Künstler jemals auf italienische eingewirkt; wir hätten demnach nur noch jenes bereits Vorgedeutete zu erörtern: wann diese Einwirkung denn eingetreten sey, und in wiefern sie der ita- lienischen Kunstübung Gedeihen und Förderung gebracht habe.
Das späteste unter mir bekannten Denkmalen eigenthüm- lich italienischer Barbarey, die Altartafel der Gallerie zu Siena vom Jahre 1215, habe ich bereits beschrieben. Der Katalog dieser Sammlung, welcher überhaupt voll dreister Griffe, giebt dieses Bild, ohne allen Beweis und gegen alle Wahrscheinlich- keit, für eine Arbeit des Jacob von Turrita, eines der frühe- ren Nachahmer oder Schüler der Griechen, dessen Werke wir späterhin aufzählen wollen. Hingegen ist das älteste Denkmal italienisch-neugriechischer Malerey, so mir bekannt geworden, jenes große Musiv der Vorseite am Dome zu Spoleto, dessen verkleinerte Abbildung einer Abhandlung im Kunstblatte, 1821. No. 8, beyliegt. Nemlich das älteste bezeichnete und sichere Denkmal; denn es ist nicht eben unwahrscheinlich, daß jene Mauermalereyen in gutem neugriechischen Style, welche die Seitenwände des Mittelschiffes in der Kirche S. Pietro in Grado, auf dem Wege von Pisa nach Livorno, verzieren, um Decennien älter sind. Am unteren Rande des colossalen, ganz wohl erhaltenen Gemäldes (die Erhaltung selbst ist Zeug- niß für die Verbreitung der besseren Technik der Byzanti- ner) befindet sich eine musivische Leiste mit folgender ganz äch- ten Inschrift: + HEC EST PICTVRA QVAM FECIT SAT PLACITVRA DOCTOR SOLSERNVS HAC SVMMVS IN ARTE MODERNVS
Kuͤnſtler jemals auf italieniſche eingewirkt; wir haͤtten demnach nur noch jenes bereits Vorgedeutete zu eroͤrtern: wann dieſe Einwirkung denn eingetreten ſey, und in wiefern ſie der ita- lieniſchen Kunſtuͤbung Gedeihen und Foͤrderung gebracht habe.
Das ſpaͤteſte unter mir bekannten Denkmalen eigenthuͤm- lich italieniſcher Barbarey, die Altartafel der Gallerie zu Siena vom Jahre 1215, habe ich bereits beſchrieben. Der Katalog dieſer Sammlung, welcher uͤberhaupt voll dreiſter Griffe, giebt dieſes Bild, ohne allen Beweis und gegen alle Wahrſcheinlich- keit, fuͤr eine Arbeit des Jacob von Turrita, eines der fruͤhe- ren Nachahmer oder Schuͤler der Griechen, deſſen Werke wir ſpaͤterhin aufzaͤhlen wollen. Hingegen iſt das aͤlteſte Denkmal italieniſch-neugriechiſcher Malerey, ſo mir bekannt geworden, jenes große Muſiv der Vorſeite am Dome zu Spoleto, deſſen verkleinerte Abbildung einer Abhandlung im Kunſtblatte, 1821. No. 8, beyliegt. Nemlich das aͤlteſte bezeichnete und ſichere Denkmal; denn es iſt nicht eben unwahrſcheinlich, daß jene Mauermalereyen in gutem neugriechiſchen Style, welche die Seitenwaͤnde des Mittelſchiffes in der Kirche S. Pietro in Grado, auf dem Wege von Piſa nach Livorno, verzieren, um Decennien aͤlter ſind. Am unteren Rande des coloſſalen, ganz wohl erhaltenen Gemaͤldes (die Erhaltung ſelbſt iſt Zeug- niß fuͤr die Verbreitung der beſſeren Technik der Byzanti- ner) befindet ſich eine muſiviſche Leiſte mit folgender ganz aͤch- ten Inſchrift: + HEC EST PICTVRA QVAM FECIT SAT PLACITVRA DOCTOR SOLSERNVS HAC SVMMVS IN ARTE MODERNVS
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Kuͤnſtler jemals auf italieniſche eingewirkt; wir haͤtten demnach
nur noch jenes bereits Vorgedeutete zu eroͤrtern: wann dieſe
Einwirkung denn eingetreten ſey, und in wiefern ſie der ita-
lieniſchen Kunſtuͤbung Gedeihen und Foͤrderung gebracht habe.
Das ſpaͤteſte unter mir bekannten Denkmalen eigenthuͤm-
lich italieniſcher Barbarey, die Altartafel der Gallerie zu Siena
vom Jahre 1215, habe ich bereits beſchrieben. Der Katalog
dieſer Sammlung, welcher uͤberhaupt voll dreiſter Griffe, giebt
dieſes Bild, ohne allen Beweis und gegen alle Wahrſcheinlich-
keit, fuͤr eine Arbeit des Jacob von Turrita, eines der fruͤhe-
ren Nachahmer oder Schuͤler der Griechen, deſſen Werke wir
ſpaͤterhin aufzaͤhlen wollen. Hingegen iſt das aͤlteſte Denkmal
italieniſch-neugriechiſcher Malerey, ſo mir bekannt geworden,
jenes große Muſiv der Vorſeite am Dome zu Spoleto, deſſen
verkleinerte Abbildung einer Abhandlung im Kunſtblatte, 1821.
No. 8, beyliegt. Nemlich das aͤlteſte bezeichnete und ſichere
Denkmal; denn es iſt nicht eben unwahrſcheinlich, daß jene
Mauermalereyen in gutem neugriechiſchen Style, welche die
Seitenwaͤnde des Mittelſchiffes in der Kirche S. Pietro in
Grado, auf dem Wege von Piſa nach Livorno, verzieren, um
Decennien aͤlter ſind. Am unteren Rande des coloſſalen, ganz
wohl erhaltenen Gemaͤldes (die Erhaltung ſelbſt iſt Zeug-
niß fuͤr die Verbreitung der beſſeren Technik der Byzanti-
ner) befindet ſich eine muſiviſche Leiſte mit folgender ganz aͤch-
ten Inſchrift:
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PLACITVRA
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/350>, abgerufen am 23.11.2024.
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