Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

Da es mir nun auf keine Weise gelungen ist, in den nach-
folgenden und späteren Jahren beurkundete Spuren der Fort-
dauer seiner künstlerischen Wirksamkeit aufzufinden, so bin ich
anzunehmen geneigt, daß er die Beendigung seines größesten
Werkes nicht lange überlebt habe. Gewiß hatte er damals
bereits fast dreißig Jahre auf eigene Rechnung gemalt, viel-
leicht schon ungleich länger, da nichts verbürgt, daß jene
ältesten nur zufällig bekannten Zahlungen der Jahre 1282. 85.
uns auch den Anbeginn seiner Laufbahn bezeichnen. Lanzi *)
indeß versichert uns, daß er um das Jahr 1340. gestorben
sey, was ich dahingestellt lasse, weil ich nicht einsehe, was
damit gewonnen werde, den Künstlern alter Zeit ihr Leben
auf's Ungefähr hin zu verlängern.

Ungleich minder beurkundet ist das Daseyn und die
Wirksamkeit des Cimabue, dessen Geschichte, seit der ersten
Erscheinung der Lebensbeschreibungen des Georg Vasari, durch
keine einzige wohlbegründete Thatsache vermehrt worden ist, **)

*) Stor. pitt. scuola Sen. Epoca I. -- "mori circa il 1340."
-- Er folgte den Lettere Sen. To. II. p. 69. -- Beide suchten für
dasmal der Angabe des Vasari so nahe zu kommen, als nach dem
Laufe der Natur möglich war.
**) Nicht einmal durch den fleißigen Dom. Manni, welcher
doch in den veglie piacevoli, To. II. pag. 26. s., dessen Zeitgenossen,
den Calandrino der Novellen, urkundlich beleuchtet hat. Aus
diesen Untersuchungen des Manni geht hervor, daß Calandrino
gegen Ende des dreyzehnten Jahrhundertes lebte und malte, woher
zu schließen wäre, daß jener Buffalmacco, welcher den Ca-
landrino
in den Novellen des Boccaz zum Besten hat, eben-
falls ein Zeitgenosse des Cimabue sey, also in byzantinischem
Geschmacke gemalt habe, was mit den Gemälden, welche man ihm
beylegt, ganz unvereinbar zu seyn scheint. -- Doch ist zu befürch-
ten, daß jener Buffalmacco überhaupt nur etwa der Dichtung

Da es mir nun auf keine Weiſe gelungen iſt, in den nach-
folgenden und ſpaͤteren Jahren beurkundete Spuren der Fort-
dauer ſeiner kuͤnſtleriſchen Wirkſamkeit aufzufinden, ſo bin ich
anzunehmen geneigt, daß er die Beendigung ſeines groͤßeſten
Werkes nicht lange uͤberlebt habe. Gewiß hatte er damals
bereits faſt dreißig Jahre auf eigene Rechnung gemalt, viel-
leicht ſchon ungleich laͤnger, da nichts verbuͤrgt, daß jene
aͤlteſten nur zufaͤllig bekannten Zahlungen der Jahre 1282. 85.
uns auch den Anbeginn ſeiner Laufbahn bezeichnen. Lanzi *)
indeß verſichert uns, daß er um das Jahr 1340. geſtorben
ſey, was ich dahingeſtellt laſſe, weil ich nicht einſehe, was
damit gewonnen werde, den Kuͤnſtlern alter Zeit ihr Leben
auf’s Ungefaͤhr hin zu verlaͤngern.

Ungleich minder beurkundet iſt das Daſeyn und die
Wirkſamkeit des Cimabue, deſſen Geſchichte, ſeit der erſten
Erſcheinung der Lebensbeſchreibungen des Georg Vaſari, durch
keine einzige wohlbegruͤndete Thatſache vermehrt worden iſt, **)

*) Stor. pitt. scuola Sen. Epoca I. — „mori circa il 1340.“
— Er folgte den Lettere Sen. To. II. p. 69. — Beide ſuchten fuͤr
dasmal der Angabe des Vaſari ſo nahe zu kommen, als nach dem
Laufe der Natur moͤglich war.
**) Nicht einmal durch den fleißigen Dom. Manni, welcher
doch in den veglie piacevoli, To. II. pag. 26. s., deſſen Zeitgenoſſen,
den Calandrino der Novellen, urkundlich beleuchtet hat. Aus
dieſen Unterſuchungen des Manni geht hervor, daß Calandrino
gegen Ende des dreyzehnten Jahrhundertes lebte und malte, woher
zu ſchließen waͤre, daß jener Buffalmacco, welcher den Ca-
landrino
in den Novellen des Boccaz zum Beſten hat, eben-
falls ein Zeitgenoſſe des Cimabue ſey, alſo in byzantiniſchem
Geſchmacke gemalt habe, was mit den Gemaͤlden, welche man ihm
beylegt, ganz unvereinbar zu ſeyn ſcheint. — Doch iſt zu befuͤrch-
ten, daß jener Buffalmacco uͤberhaupt nur etwa der Dichtung
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0032" n="14"/>
Da es mir nun auf keine Wei&#x017F;e gelungen i&#x017F;t, in den nach-<lb/>
folgenden und &#x017F;pa&#x0364;teren Jahren beurkundete Spuren der Fort-<lb/>
dauer &#x017F;einer ku&#x0364;n&#x017F;tleri&#x017F;chen Wirk&#x017F;amkeit aufzufinden, &#x017F;o bin ich<lb/>
anzunehmen geneigt, daß er die Beendigung &#x017F;eines gro&#x0364;ße&#x017F;ten<lb/>
Werkes nicht lange u&#x0364;berlebt habe. Gewiß hatte er damals<lb/>
bereits fa&#x017F;t dreißig Jahre auf eigene Rechnung gemalt, viel-<lb/>
leicht &#x017F;chon ungleich la&#x0364;nger, da nichts verbu&#x0364;rgt, daß jene<lb/>
a&#x0364;lte&#x017F;ten nur zufa&#x0364;llig bekannten Zahlungen der Jahre 1282. 85.<lb/>
uns auch den Anbeginn &#x017F;einer Laufbahn bezeichnen. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/17414444X">Lanzi</persName> <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#aq">Stor. pitt. scuola Sen. Epoca I. &#x2014; &#x201E;mori <hi rendition="#g">circa</hi> il 1340</hi>.&#x201C;<lb/>
&#x2014; Er folgte den <hi rendition="#aq">Lettere Sen. To. II. p. 69</hi>. &#x2014; Beide &#x017F;uchten fu&#x0364;r<lb/>
dasmal der Angabe des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Va&#x017F;ari</persName> &#x017F;o nahe zu kommen, als nach dem<lb/>
Laufe der Natur mo&#x0364;glich war.</note><lb/>
indeß ver&#x017F;ichert uns, daß er <hi rendition="#g">um das Jahr</hi> 1340. ge&#x017F;torben<lb/>
&#x017F;ey, was ich dahinge&#x017F;tellt la&#x017F;&#x017F;e, weil ich nicht ein&#x017F;ehe, was<lb/>
damit gewonnen werde, den Ku&#x0364;n&#x017F;tlern alter Zeit ihr Leben<lb/>
auf&#x2019;s Ungefa&#x0364;hr hin zu verla&#x0364;ngern.</p><lb/>
          <p>Ungleich minder beurkundet i&#x017F;t das Da&#x017F;eyn und die<lb/>
Wirk&#x017F;amkeit des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119138883">Cimabue</persName>, de&#x017F;&#x017F;en Ge&#x017F;chichte, &#x017F;eit der er&#x017F;ten<lb/>
Er&#x017F;cheinung der Lebensbe&#x017F;chreibungen des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Georg Va&#x017F;ari</persName>, durch<lb/>
keine einzige wohlbegru&#x0364;ndete That&#x017F;ache vermehrt worden i&#x017F;t, <note xml:id="fn4i" n="**)" place="foot" next="#fn4f">Nicht einmal durch den fleißigen <persName ref="http://d-nb.info/gnd/128960647">Dom. Manni</persName>, welcher<lb/>
doch in den <hi rendition="#aq">veglie piacevoli, To. II. pag. 26. s</hi>., de&#x017F;&#x017F;en Zeitgeno&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
den <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/129473170">Calandrino</persName></hi> der Novellen, urkundlich beleuchtet hat. Aus<lb/>
die&#x017F;en Unter&#x017F;uchungen des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/128960647">Manni</persName> geht hervor, daß <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/129473170">Calandrino</persName></hi><lb/>
gegen Ende des dreyzehnten Jahrhundertes lebte und malte, woher<lb/>
zu &#x017F;chließen wa&#x0364;re, daß jener <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/11885772X">Buffalmacco</persName></hi>, welcher den <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/129473170">Ca-<lb/>
landrino</persName></hi> in den Novellen des <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/11851217X">Boccaz</persName></hi> zum Be&#x017F;ten hat, eben-<lb/>
falls ein Zeitgeno&#x017F;&#x017F;e des <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/119138883">Cimabue</persName></hi> &#x017F;ey, al&#x017F;o in byzantini&#x017F;chem<lb/>
Ge&#x017F;chmacke gemalt habe, was mit den Gema&#x0364;lden, welche man ihm<lb/>
beylegt, ganz unvereinbar zu &#x017F;eyn &#x017F;cheint. &#x2014; Doch i&#x017F;t zu befu&#x0364;rch-<lb/>
ten, daß jener <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/11885772X">Buffalmacco</persName></hi> u&#x0364;berhaupt nur etwa der Dichtung</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0032] Da es mir nun auf keine Weiſe gelungen iſt, in den nach- folgenden und ſpaͤteren Jahren beurkundete Spuren der Fort- dauer ſeiner kuͤnſtleriſchen Wirkſamkeit aufzufinden, ſo bin ich anzunehmen geneigt, daß er die Beendigung ſeines groͤßeſten Werkes nicht lange uͤberlebt habe. Gewiß hatte er damals bereits faſt dreißig Jahre auf eigene Rechnung gemalt, viel- leicht ſchon ungleich laͤnger, da nichts verbuͤrgt, daß jene aͤlteſten nur zufaͤllig bekannten Zahlungen der Jahre 1282. 85. uns auch den Anbeginn ſeiner Laufbahn bezeichnen. Lanzi *) indeß verſichert uns, daß er um das Jahr 1340. geſtorben ſey, was ich dahingeſtellt laſſe, weil ich nicht einſehe, was damit gewonnen werde, den Kuͤnſtlern alter Zeit ihr Leben auf’s Ungefaͤhr hin zu verlaͤngern. Ungleich minder beurkundet iſt das Daſeyn und die Wirkſamkeit des Cimabue, deſſen Geſchichte, ſeit der erſten Erſcheinung der Lebensbeſchreibungen des Georg Vaſari, durch keine einzige wohlbegruͤndete Thatſache vermehrt worden iſt, **) *) Stor. pitt. scuola Sen. Epoca I. — „mori circa il 1340.“ — Er folgte den Lettere Sen. To. II. p. 69. — Beide ſuchten fuͤr dasmal der Angabe des Vaſari ſo nahe zu kommen, als nach dem Laufe der Natur moͤglich war. **) Nicht einmal durch den fleißigen Dom. Manni, welcher doch in den veglie piacevoli, To. II. pag. 26. s., deſſen Zeitgenoſſen, den Calandrino der Novellen, urkundlich beleuchtet hat. Aus dieſen Unterſuchungen des Manni geht hervor, daß Calandrino gegen Ende des dreyzehnten Jahrhundertes lebte und malte, woher zu ſchließen waͤre, daß jener Buffalmacco, welcher den Ca- landrino in den Novellen des Boccaz zum Beſten hat, eben- falls ein Zeitgenoſſe des Cimabue ſey, alſo in byzantiniſchem Geſchmacke gemalt habe, was mit den Gemaͤlden, welche man ihm beylegt, ganz unvereinbar zu ſeyn ſcheint. — Doch iſt zu befuͤrch- ten, daß jener Buffalmacco uͤberhaupt nur etwa der Dichtung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/32
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/32>, abgerufen am 09.11.2024.