keine Achtung erwarb, da Ghiberti sein Verzeichniß trefflicher Maler nicht über den Arcagno und Giottino hinausführt, sei- nen näheren Vorgängern und Zeitgenossen keine Zeile widmet, und die große Epoche der toscanischen Malerey ganz unzwey- deutig in die Vergangenheit versetzt *).
Gewiß war Ghiberti, als Kenner der Malerey betrachtet, höchst befangen in der Bewunderung der alten florentinischen Maler, da er diese den Künstlern des classischen Alterthumes an die Seite stellte, was doch, aus seinem eigenen, so ganz technischen Standpuncte angesehn, als eine bloße Verblendung erscheinen muß. Indeß liegt das Vorbild der Bildnerey nun einmal ganz außerhalb des Malerischen, und es war mithin für die Entwickelung der Bildnerkunst ohne allen Belang, ob er selbst, ob seine Handwerksgenossen die Vorurtheile der Ma- ler theilten, oder auch nicht. Aus dieser Unabhängigkeit von beschränkenden Vorbildern in Dingen der Manier und Dar- stellung erkläre ich mir, daß die florentinischen Bildner, inmit- ten der kümmerlichsten Fortübung angelernter malerischer Handhabungen, seit dem Jahre 1400, in der Auffassung der Formen, wie in der Handhabung ihres Stoffes, so unermeß- liche Fortschritte gemacht, daß ihre besten Leistungen, wenig- stens das zweyte Thor des Ghiberti, von allen Kennern den größten und unerreichbarsten Werken beygezählt werden. In diesem Ereignisse sehe ich auf der anderen Seite einen unum- stößlichen Erweis der schon mehrmal hingeworfenen Behaup- tung: daß die Malerey zu Florenz um das Jahr 1400, nicht aus Abnahme des Talentes und Geistes, noch aus anderen
*)Cod. cit. wo überall, sowohl in den allgemeinen, als in den besonderen Andeutungen: fu, ebbe etc.
keine Achtung erwarb, da Ghiberti ſein Verzeichniß trefflicher Maler nicht uͤber den Arcagno und Giottino hinausfuͤhrt, ſei- nen naͤheren Vorgaͤngern und Zeitgenoſſen keine Zeile widmet, und die große Epoche der toscaniſchen Malerey ganz unzwey- deutig in die Vergangenheit verſetzt *).
Gewiß war Ghiberti, als Kenner der Malerey betrachtet, hoͤchſt befangen in der Bewunderung der alten florentiniſchen Maler, da er dieſe den Kuͤnſtlern des claſſiſchen Alterthumes an die Seite ſtellte, was doch, aus ſeinem eigenen, ſo ganz techniſchen Standpuncte angeſehn, als eine bloße Verblendung erſcheinen muß. Indeß liegt das Vorbild der Bildnerey nun einmal ganz außerhalb des Maleriſchen, und es war mithin fuͤr die Entwickelung der Bildnerkunſt ohne allen Belang, ob er ſelbſt, ob ſeine Handwerksgenoſſen die Vorurtheile der Ma- ler theilten, oder auch nicht. Aus dieſer Unabhaͤngigkeit von beſchraͤnkenden Vorbildern in Dingen der Manier und Dar- ſtellung erklaͤre ich mir, daß die florentiniſchen Bildner, inmit- ten der kuͤmmerlichſten Fortuͤbung angelernter maleriſcher Handhabungen, ſeit dem Jahre 1400, in der Auffaſſung der Formen, wie in der Handhabung ihres Stoffes, ſo unermeß- liche Fortſchritte gemacht, daß ihre beſten Leiſtungen, wenig- ſtens das zweyte Thor des Ghiberti, von allen Kennern den groͤßten und unerreichbarſten Werken beygezaͤhlt werden. In dieſem Ereigniſſe ſehe ich auf der anderen Seite einen unum- ſtoͤßlichen Erweis der ſchon mehrmal hingeworfenen Behaup- tung: daß die Malerey zu Florenz um das Jahr 1400, nicht aus Abnahme des Talentes und Geiſtes, noch aus anderen
*)Cod. cit. wo uͤberall, ſowohl in den allgemeinen, als in den beſonderen Andeutungen: fu, ebbe etc.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0249"n="231"/>
keine Achtung erwarb, da <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118539086">Ghiberti</persName>ſein Verzeichniß trefflicher<lb/>
Maler nicht uͤber den <persNameref="http://d-nb.info/gnd/119065037">Arcagno</persName> und <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118983342 ">Giottino</persName> hinausfuͤhrt, ſei-<lb/>
nen naͤheren Vorgaͤngern und Zeitgenoſſen keine Zeile widmet,<lb/>
und die große Epoche der toscaniſchen Malerey ganz unzwey-<lb/>
deutig in die Vergangenheit verſetzt <noteplace="foot"n="*)"><hirendition="#aq">Cod. cit.</hi> wo uͤberall, ſowohl in den allgemeinen, als in den<lb/>
beſonderen Andeutungen: <hirendition="#aq"><hirendition="#g">fu, ebbe</hi> etc.</hi></note>.</p><lb/><p>Gewiß war <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118539086">Ghiberti</persName>, als Kenner der Malerey betrachtet,<lb/>
hoͤchſt befangen in der Bewunderung der alten florentiniſchen<lb/>
Maler, da er dieſe den Kuͤnſtlern des claſſiſchen Alterthumes<lb/>
an die Seite ſtellte, was doch, aus ſeinem eigenen, ſo ganz<lb/>
techniſchen Standpuncte angeſehn, als eine bloße Verblendung<lb/>
erſcheinen muß. Indeß liegt das Vorbild der Bildnerey nun<lb/>
einmal ganz außerhalb des Maleriſchen, und es war mithin<lb/>
fuͤr die Entwickelung der Bildnerkunſt ohne allen Belang, ob<lb/>
er ſelbſt, ob ſeine Handwerksgenoſſen die Vorurtheile der Ma-<lb/>
ler theilten, oder auch nicht. Aus dieſer Unabhaͤngigkeit von<lb/>
beſchraͤnkenden Vorbildern in Dingen der Manier und Dar-<lb/>ſtellung erklaͤre ich mir, daß die florentiniſchen Bildner, inmit-<lb/>
ten der kuͤmmerlichſten Fortuͤbung angelernter maleriſcher<lb/>
Handhabungen, ſeit dem Jahre 1400, in der Auffaſſung der<lb/>
Formen, wie in der Handhabung ihres Stoffes, ſo unermeß-<lb/>
liche Fortſchritte gemacht, daß ihre beſten Leiſtungen, wenig-<lb/>ſtens das zweyte Thor des <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118539086">Ghiberti</persName>, von allen Kennern den<lb/>
groͤßten und unerreichbarſten Werken beygezaͤhlt werden. In<lb/>
dieſem Ereigniſſe ſehe ich auf der anderen Seite einen unum-<lb/>ſtoͤßlichen Erweis der ſchon mehrmal hingeworfenen Behaup-<lb/>
tung: daß die Malerey zu <placeName>Florenz</placeName> um das Jahr 1400, nicht<lb/>
aus Abnahme des Talentes und Geiſtes, noch aus anderen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[231/0249]
keine Achtung erwarb, da Ghiberti ſein Verzeichniß trefflicher
Maler nicht uͤber den Arcagno und Giottino hinausfuͤhrt, ſei-
nen naͤheren Vorgaͤngern und Zeitgenoſſen keine Zeile widmet,
und die große Epoche der toscaniſchen Malerey ganz unzwey-
deutig in die Vergangenheit verſetzt *).
Gewiß war Ghiberti, als Kenner der Malerey betrachtet,
hoͤchſt befangen in der Bewunderung der alten florentiniſchen
Maler, da er dieſe den Kuͤnſtlern des claſſiſchen Alterthumes
an die Seite ſtellte, was doch, aus ſeinem eigenen, ſo ganz
techniſchen Standpuncte angeſehn, als eine bloße Verblendung
erſcheinen muß. Indeß liegt das Vorbild der Bildnerey nun
einmal ganz außerhalb des Maleriſchen, und es war mithin
fuͤr die Entwickelung der Bildnerkunſt ohne allen Belang, ob
er ſelbſt, ob ſeine Handwerksgenoſſen die Vorurtheile der Ma-
ler theilten, oder auch nicht. Aus dieſer Unabhaͤngigkeit von
beſchraͤnkenden Vorbildern in Dingen der Manier und Dar-
ſtellung erklaͤre ich mir, daß die florentiniſchen Bildner, inmit-
ten der kuͤmmerlichſten Fortuͤbung angelernter maleriſcher
Handhabungen, ſeit dem Jahre 1400, in der Auffaſſung der
Formen, wie in der Handhabung ihres Stoffes, ſo unermeß-
liche Fortſchritte gemacht, daß ihre beſten Leiſtungen, wenig-
ſtens das zweyte Thor des Ghiberti, von allen Kennern den
groͤßten und unerreichbarſten Werken beygezaͤhlt werden. In
dieſem Ereigniſſe ſehe ich auf der anderen Seite einen unum-
ſtoͤßlichen Erweis der ſchon mehrmal hingeworfenen Behaup-
tung: daß die Malerey zu Florenz um das Jahr 1400, nicht
aus Abnahme des Talentes und Geiſtes, noch aus anderen
*) Cod. cit. wo uͤberall, ſowohl in den allgemeinen, als in den
beſonderen Andeutungen: fu, ebbe etc.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/249>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.