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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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gend weder durch Aufschriften seiner Gemälde, noch durch
öffentliche oder persönliche Urkunden begründet sind; daß Nie-
mand bisher versucht hat, im Archiv der florentinischen Staats-
verwaltung, welches mir selbst unzugänglich geblieben, nach
Bestätigungen, oder Berichtigungen der naiven Erzählung des
Vasari sich umzusehn? Gewiß würde man, da Vasari nun
einmal in so alten Dingen weder Quelle, noch Autorität ist,
selbst das Daseyn des Cimabue in Zweifel rufen können,
wenn nicht schon Dante seiner erwähnt hätte, dessen be-
kannte Verse:

Credette Cimabue nella pittura
Tener lo campo ed ora ha Giotto il grido
Sicche la fama di colui oscura. *)

Die Aufmerksamkeit des Vasari angezogen und höchst wahr-
scheinlich ihn bestimmt haben, diesem alten Künstler in seinen
Malerleben den Ehrenplatz einzuräumen. Ein alter Commen-
tator, **) welcher nicht lange nach dem Tode des Dichters
geschrieben, bemerkt zu obiger Stelle: "daß Cimabue von Flo-
renz
zur Zeit des Dichters mehr, als Andere, sich auf die
Kunst verstanden, ***) doch so anmaßend und reizbar gewe-
sen sey, daß er bey dem geringsten Tadel seine Arbeiten, so
kostbar sie seyn mochten, alsobald aufgegeben habe." Dieses

Zeug-
*) Purgat. canto XI. 94. s.
**) Er findet sich in einer HS. des Gedichtes in der Riccar-
diana
zu Florenz, derselben, welche Vasari benutzte; sie empfiehlt
sich durch ihr hohes Alter und durch eine Fülle selten benutzter
historischer Erklärungen.
***) -- pintore -- molto nobile di piu che homo sapesse.
-- wenn die Stelle richtig gelesen ist; wahrscheinlich steht: che
piu di'
. --

gend weder durch Aufſchriften ſeiner Gemaͤlde, noch durch
oͤffentliche oder perſoͤnliche Urkunden begruͤndet ſind; daß Nie-
mand bisher verſucht hat, im Archiv der florentiniſchen Staats-
verwaltung, welches mir ſelbſt unzugaͤnglich geblieben, nach
Beſtaͤtigungen, oder Berichtigungen der naiven Erzaͤhlung des
Vaſari ſich umzuſehn? Gewiß wuͤrde man, da Vaſari nun
einmal in ſo alten Dingen weder Quelle, noch Autoritaͤt iſt,
ſelbſt das Daſeyn des Cimabue in Zweifel rufen koͤnnen,
wenn nicht ſchon Dante ſeiner erwaͤhnt haͤtte, deſſen be-
kannte Verſe:

Credette Cimabue nella pittura
Tener lo campo ed ora ha Giotto il grido
Sicchè la fama di colui oscura. *)

Die Aufmerkſamkeit des Vaſari angezogen und hoͤchſt wahr-
ſcheinlich ihn beſtimmt haben, dieſem alten Kuͤnſtler in ſeinen
Malerleben den Ehrenplatz einzuraͤumen. Ein alter Commen-
tator, **) welcher nicht lange nach dem Tode des Dichters
geſchrieben, bemerkt zu obiger Stelle: „daß Cimabue von Flo-
renz
zur Zeit des Dichters mehr, als Andere, ſich auf die
Kunſt verſtanden, ***) doch ſo anmaßend und reizbar gewe-
ſen ſey, daß er bey dem geringſten Tadel ſeine Arbeiten, ſo
koſtbar ſie ſeyn mochten, alſobald aufgegeben habe.“ Dieſes

Zeug-
*) Purgat. canto XI. 94. s.
**) Er findet ſich in einer HS. des Gedichtes in der Riccar-
diana
zu Florenz, derſelben, welche Vaſari benutzte; ſie empfiehlt
ſich durch ihr hohes Alter und durch eine Fuͤlle ſelten benutzter
hiſtoriſcher Erklaͤrungen.
***) — pintore — molto nobile di più che homo sapesse.
— wenn die Stelle richtig geleſen iſt; wahrſcheinlich ſteht: che
più di‘
. —
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[16/0034] gend weder durch Aufſchriften ſeiner Gemaͤlde, noch durch oͤffentliche oder perſoͤnliche Urkunden begruͤndet ſind; daß Nie- mand bisher verſucht hat, im Archiv der florentiniſchen Staats- verwaltung, welches mir ſelbſt unzugaͤnglich geblieben, nach Beſtaͤtigungen, oder Berichtigungen der naiven Erzaͤhlung des Vaſari ſich umzuſehn? Gewiß wuͤrde man, da Vaſari nun einmal in ſo alten Dingen weder Quelle, noch Autoritaͤt iſt, ſelbſt das Daſeyn des Cimabue in Zweifel rufen koͤnnen, wenn nicht ſchon Dante ſeiner erwaͤhnt haͤtte, deſſen be- kannte Verſe: Credette Cimabue nella pittura Tener lo campo ed ora ha Giotto il grido Sicchè la fama di colui oscura. *) Die Aufmerkſamkeit des Vaſari angezogen und hoͤchſt wahr- ſcheinlich ihn beſtimmt haben, dieſem alten Kuͤnſtler in ſeinen Malerleben den Ehrenplatz einzuraͤumen. Ein alter Commen- tator, **) welcher nicht lange nach dem Tode des Dichters geſchrieben, bemerkt zu obiger Stelle: „daß Cimabue von Flo- renz zur Zeit des Dichters mehr, als Andere, ſich auf die Kunſt verſtanden, ***) doch ſo anmaßend und reizbar gewe- ſen ſey, daß er bey dem geringſten Tadel ſeine Arbeiten, ſo koſtbar ſie ſeyn mochten, alſobald aufgegeben habe.“ Dieſes Zeug- *) Purgat. canto XI. 94. s. **) Er findet ſich in einer HS. des Gedichtes in der Riccar- diana zu Florenz, derſelben, welche Vaſari benutzte; ſie empfiehlt ſich durch ihr hohes Alter und durch eine Fuͤlle ſelten benutzter hiſtoriſcher Erklaͤrungen. ***) — pintore — molto nobile di più che homo sapesse. — wenn die Stelle richtig geleſen iſt; wahrſcheinlich ſteht: che più di‘. —

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/34>, abgerufen am 29.04.2024.