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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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Zeugniß, dem wir nicht übereilt eine zu weite Anwendung
werden geben dürfen, erhebt allerdings das Daseyn und den
Ruf, welchen Cimabue in seiner Vaterstadt erworben, über
jeden möglichen Zweifel. Doch, wie sein Ruhm schon zu
Dante's Zeit durch die Neuerungen verdunkelt worden, welche
Giotto einführte, so kam in der Folge sogar sein relatives
Verdienst in Vergessenheit. Denn schon Ghiberti, *) welcher
doch den Duccio mit Lob überschüttet, erwähnet des Cimabue
ohne Anführung seiner Verdienste und Leistungen, als eines
Malers in griechischer Manier, der offenbar für ihn nur in
so fern merkwürdig war, als er ihn für den Gönner und
Lehrmeister des Giotto hielt; und Cennino, der bis zu Giotto
hinaufsteigt, übergeht jenen durchaus, was mir die Anecdote,
welche Vasari im Leben des Giotto dem Ghiberti nacherzäh-
let, wenn nicht verdächtig, doch minder glaubwürdig macht.

Erst nachdem bey den Florentinern der Ehrgeiz erwacht
war, in der Kunst nicht bloß die ersten, sondern auch die frü-
hesten zu seyn, gewann Cimabue an Interesse, ward sein
Name mit größerem Nachdruck und häufiger in Erinnerung
gebracht. Filippo Villani, der späteste Geschichtschreiber seines
Namens, war bereits von jener Richtung des Localpatriotis-
mus ergriffen, welche in der Folge, von Florenz aus, allen
etwas erheblichen Städten Italiens sich mitgetheilt hat, als
er dem Cimabue zuerst die Ehre vindicirte, die Malerey nicht
etwa in seiner Vaterstadt, vielmehr in ganz Toscana auf
einen bessern Fuß gebracht zu haben. **) Augenscheinlich

*) Cod. s. c. fo. 8.
**) S. Moreni, Can. memorie intorno al risorgimento delle
belle arti in Toscana etc. Firenze 1813. p. 5.
wo die hingeworfene,
II. 2

Zeugniß, dem wir nicht uͤbereilt eine zu weite Anwendung
werden geben duͤrfen, erhebt allerdings das Daſeyn und den
Ruf, welchen Cimabue in ſeiner Vaterſtadt erworben, uͤber
jeden moͤglichen Zweifel. Doch, wie ſein Ruhm ſchon zu
Dante’s Zeit durch die Neuerungen verdunkelt worden, welche
Giotto einfuͤhrte, ſo kam in der Folge ſogar ſein relatives
Verdienſt in Vergeſſenheit. Denn ſchon Ghiberti, *) welcher
doch den Duccio mit Lob uͤberſchuͤttet, erwaͤhnet des Cimabue
ohne Anfuͤhrung ſeiner Verdienſte und Leiſtungen, als eines
Malers in griechiſcher Manier, der offenbar fuͤr ihn nur in
ſo fern merkwuͤrdig war, als er ihn fuͤr den Goͤnner und
Lehrmeiſter des Giotto hielt; und Cennino, der bis zu Giotto
hinaufſteigt, uͤbergeht jenen durchaus, was mir die Anecdote,
welche Vaſari im Leben des Giotto dem Ghiberti nacherzaͤh-
let, wenn nicht verdaͤchtig, doch minder glaubwuͤrdig macht.

Erſt nachdem bey den Florentinern der Ehrgeiz erwacht
war, in der Kunſt nicht bloß die erſten, ſondern auch die fruͤ-
heſten zu ſeyn, gewann Cimabue an Intereſſe, ward ſein
Name mit groͤßerem Nachdruck und haͤufiger in Erinnerung
gebracht. Filippo Villani, der ſpaͤteſte Geſchichtſchreiber ſeines
Namens, war bereits von jener Richtung des Localpatriotis-
mus ergriffen, welche in der Folge, von Florenz aus, allen
etwas erheblichen Staͤdten Italiens ſich mitgetheilt hat, als
er dem Cimabue zuerſt die Ehre vindicirte, die Malerey nicht
etwa in ſeiner Vaterſtadt, vielmehr in ganz Toscana auf
einen beſſern Fuß gebracht zu haben. **) Augenſcheinlich

*) Cod. s. c. fo. 8.
**) S. Moreni, Can. memorie intorno al risorgimento delle
belle arti in Toscana etc. Firenze 1813. p. 5.
wo die hingeworfene,
II. 2
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[17/0035] Zeugniß, dem wir nicht uͤbereilt eine zu weite Anwendung werden geben duͤrfen, erhebt allerdings das Daſeyn und den Ruf, welchen Cimabue in ſeiner Vaterſtadt erworben, uͤber jeden moͤglichen Zweifel. Doch, wie ſein Ruhm ſchon zu Dante’s Zeit durch die Neuerungen verdunkelt worden, welche Giotto einfuͤhrte, ſo kam in der Folge ſogar ſein relatives Verdienſt in Vergeſſenheit. Denn ſchon Ghiberti, *) welcher doch den Duccio mit Lob uͤberſchuͤttet, erwaͤhnet des Cimabue ohne Anfuͤhrung ſeiner Verdienſte und Leiſtungen, als eines Malers in griechiſcher Manier, der offenbar fuͤr ihn nur in ſo fern merkwuͤrdig war, als er ihn fuͤr den Goͤnner und Lehrmeiſter des Giotto hielt; und Cennino, der bis zu Giotto hinaufſteigt, uͤbergeht jenen durchaus, was mir die Anecdote, welche Vaſari im Leben des Giotto dem Ghiberti nacherzaͤh- let, wenn nicht verdaͤchtig, doch minder glaubwuͤrdig macht. Erſt nachdem bey den Florentinern der Ehrgeiz erwacht war, in der Kunſt nicht bloß die erſten, ſondern auch die fruͤ- heſten zu ſeyn, gewann Cimabue an Intereſſe, ward ſein Name mit groͤßerem Nachdruck und haͤufiger in Erinnerung gebracht. Filippo Villani, der ſpaͤteſte Geſchichtſchreiber ſeines Namens, war bereits von jener Richtung des Localpatriotis- mus ergriffen, welche in der Folge, von Florenz aus, allen etwas erheblichen Staͤdten Italiens ſich mitgetheilt hat, als er dem Cimabue zuerſt die Ehre vindicirte, die Malerey nicht etwa in ſeiner Vaterſtadt, vielmehr in ganz Toscana auf einen beſſern Fuß gebracht zu haben. **) Augenſcheinlich *) Cod. s. c. fo. 8. **) S. Moreni, Can. memorie intorno al risorgimento delle belle arti in Toscana etc. Firenze 1813. p. 5. wo die hingeworfene, II. 2

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/35>, abgerufen am 29.04.2024.