschiedene Miniaturen von
geringer Ausdehnung, unter denen ich die vordere, Gott den
Vater, der das Licht in die Finsterniß sendet, ebenfalls in
einer ziemlich zutreffenden Abbildung bekannt gemacht **).
Auf dem vierten Blatte des Codex sieht man ein anderes
Bild, die Erschaffung der ersten Menschen, in zwey überein-
ander stehenden Abtheilungen, auf goldenem Felde. Auch diese
Gebilde scheinen in anderen und besseren Zeiten entworfen zu
seyn, da die Ausführung der Idee nicht durchhin entspricht.
Der Sündenfall, auf dem sechsten Blatte, ist so beschädigt,
daß man daran kaum mehr, als die symbolischen Flüsse erkennt.

In derselben Sammlung finden sich andere griechische,
wohl ausgezierte Handschriften; unter diesen ein Codex der
Evangelien in großen, hie und da verschlungenen Charakteren,
den Bandini ins eilfte Jahrhundert versetzt, Lami hingegen
für Arbeit des neunten oder zehnten hält ***). Die Minia-
turen dieser Handschrift sind ausgezeichnet. Auf dem ersten
Blatte sitzt Johannes der Evangelist auf einem Sessel von
überladener Form; Sitz und Stellung bequem; die Gewan-
dung gut entworfen, doch mager ausgeführt. Der Charakter
des aus dem Bilde herausgewendeten Antlitzes ist schön, der
Blick begeistert, die Bezeichnung der Züge wohlverstanden.
Auf dem zweyten Blatte befindet sich eine seltsam pedantische
Vorstellung, deren Erfindung offenbar dem griechischen Mittel-

*) Laurent. Plut. V. No. 38. biblia, graece.
**) Kunstblatt, 1821.
***) Lami, de erud. Apostolor. ed. vet. Flor. 1766. 4. p. 793.

und Buntheit zu zeugen ſcheint. In einer anderen Handſchrift
derſelben Sammlung *), welche um etwas aͤlter zu ſeyn
ſcheint, als jene, befinden ſich verſchiedene Miniaturen von
geringer Ausdehnung, unter denen ich die vordere, Gott den
Vater, der das Licht in die Finſterniß ſendet, ebenfalls in
einer ziemlich zutreffenden Abbildung bekannt gemacht **).
Auf dem vierten Blatte des Codex ſieht man ein anderes
Bild, die Erſchaffung der erſten Menſchen, in zwey uͤberein-
ander ſtehenden Abtheilungen, auf goldenem Felde. Auch dieſe
Gebilde ſcheinen in anderen und beſſeren Zeiten entworfen zu
ſeyn, da die Ausfuͤhrung der Idee nicht durchhin entſpricht.
Der Suͤndenfall, auf dem ſechsten Blatte, iſt ſo beſchaͤdigt,
daß man daran kaum mehr, als die ſymboliſchen Fluͤſſe erkennt.

In derſelben Sammlung finden ſich andere griechiſche,
wohl ausgezierte Handſchriften; unter dieſen ein Codex der
Evangelien in großen, hie und da verſchlungenen Charakteren,
den Bandini ins eilfte Jahrhundert verſetzt, Lami hingegen
fuͤr Arbeit des neunten oder zehnten haͤlt ***). Die Minia-
turen dieſer Handſchrift ſind ausgezeichnet. Auf dem erſten
Blatte ſitzt Johannes der Evangeliſt auf einem Seſſel von
uͤberladener Form; Sitz und Stellung bequem; die Gewan-
dung gut entworfen, doch mager ausgefuͤhrt. Der Charakter
des aus dem Bilde herausgewendeten Antlitzes iſt ſchoͤn, der
Blick begeiſtert, die Bezeichnung der Zuͤge wohlverſtanden.
Auf dem zweyten Blatte befindet ſich eine ſeltſam pedantiſche
Vorſtellung, deren Erfindung offenbar dem griechiſchen Mittel-

*) Laurent. Plut. V. No. 38. biblia, graece.
**) Kunſtblatt, 1821.
***) Lami, de erud. Apostolor. ed. vet. Flor. 1766. 4. p. 793.
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[308/0326] und Buntheit zu zeugen ſcheint. In einer anderen Handſchrift derſelben Sammlung *), welche um etwas aͤlter zu ſeyn ſcheint, als jene, befinden ſich verſchiedene Miniaturen von geringer Ausdehnung, unter denen ich die vordere, Gott den Vater, der das Licht in die Finſterniß ſendet, ebenfalls in einer ziemlich zutreffenden Abbildung bekannt gemacht **). Auf dem vierten Blatte des Codex ſieht man ein anderes Bild, die Erſchaffung der erſten Menſchen, in zwey uͤberein- ander ſtehenden Abtheilungen, auf goldenem Felde. Auch dieſe Gebilde ſcheinen in anderen und beſſeren Zeiten entworfen zu ſeyn, da die Ausfuͤhrung der Idee nicht durchhin entſpricht. Der Suͤndenfall, auf dem ſechsten Blatte, iſt ſo beſchaͤdigt, daß man daran kaum mehr, als die ſymboliſchen Fluͤſſe erkennt. In derſelben Sammlung finden ſich andere griechiſche, wohl ausgezierte Handſchriften; unter dieſen ein Codex der Evangelien in großen, hie und da verſchlungenen Charakteren, den Bandini ins eilfte Jahrhundert verſetzt, Lami hingegen fuͤr Arbeit des neunten oder zehnten haͤlt ***). Die Minia- turen dieſer Handſchrift ſind ausgezeichnet. Auf dem erſten Blatte ſitzt Johannes der Evangeliſt auf einem Seſſel von uͤberladener Form; Sitz und Stellung bequem; die Gewan- dung gut entworfen, doch mager ausgefuͤhrt. Der Charakter des aus dem Bilde herausgewendeten Antlitzes iſt ſchoͤn, der Blick begeiſtert, die Bezeichnung der Zuͤge wohlverſtanden. Auf dem zweyten Blatte befindet ſich eine ſeltſam pedantiſche Vorſtellung, deren Erfindung offenbar dem griechiſchen Mittel- *) Laurent. Plut. V. No. 38. biblia, graece. **) Kunſtblatt, 1821. ***) Lami, de erud. Apostolor. ed. vet. Flor. 1766. 4. p. 793.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/326>, abgerufen am 14.08.2024.