Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.Ueberhaupt war, wie wir nicht übersehen dürfen, dasselbe mit welcher die westlichen Europäer, im früheren Mittelalter, den
Glanz und die Kunstgeschicklichkeit der Byzantiner zu betrachten pflegten; z. B. Luitprand bey Muratori an bekannten, oft an- gezogenen Stellen seines Gesandtschaftsberichtes; später wieder, unter den Zeugen der Eroberung von Constantinopel, Villehar- douin, den ich in der nachfolgenden Untersuchung benutzen werde. Ueberhaupt war, wie wir nicht uͤberſehen duͤrfen, daſſelbe mit welcher die weſtlichen Europaͤer, im fruͤheren Mittelalter, den
Glanz und die Kunſtgeſchicklichkeit der Byzantiner zu betrachten pflegten; z. B. Luitprand bey Muratori an bekannten, oft an- gezogenen Stellen ſeines Geſandtſchaftsberichtes; ſpaͤter wieder, unter den Zeugen der Eroberung von Conſtantinopel, Villehar- douin, den ich in der nachfolgenden Unterſuchung benutzen werde. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0328" n="310"/> <p>Ueberhaupt war, wie wir nicht uͤberſehen duͤrfen, daſſelbe<lb/> Volk, an deſſen techniſcher Ueberlegenheit die aufſtrebende<lb/> Kunſt des neueren <placeName>Italiens</placeName> eine ſo maͤchtige Stuͤtze gefunden,<lb/> doch in Hinſicht auf ſeine ſittlich-geiſtige Entwickelung ein<lb/> barbariſches. Seine techniſche Ueberlegenheit beruhete nicht<lb/> ſowohl auf thaͤtigem Streben nach Vollendung, als vielmehr<lb/> auf dem zufaͤlligen Umſtande, daß im oͤſtlichen Reiche das<lb/> ſtaͤdtiſche Leben ſich erhalten, und unablaͤſſig Reibungen und<lb/> Aufmunterungen des Kunſtfleißes hervorgerufen hatte, welche<lb/> im Weſten nicht ſtattfinden konnten, nachdem germaniſche Ein-<lb/> wanderer dort uͤberall laͤndliche Sitten verbreitet hatten, wo-<lb/> durch auch ſolche Staͤdte, deren Staͤtte bewohnt geblieben, all-<lb/> gemach ihre Bedeutung einbuͤßten. Zudem blieb den griechi-<lb/> ſchen Kuͤnſtlern, bey groͤßerem Reichthum an Vorbildern, oder<lb/> an Gegenſtaͤnden der aͤußerlichſten Nachahmung, mehr Wahl,<lb/> mithin, wenn auch nicht eben die Luſt und Faͤhigkeit eigener<lb/> Erfindung, doch mindeſtens die Moͤglichkeit, ſchon Vorhande-<lb/> nes umzuſtellen und Getrenntes neu zu vereinigen. Doch, wo<lb/> es galt, in der Wirklichkeit fuͤr neue Vorſtellungen neue Ty-<lb/> pen aufzufinden, oder in aͤußeren Verzierungen, Einfaſſungen<lb/> oder Gruͤnden der Bilder eigene Wahl und Erfindung zu zei-<lb/> gen, verraͤth ſich uͤberall in ihren Arbeiten die Huͤlfloſigkeit<lb/> ihres Geiſtes, die Rohigkeit ihres Geſchmackes. Die Charak-<lb/> tere mittelalterlicher Heiligen ſind in ihren Gemaͤlden durchge-<lb/><note xml:id="note-0328" prev="#note-0327" place="foot" n="*)">mit welcher die weſtlichen Europaͤer, im fruͤheren Mittelalter, den<lb/> Glanz und die Kunſtgeſchicklichkeit der Byzantiner zu betrachten<lb/> pflegten; z. B. <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/102517460">Luitprand</persName></hi> bey <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118844520">Muratori</persName></hi> an bekannten, oft an-<lb/> gezogenen Stellen ſeines Geſandtſchaftsberichtes; ſpaͤter wieder,<lb/> unter den Zeugen der Eroberung von <placeName>Conſtantinopel</placeName>, <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118627015">Villehar-<lb/> douin</persName></hi>, den ich in der nachfolgenden Unterſuchung benutzen werde.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [310/0328]
Ueberhaupt war, wie wir nicht uͤberſehen duͤrfen, daſſelbe
Volk, an deſſen techniſcher Ueberlegenheit die aufſtrebende
Kunſt des neueren Italiens eine ſo maͤchtige Stuͤtze gefunden,
doch in Hinſicht auf ſeine ſittlich-geiſtige Entwickelung ein
barbariſches. Seine techniſche Ueberlegenheit beruhete nicht
ſowohl auf thaͤtigem Streben nach Vollendung, als vielmehr
auf dem zufaͤlligen Umſtande, daß im oͤſtlichen Reiche das
ſtaͤdtiſche Leben ſich erhalten, und unablaͤſſig Reibungen und
Aufmunterungen des Kunſtfleißes hervorgerufen hatte, welche
im Weſten nicht ſtattfinden konnten, nachdem germaniſche Ein-
wanderer dort uͤberall laͤndliche Sitten verbreitet hatten, wo-
durch auch ſolche Staͤdte, deren Staͤtte bewohnt geblieben, all-
gemach ihre Bedeutung einbuͤßten. Zudem blieb den griechi-
ſchen Kuͤnſtlern, bey groͤßerem Reichthum an Vorbildern, oder
an Gegenſtaͤnden der aͤußerlichſten Nachahmung, mehr Wahl,
mithin, wenn auch nicht eben die Luſt und Faͤhigkeit eigener
Erfindung, doch mindeſtens die Moͤglichkeit, ſchon Vorhande-
nes umzuſtellen und Getrenntes neu zu vereinigen. Doch, wo
es galt, in der Wirklichkeit fuͤr neue Vorſtellungen neue Ty-
pen aufzufinden, oder in aͤußeren Verzierungen, Einfaſſungen
oder Gruͤnden der Bilder eigene Wahl und Erfindung zu zei-
gen, verraͤth ſich uͤberall in ihren Arbeiten die Huͤlfloſigkeit
ihres Geiſtes, die Rohigkeit ihres Geſchmackes. Die Charak-
tere mittelalterlicher Heiligen ſind in ihren Gemaͤlden durchge-
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*) mit welcher die weſtlichen Europaͤer, im fruͤheren Mittelalter, den
Glanz und die Kunſtgeſchicklichkeit der Byzantiner zu betrachten
pflegten; z. B. Luitprand bey Muratori an bekannten, oft an-
gezogenen Stellen ſeines Geſandtſchaftsberichtes; ſpaͤter wieder,
unter den Zeugen der Eroberung von Conſtantinopel, Villehar-
douin, den ich in der nachfolgenden Unterſuchung benutzen werde.
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