verleihen, den mittleren aber bey hinreißender Schönheit der Form und Anmuth der Gebehrde, doch eine gewisse Ehrfurcht gebietende Miene und Haltung zu geben.
Wäre es ausgemacht, daß Peter von Perugia, wie Va- sari angiebt, beym Andrea del Verocchio gelernt, oder doch, wie es wahrscheinlicher ist, unter dessen Leitung sich vervoll- kommnet habe: so dürfte es nahe liegen, jene zartere, inni- gere Auffassung modern christlicher Aufgaben, welche die Ge- mälde des Lionardo günstig von denen seiner florentinischen Zeitgenossen unterscheidet, aus Anregungen abzuleiten, welche Peter aus der umbrischen, in die Schule des Verocchio ver- pflanzt haben könnte. Gewiß verlebte Perugino einen Theil seiner frischesten Jahre zu Florenz; gewiß bemühte er sich eben damals die Objectivität der Florentiner mit den entge- gengesetzten Eigenthümlichkeiten der umbrischen Malerschulen zu verschmelzen.
Diese letzten hatten seit der Mitte des funfzehnten Jahr- hundertes, vielleicht schon ungleich früher, durch Tiefe und Zartheit des Gefühles, durch eine wunderbare Vereinigung halbdeutlicher Reminiscenzen aus den Kunstbestrebungen der ältesten Christen mit den milderen Vorstellungen der neueren, über ihre toscanischen, lombardischen und venezianischen Zeit- genossen, ungeachtet vieler technischen Unvollkommenheiten, ei- nen geheimen Reiz voraus, dem, wie ich wahrzunehmen glaube, jedes Herz sich öffnet; obwohl ihre, an sich selbst schöne und lobenswerthe Stimmung auf die Länge durch Einförmigkeit zu ermüden pflegt. Woher eben diesem engen Bezirke Italiens eine so ganz eigenthümliche Richtung gekommen sey, habe ich oben, dort freylich noch ohne zulängliche Beweise, aus der Einwirkung des Sienesers Taddeo Bartoli auf den Bezirk von
verleihen, den mittleren aber bey hinreißender Schoͤnheit der Form und Anmuth der Gebehrde, doch eine gewiſſe Ehrfurcht gebietende Miene und Haltung zu geben.
Waͤre es ausgemacht, daß Peter von Perugia, wie Va- ſari angiebt, beym Andrea del Verocchio gelernt, oder doch, wie es wahrſcheinlicher iſt, unter deſſen Leitung ſich vervoll- kommnet habe: ſo duͤrfte es nahe liegen, jene zartere, inni- gere Auffaſſung modern chriſtlicher Aufgaben, welche die Ge- maͤlde des Lionardo guͤnſtig von denen ſeiner florentiniſchen Zeitgenoſſen unterſcheidet, aus Anregungen abzuleiten, welche Peter aus der umbriſchen, in die Schule des Verocchio ver- pflanzt haben koͤnnte. Gewiß verlebte Perugino einen Theil ſeiner friſcheſten Jahre zu Florenz; gewiß bemuͤhte er ſich eben damals die Objectivitaͤt der Florentiner mit den entge- gengeſetzten Eigenthuͤmlichkeiten der umbriſchen Malerſchulen zu verſchmelzen.
Dieſe letzten hatten ſeit der Mitte des funfzehnten Jahr- hundertes, vielleicht ſchon ungleich fruͤher, durch Tiefe und Zartheit des Gefuͤhles, durch eine wunderbare Vereinigung halbdeutlicher Reminiſcenzen aus den Kunſtbeſtrebungen der aͤlteſten Chriſten mit den milderen Vorſtellungen der neueren, uͤber ihre toscaniſchen, lombardiſchen und venezianiſchen Zeit- genoſſen, ungeachtet vieler techniſchen Unvollkommenheiten, ei- nen geheimen Reiz voraus, dem, wie ich wahrzunehmen glaube, jedes Herz ſich oͤffnet; obwohl ihre, an ſich ſelbſt ſchoͤne und lobenswerthe Stimmung auf die Laͤnge durch Einfoͤrmigkeit zu ermuͤden pflegt. Woher eben dieſem engen Bezirke Italiens eine ſo ganz eigenthuͤmliche Richtung gekommen ſey, habe ich oben, dort freylich noch ohne zulaͤngliche Beweiſe, aus der Einwirkung des Sieneſers Taddeo Bartoli auf den Bezirk von
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verleihen, den mittleren aber bey hinreißender Schoͤnheit der
Form und Anmuth der Gebehrde, doch eine gewiſſe Ehrfurcht
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Waͤre es ausgemacht, daß Peter von Perugia, wie Va-
ſari angiebt, beym Andrea del Verocchio gelernt, oder doch,
wie es wahrſcheinlicher iſt, unter deſſen Leitung ſich vervoll-
kommnet habe: ſo duͤrfte es nahe liegen, jene zartere, inni-
gere Auffaſſung modern chriſtlicher Aufgaben, welche die Ge-
maͤlde des Lionardo guͤnſtig von denen ſeiner florentiniſchen
Zeitgenoſſen unterſcheidet, aus Anregungen abzuleiten, welche
Peter aus der umbriſchen, in die Schule des Verocchio ver-
pflanzt haben koͤnnte. Gewiß verlebte Perugino einen Theil
ſeiner friſcheſten Jahre zu Florenz; gewiß bemuͤhte er ſich
eben damals die Objectivitaͤt der Florentiner mit den entge-
gengeſetzten Eigenthuͤmlichkeiten der umbriſchen Malerſchulen
zu verſchmelzen.
Dieſe letzten hatten ſeit der Mitte des funfzehnten Jahr-
hundertes, vielleicht ſchon ungleich fruͤher, durch Tiefe und
Zartheit des Gefuͤhles, durch eine wunderbare Vereinigung
halbdeutlicher Reminiſcenzen aus den Kunſtbeſtrebungen der
aͤlteſten Chriſten mit den milderen Vorſtellungen der neueren,
uͤber ihre toscaniſchen, lombardiſchen und venezianiſchen Zeit-
genoſſen, ungeachtet vieler techniſchen Unvollkommenheiten, ei-
nen geheimen Reiz voraus, dem, wie ich wahrzunehmen glaube,
jedes Herz ſich oͤffnet; obwohl ihre, an ſich ſelbſt ſchoͤne und
lobenswerthe Stimmung auf die Laͤnge durch Einfoͤrmigkeit
zu ermuͤden pflegt. Woher eben dieſem engen Bezirke Italiens
eine ſo ganz eigenthuͤmliche Richtung gekommen ſey, habe ich
oben, dort freylich noch ohne zulaͤngliche Beweiſe, aus der
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/328>, abgerufen am 22.11.2024.
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