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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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Heinrichs II. Des emaillirten Kreuzes, welches vordem zu
Bamberg bewahrt wurde, habe ich bereits erwähnt; doch als
Kunstwerk betrachtet, ist ein größeres, in Cypressenholz ge-
schnitztes Kruzifix, über dem Altare der westlichen Tribune,
ungleich wichtiger, als jene Handelsarbeit. Dieses Bild, wel-
ches mir noch lebhaft vorschwebt, hat allerdings eine gerade
Haltung, unterscheidet sich mithin von den gemalten Bildern
des Gekreuzigten, welche ich oben bezeichnet habe. Demun-
geachtet halte ich es, in Ansehung der edlen Ausbildung des
Kopfes, der magern Behandlung des Gefältes, ebensowohl für
griechische oder gräcisirende Arbeit, als die halberhobenen Dar-
stellungen über den beiden Seitenthoren des Domes, deren
magere Zierlichkeit, deren verlängerte Proportionen in anderen
deutschen Bildnereyen nirgend vorkommen. Auch die Minia-
turen der bambergischen Evangelien in der kön. Bibliothek zu
München, unter denen das Bildniß Heinrichs II., zeigen, ge-
gen
karolingische gehalten, Annäherung an die griechische
Manier und Farbenwahl *).

Diese gewiß sehr beachtenswerthe Erscheinung wird leider,
so viel mir bekannt ist, durch keine Berichte von Zeitgenossen
näher bestimmt und erörtert; eben so wenig entdeckte ich, ob
sie unter den deutschen Künstlern dieser und folgender Zeiten
einige Wirkung hervorgebracht, einen dauernden Eindruck zu-
rückgelassen. Wahrscheinlich indeß verlor sich diese deutsch-by-
zantinische Schule, eben wie jene andere zu Monte-Cassino **),

*) Crammer, vita S. Henrici, lib. II. cap. V. §. VI. glaubt
auch in den Siegeln Heinrichs II. byzantinische Hoheitssymbole
wahrzunehmen.
**) S. oben, zu Anfang dieser Untersuchung. Fiorillo frei-
lich, Gesch. d. z. K. Thl. II. S. 745 f., stempelt die Musaicisten

Heinrichs II. Des emaillirten Kreuzes, welches vordem zu
Bamberg bewahrt wurde, habe ich bereits erwaͤhnt; doch als
Kunſtwerk betrachtet, iſt ein groͤßeres, in Cypreſſenholz ge-
ſchnitztes Kruzifix, uͤber dem Altare der weſtlichen Tribune,
ungleich wichtiger, als jene Handelsarbeit. Dieſes Bild, wel-
ches mir noch lebhaft vorſchwebt, hat allerdings eine gerade
Haltung, unterſcheidet ſich mithin von den gemalten Bildern
des Gekreuzigten, welche ich oben bezeichnet habe. Demun-
geachtet halte ich es, in Anſehung der edlen Ausbildung des
Kopfes, der magern Behandlung des Gefaͤltes, ebenſowohl fuͤr
griechiſche oder graͤciſirende Arbeit, als die halberhobenen Dar-
ſtellungen uͤber den beiden Seitenthoren des Domes, deren
magere Zierlichkeit, deren verlaͤngerte Proportionen in anderen
deutſchen Bildnereyen nirgend vorkommen. Auch die Minia-
turen der bambergiſchen Evangelien in der koͤn. Bibliothek zu
Muͤnchen, unter denen das Bildniß Heinrichs II., zeigen, ge-
gen
karolingiſche gehalten, Annaͤherung an die griechiſche
Manier und Farbenwahl *).

Dieſe gewiß ſehr beachtenswerthe Erſcheinung wird leider,
ſo viel mir bekannt iſt, durch keine Berichte von Zeitgenoſſen
naͤher beſtimmt und eroͤrtert; eben ſo wenig entdeckte ich, ob
ſie unter den deutſchen Kuͤnſtlern dieſer und folgender Zeiten
einige Wirkung hervorgebracht, einen dauernden Eindruck zu-
ruͤckgelaſſen. Wahrſcheinlich indeß verlor ſich dieſe deutſch-by-
zantiniſche Schule, eben wie jene andere zu Monte-Caſſino **),

*) Crammer, vita S. Henrici, lib. II. cap. V. §. VI. glaubt
auch in den Siegeln Heinrichs II. byzantiniſche Hoheitsſymbole
wahrzunehmen.
**) S. oben, zu Anfang dieſer Unterſuchung. Fiorillo frei-
lich, Geſch. d. z. K. Thl. II. S. 745 f., ſtempelt die Muſaiciſten
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[317/0335] Heinrichs II. Des emaillirten Kreuzes, welches vordem zu Bamberg bewahrt wurde, habe ich bereits erwaͤhnt; doch als Kunſtwerk betrachtet, iſt ein groͤßeres, in Cypreſſenholz ge- ſchnitztes Kruzifix, uͤber dem Altare der weſtlichen Tribune, ungleich wichtiger, als jene Handelsarbeit. Dieſes Bild, wel- ches mir noch lebhaft vorſchwebt, hat allerdings eine gerade Haltung, unterſcheidet ſich mithin von den gemalten Bildern des Gekreuzigten, welche ich oben bezeichnet habe. Demun- geachtet halte ich es, in Anſehung der edlen Ausbildung des Kopfes, der magern Behandlung des Gefaͤltes, ebenſowohl fuͤr griechiſche oder graͤciſirende Arbeit, als die halberhobenen Dar- ſtellungen uͤber den beiden Seitenthoren des Domes, deren magere Zierlichkeit, deren verlaͤngerte Proportionen in anderen deutſchen Bildnereyen nirgend vorkommen. Auch die Minia- turen der bambergiſchen Evangelien in der koͤn. Bibliothek zu Muͤnchen, unter denen das Bildniß Heinrichs II., zeigen, ge- gen karolingiſche gehalten, Annaͤherung an die griechiſche Manier und Farbenwahl *). Dieſe gewiß ſehr beachtenswerthe Erſcheinung wird leider, ſo viel mir bekannt iſt, durch keine Berichte von Zeitgenoſſen naͤher beſtimmt und eroͤrtert; eben ſo wenig entdeckte ich, ob ſie unter den deutſchen Kuͤnſtlern dieſer und folgender Zeiten einige Wirkung hervorgebracht, einen dauernden Eindruck zu- ruͤckgelaſſen. Wahrſcheinlich indeß verlor ſich dieſe deutſch-by- zantiniſche Schule, eben wie jene andere zu Monte-Caſſino **), *) Crammer, vita S. Henrici, lib. II. cap. V. §. VI. glaubt auch in den Siegeln Heinrichs II. byzantiniſche Hoheitsſymbole wahrzunehmen. **) S. oben, zu Anfang dieſer Unterſuchung. Fiorillo frei- lich, Geſch. d. z. K. Thl. II. S. 745 f., ſtempelt die Muſaiciſten

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/335>, abgerufen am 25.11.2024.