Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.Aufgabe, welcher Art sie seyn mochte, deutlich ausgedrückt, holländisch-französischen Kunstgelehrten beschränkten sich auf die
Gaukeley des Erscheinens an sich selbst; die Alten aber, wenig- stens die besten, betrachteten den vollen Besitz der Naturformen als die Bedingung genügender Darstellung. Vergl. Winckelmann und sein Jahrh. S. 281. -- Das illusorische Kunstbestreben bedarf vieler Züge der Natur, vieler Umstände der Erscheinung, welche in den meisten Fällen zur eigentlichen Darstellung unwesentlich sind; und umgekehrt wird es andere Züge der Naturgestalt über- gehen dürfen, welche in bestimmten Fällen die Darstellung höch- lich unterstützen. Also steht der darstellende Künstler zur Natur nicht ganz in demselben Verhältniß, als der bloß sinnlich illu- dirende. Aufgabe, welcher Art ſie ſeyn mochte, deutlich ausgedruͤckt, hollaͤndiſch-franzoͤſiſchen Kunſtgelehrten beſchraͤnkten ſich auf die
Gaukeley des Erſcheinens an ſich ſelbſt; die Alten aber, wenig- ſtens die beſten, betrachteten den vollen Beſitz der Naturformen als die Bedingung genuͤgender Darſtellung. Vergl. Winckelmann und ſein Jahrh. S. 281. — Das illuſoriſche Kunſtbeſtreben bedarf vieler Zuͤge der Natur, vieler Umſtaͤnde der Erſcheinung, welche in den meiſten Faͤllen zur eigentlichen Darſtellung unweſentlich ſind; und umgekehrt wird es andere Zuͤge der Naturgeſtalt uͤber- gehen duͤrfen, welche in beſtimmten Faͤllen die Darſtellung hoͤch- lich unterſtuͤtzen. Alſo ſteht der darſtellende Kuͤnſtler zur Natur nicht ganz in demſelben Verhaͤltniß, als der bloß ſinnlich illu- dirende. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0046" n="28"/> Aufgabe, welcher Art ſie ſeyn mochte, deutlich ausgedruͤckt,<lb/> oder dargeſtellt ſehen; ihnen, wie ſelbſt den roheren Roͤmern,<lb/> kam es wirklich darauf an, die Idee der Aufgabe, mit der<lb/> ſie es meiſt ganz ernſtlich meinten, durch entſprechende For-<lb/> men dargeſtellt zu ſehen, weßhalb ſie Recht hatten, zu zuͤrnen,<lb/> wenn ſie ſtatt eines Gottes, oder Helden, das Bildniß einer<lb/> trivialen Perſon erhielten, deren Formen vielleicht, auch abge-<lb/> ſehen von den ihrer Perſoͤnlichkeit anklebenden Nebenvorſtel-<lb/> lungen, in jeder Beziehung der Aufgabe widerſprachen. Folgt<lb/> aber daraus, daß ſie ihre Goͤtter und Heroen, gegen alle<lb/> Geſchichte, in unmenſchlichen und unnatuͤrlichen Formen er-<lb/> blicken wollen? Gewiß konnte dieſes, wenn jemals, doch nur<lb/> in den aͤlteſten Zeiten und an ſolchen Orten, unter ſolchen<lb/> Verhaͤltniſſen ſtatt finden, wo — wie es nicht unerhoͤrt in<lb/> der griechiſchen Kunſtgeſchichte — nicht ſowohl Darſtellung<lb/> und eigentliche Kunſt, als vielmehr willkuͤhrliche Bezeichnung<lb/> verborgener Begriffe bezweckt wurde, deren Eroͤrterung der<lb/> hiſtoriſchen, nicht der aͤſthetiſchen Archaͤologie anheimfaͤllt.<lb/> Wenn aber der Kunſt unkundige Griechen bey Darſtellungen<lb/> in ſich abgeſchloſſener Vorſtellungen des Geiſtes noch zweifeln<lb/><note xml:id="fn2b" prev="#fn2a" place="foot" n="***)">hollaͤndiſch-franzoͤſiſchen Kunſtgelehrten beſchraͤnkten ſich auf die<lb/> Gaukeley des Erſcheinens an ſich ſelbſt; die Alten aber, wenig-<lb/> ſtens die beſten, betrachteten den vollen Beſitz der Naturformen<lb/> als die Bedingung genuͤgender Darſtellung. Vergl. <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118633600">Winckelmann</persName></hi><lb/> und ſein Jahrh. S. 281. — Das illuſoriſche Kunſtbeſtreben bedarf<lb/> vieler Zuͤge der Natur, vieler Umſtaͤnde der Erſcheinung, welche<lb/> in den meiſten Faͤllen zur eigentlichen Darſtellung unweſentlich<lb/> ſind; und umgekehrt wird es andere Zuͤge der Naturgeſtalt uͤber-<lb/> gehen duͤrfen, welche in beſtimmten Faͤllen die Darſtellung hoͤch-<lb/> lich unterſtuͤtzen. Alſo ſteht der darſtellende Kuͤnſtler zur Natur<lb/> nicht ganz in demſelben Verhaͤltniß, als der bloß ſinnlich illu-<lb/> dirende.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [28/0046]
Aufgabe, welcher Art ſie ſeyn mochte, deutlich ausgedruͤckt,
oder dargeſtellt ſehen; ihnen, wie ſelbſt den roheren Roͤmern,
kam es wirklich darauf an, die Idee der Aufgabe, mit der
ſie es meiſt ganz ernſtlich meinten, durch entſprechende For-
men dargeſtellt zu ſehen, weßhalb ſie Recht hatten, zu zuͤrnen,
wenn ſie ſtatt eines Gottes, oder Helden, das Bildniß einer
trivialen Perſon erhielten, deren Formen vielleicht, auch abge-
ſehen von den ihrer Perſoͤnlichkeit anklebenden Nebenvorſtel-
lungen, in jeder Beziehung der Aufgabe widerſprachen. Folgt
aber daraus, daß ſie ihre Goͤtter und Heroen, gegen alle
Geſchichte, in unmenſchlichen und unnatuͤrlichen Formen er-
blicken wollen? Gewiß konnte dieſes, wenn jemals, doch nur
in den aͤlteſten Zeiten und an ſolchen Orten, unter ſolchen
Verhaͤltniſſen ſtatt finden, wo — wie es nicht unerhoͤrt in
der griechiſchen Kunſtgeſchichte — nicht ſowohl Darſtellung
und eigentliche Kunſt, als vielmehr willkuͤhrliche Bezeichnung
verborgener Begriffe bezweckt wurde, deren Eroͤrterung der
hiſtoriſchen, nicht der aͤſthetiſchen Archaͤologie anheimfaͤllt.
Wenn aber der Kunſt unkundige Griechen bey Darſtellungen
in ſich abgeſchloſſener Vorſtellungen des Geiſtes noch zweifeln
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***) hollaͤndiſch-franzoͤſiſchen Kunſtgelehrten beſchraͤnkten ſich auf die
Gaukeley des Erſcheinens an ſich ſelbſt; die Alten aber, wenig-
ſtens die beſten, betrachteten den vollen Beſitz der Naturformen
als die Bedingung genuͤgender Darſtellung. Vergl. Winckelmann
und ſein Jahrh. S. 281. — Das illuſoriſche Kunſtbeſtreben bedarf
vieler Zuͤge der Natur, vieler Umſtaͤnde der Erſcheinung, welche
in den meiſten Faͤllen zur eigentlichen Darſtellung unweſentlich
ſind; und umgekehrt wird es andere Zuͤge der Naturgeſtalt uͤber-
gehen duͤrfen, welche in beſtimmten Faͤllen die Darſtellung hoͤch-
lich unterſtuͤtzen. Alſo ſteht der darſtellende Kuͤnſtler zur Natur
nicht ganz in demſelben Verhaͤltniß, als der bloß ſinnlich illu-
dirende.
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