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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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alter angehört. Jesus nemlich, der sehr magistralisch an sei-
nem Pulte steht, belehret, aus einem aufgeschlagenen Buche
die Apostel, an deren Spitze Petrus und Paulus. Der Ent-
wurf des Gewandes ist in diesem Stücke durchhin gut; die
Charaktere der Apostel sind schön, ihre Gestalten indeß sehr
dürre und schlecht ausgeführt. Sie tragen weiße Schweißtü-
cher um den Hals, was ihr gutes Ansehen nicht eben erhöht.
Jesus wird uns durch den Nimbus und das gewöhnliche IC.
XC. bezeichnet; die Apostel haben indeß weder Nimbus noch
Schrift. Das Verkümmerte und Pedantische in der Auffassung
dieses Bildes erklärt sich wohl daher, daß bey den Griechen
vornehmlich Mönche die kirchliche Malerey zu betreiben pfleg-
ten. Auf dem dritten Blatte ist Matthäus, ein schöner, treuer
Charakter; das vierte Blatt, auf welchem der heil. Lucas, ist
minder gerathen, die Gestalt verbogen, die Ausführung fast
verkrüppelt. Wäre dieses Bild etwa von anderer Hand? --
Auch in diesen Darstellungen giebt Buntheit und Flachheit der
Behandlung den Randverzierungen, obwohl sie aus antiken
Zügen entstanden sind, ein etwas morgenländisches Ansehen *).


*) Meine Aufgabe ist die Beleuchtung der italienischen Kunst-
historie; wer die griechische des höheren Mittelalters ausführen
wollte, würde seine Forschungen weiter ausdehnen müssen, als ich
selbst bezweckt und erreicht habe. Doch zeigt es sich schon in den
Zusammenstellungen von Quellen und Auszügen bey Banduri, im-
perium orient. sive antt. Constantin. etc. Venet. 1729. T. II.
und
bey Du Cange, hist. Byzant. II.; oder bey Heyne (comm. Goett.
Vol. XI.
), der jene in Bezug auf bildende Künste ausgezogen, und
bey Gibbon und Schlosser, a. a. O., welche letzte vornehmlich
die Architectur und städtische Anlagen berücksichtigt haben; daß,
technisch angesehen, die Kunstübung bey den Griechen ungleich
mehr befördert wurde, als, bis zum Jahre 1200, irgendwo in der
ganzen Ausdehnung des Abendlandes. Daher die Bewunderung,

alter angehoͤrt. Jeſus nemlich, der ſehr magiſtraliſch an ſei-
nem Pulte ſteht, belehret, aus einem aufgeſchlagenen Buche
die Apoſtel, an deren Spitze Petrus und Paulus. Der Ent-
wurf des Gewandes iſt in dieſem Stuͤcke durchhin gut; die
Charaktere der Apoſtel ſind ſchoͤn, ihre Geſtalten indeß ſehr
duͤrre und ſchlecht ausgefuͤhrt. Sie tragen weiße Schweißtuͤ-
cher um den Hals, was ihr gutes Anſehen nicht eben erhoͤht.
Jeſus wird uns durch den Nimbus und das gewoͤhnliche I̅C.̅
X̅C.̅ bezeichnet; die Apoſtel haben indeß weder Nimbus noch
Schrift. Das Verkuͤmmerte und Pedantiſche in der Auffaſſung
dieſes Bildes erklaͤrt ſich wohl daher, daß bey den Griechen
vornehmlich Moͤnche die kirchliche Malerey zu betreiben pfleg-
ten. Auf dem dritten Blatte iſt Matthaͤus, ein ſchoͤner, treuer
Charakter; das vierte Blatt, auf welchem der heil. Lucas, iſt
minder gerathen, die Geſtalt verbogen, die Ausfuͤhrung faſt
verkruͤppelt. Waͤre dieſes Bild etwa von anderer Hand? —
Auch in dieſen Darſtellungen giebt Buntheit und Flachheit der
Behandlung den Randverzierungen, obwohl ſie aus antiken
Zuͤgen entſtanden ſind, ein etwas morgenlaͤndiſches Anſehen *).


*) Meine Aufgabe iſt die Beleuchtung der italieniſchen Kunſt-
hiſtorie; wer die griechiſche des hoͤheren Mittelalters ausfuͤhren
wollte, wuͤrde ſeine Forſchungen weiter ausdehnen muͤſſen, als ich
ſelbſt bezweckt und erreicht habe. Doch zeigt es ſich ſchon in den
Zuſammenſtellungen von Quellen und Auszuͤgen bey Banduri, im-
perium orient. sive antt. Constantin. etc. Venet. 1729. T. II.
und
bey Du Cange, hist. Byzant. II.; oder bey Heyne (comm. Goett.
Vol. XI.
), der jene in Bezug auf bildende Kuͤnſte ausgezogen, und
bey Gibbon und Schloſſer, a. a. O., welche letzte vornehmlich
die Architectur und ſtaͤdtiſche Anlagen beruͤckſichtigt haben; daß,
techniſch angeſehen, die Kunſtuͤbung bey den Griechen ungleich
mehr befoͤrdert wurde, als, bis zum Jahre 1200, irgendwo in der
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[309/0327] alter angehoͤrt. Jeſus nemlich, der ſehr magiſtraliſch an ſei- nem Pulte ſteht, belehret, aus einem aufgeſchlagenen Buche die Apoſtel, an deren Spitze Petrus und Paulus. Der Ent- wurf des Gewandes iſt in dieſem Stuͤcke durchhin gut; die Charaktere der Apoſtel ſind ſchoͤn, ihre Geſtalten indeß ſehr duͤrre und ſchlecht ausgefuͤhrt. Sie tragen weiße Schweißtuͤ- cher um den Hals, was ihr gutes Anſehen nicht eben erhoͤht. Jeſus wird uns durch den Nimbus und das gewoͤhnliche I̅C.̅ X̅C.̅ bezeichnet; die Apoſtel haben indeß weder Nimbus noch Schrift. Das Verkuͤmmerte und Pedantiſche in der Auffaſſung dieſes Bildes erklaͤrt ſich wohl daher, daß bey den Griechen vornehmlich Moͤnche die kirchliche Malerey zu betreiben pfleg- ten. Auf dem dritten Blatte iſt Matthaͤus, ein ſchoͤner, treuer Charakter; das vierte Blatt, auf welchem der heil. Lucas, iſt minder gerathen, die Geſtalt verbogen, die Ausfuͤhrung faſt verkruͤppelt. Waͤre dieſes Bild etwa von anderer Hand? — Auch in dieſen Darſtellungen giebt Buntheit und Flachheit der Behandlung den Randverzierungen, obwohl ſie aus antiken Zuͤgen entſtanden ſind, ein etwas morgenlaͤndiſches Anſehen *). *) Meine Aufgabe iſt die Beleuchtung der italieniſchen Kunſt- hiſtorie; wer die griechiſche des hoͤheren Mittelalters ausfuͤhren wollte, wuͤrde ſeine Forſchungen weiter ausdehnen muͤſſen, als ich ſelbſt bezweckt und erreicht habe. Doch zeigt es ſich ſchon in den Zuſammenſtellungen von Quellen und Auszuͤgen bey Banduri, im- perium orient. sive antt. Constantin. etc. Venet. 1729. T. II. und bey Du Cange, hist. Byzant. II.; oder bey Heyne (comm. Goett. Vol. XI.), der jene in Bezug auf bildende Kuͤnſte ausgezogen, und bey Gibbon und Schloſſer, a. a. O., welche letzte vornehmlich die Architectur und ſtaͤdtiſche Anlagen beruͤckſichtigt haben; daß, techniſch angeſehen, die Kunſtuͤbung bey den Griechen ungleich mehr befoͤrdert wurde, als, bis zum Jahre 1200, irgendwo in der ganzen Ausdehnung des Abendlandes. Daher die Bewunderung,

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/327>, abgerufen am 25.11.2024.