Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.ria del Popolo zu Rom; hingegen gehen die Verzierungen der *) Eine dieser ausführlichen Zeichnungen Raphaels befindet
sich, obwohl etwas nachgebessert, zu Perugia im Hause Baldeschi, eine zweyte zu Florenz in der Gallerie der Uffizj, disegni, cartella di Rafaello. Beide sind unendlich schöner und geistvoller, als die nach ihnen ins Große ausgeführten, doch in den landschaftlichen Beywerken, Bildnissen und Anderem abgeänderten Wandgemälde. -- Allein an einer anderen nicht beachteten Stelle, dürfte Pintu- ricchio nicht allein der Erfindungsgabe, auch der Hand und des Pinsels des jungen Raphael sich bedient haben; ich bezeichne die Tafel des Hauptaltares der Kirche s. Girolamo zu Perugia, welche dort, ich entsinne mich nicht, ob nach urkundlichen Gründen für eine Arbeit des Pinturicchio gilt. Auf einem hohen Throne, welcher in leichten Verzierungen von angenehmer Zeichnung endigt und oben, gleich jenem der Ma- donna von Pescia im Palast Pitti zu Florenz, durch einen Balda- chin gedeckt ist, sitzt in der Mitte des Bildes die Jungfrau mit dem Kinde. Neben dem Baldachin schweben zwey ausnehmend schöne, ins Raphaelische gehende Engel. In der Höhe Cherub- köpfe. Unten am Boden stehen zu beiden Seiten des Thrones et- was rückwärts s. Franz und Anton von Padua, vor diesen s. Joh. Baptista und Hieronymus. Im Grunde eine Landschaft von treff- lichen Linien. Leider ist dieses herrliche Gemälde sehr verwaschen, einzelne Köpfe, besonders s. Franz, bis zur Untermalung. Doch erleichtern diese Beschädigungen den Blick in die Manier der Ausführung, welche an den meisten Stellen an jene Mittelstufe erinnert, auf welcher Raphael unmittelbar vor seiner Berufung nach Rom ei- nige Jahre verweilt zu seyn scheint. Ich bezeichne hier die Zeit, als er die Lunette im Kloster s. Severo zu Perugia begann (1505) ria del Popolo zu Rom; hingegen gehen die Verzierungen der *) Eine dieſer ausfuͤhrlichen Zeichnungen Raphaels befindet
ſich, obwohl etwas nachgebeſſert, zu Perugia im Hauſe Baldeſchi, eine zweyte zu Florenz in der Gallerie der Uffizj, disegni, cartella di Rafaello. Beide ſind unendlich ſchoͤner und geiſtvoller, als die nach ihnen ins Große ausgefuͤhrten, doch in den landſchaftlichen Beywerken, Bildniſſen und Anderem abgeaͤnderten Wandgemaͤlde. — Allein an einer anderen nicht beachteten Stelle, duͤrfte Pintu- ricchio nicht allein der Erfindungsgabe, auch der Hand und des Pinſels des jungen Raphael ſich bedient haben; ich bezeichne die Tafel des Hauptaltares der Kirche ſ. Girolamo zu Perugia, welche dort, ich entſinne mich nicht, ob nach urkundlichen Gruͤnden fuͤr eine Arbeit des Pinturicchio gilt. Auf einem hohen Throne, welcher in leichten Verzierungen von angenehmer Zeichnung endigt und oben, gleich jenem der Ma- donna von Peſcia im Palaſt Pitti zu Florenz, durch einen Balda- chin gedeckt iſt, ſitzt in der Mitte des Bildes die Jungfrau mit dem Kinde. Neben dem Baldachin ſchweben zwey ausnehmend ſchoͤne, ins Raphaeliſche gehende Engel. In der Hoͤhe Cherub- koͤpfe. Unten am Boden ſtehen zu beiden Seiten des Thrones et- was ruͤckwaͤrts ſ. Franz und Anton von Padua, vor dieſen ſ. Joh. Baptiſta und Hieronymus. Im Grunde eine Landſchaft von treff- lichen Linien. Leider iſt dieſes herrliche Gemaͤlde ſehr verwaſchen, einzelne Koͤpfe, beſonders ſ. Franz, bis zur Untermalung. Doch erleichtern dieſe Beſchaͤdigungen den Blick in die Manier der Ausfuͤhrung, welche an den meiſten Stellen an jene Mittelſtufe erinnert, auf welcher Raphael unmittelbar vor ſeiner Berufung nach Rom ei- nige Jahre verweilt zu ſeyn ſcheint. Ich bezeichne hier die Zeit, als er die Lunette im Kloſter ſ. Severo zu Perugia begann (1505) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0352" n="295[334]"/> ria del Popolo zu <placeName>Rom</placeName>; hingegen gehen die Verzierungen der<lb/> Sala Borgia den Malereyen der Libreria des ſieneſiſchen Do-<lb/> mes unmittelbar voran. In beiden zeigte ſich <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118792261">Bernardino</persName> als<lb/> ein gewandter Unternehmer verdungener Arbeiten, welcher alle<lb/> Umſtaͤnde, z. 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ria del Popolo zu Rom; hingegen gehen die Verzierungen der
Sala Borgia den Malereyen der Libreria des ſieneſiſchen Do-
mes unmittelbar voran. In beiden zeigte ſich Bernardino als
ein gewandter Unternehmer verdungener Arbeiten, welcher alle
Umſtaͤnde, z. B. die groͤßere Erfindungsgabe des jungen Ra-
phael, fuͤr ſich zu benutzen wußte *). Indeß werden wir,
*) Eine dieſer ausfuͤhrlichen Zeichnungen Raphaels befindet
ſich, obwohl etwas nachgebeſſert, zu Perugia im Hauſe Baldeſchi,
eine zweyte zu Florenz in der Gallerie der Uffizj, disegni, cartella
di Rafaello. Beide ſind unendlich ſchoͤner und geiſtvoller, als die
nach ihnen ins Große ausgefuͤhrten, doch in den landſchaftlichen
Beywerken, Bildniſſen und Anderem abgeaͤnderten Wandgemaͤlde.
— Allein an einer anderen nicht beachteten Stelle, duͤrfte Pintu-
ricchio nicht allein der Erfindungsgabe, auch der Hand und des
Pinſels des jungen Raphael ſich bedient haben; ich bezeichne die
Tafel des Hauptaltares der Kirche ſ. Girolamo zu Perugia, welche
dort, ich entſinne mich nicht, ob nach urkundlichen Gruͤnden fuͤr
eine Arbeit des Pinturicchio gilt.
Auf einem hohen Throne, welcher in leichten Verzierungen
von angenehmer Zeichnung endigt und oben, gleich jenem der Ma-
donna von Peſcia im Palaſt Pitti zu Florenz, durch einen Balda-
chin gedeckt iſt, ſitzt in der Mitte des Bildes die Jungfrau mit
dem Kinde. Neben dem Baldachin ſchweben zwey ausnehmend
ſchoͤne, ins Raphaeliſche gehende Engel. In der Hoͤhe Cherub-
koͤpfe. Unten am Boden ſtehen zu beiden Seiten des Thrones et-
was ruͤckwaͤrts ſ. Franz und Anton von Padua, vor dieſen ſ. Joh.
Baptiſta und Hieronymus. Im Grunde eine Landſchaft von treff-
lichen Linien.
Leider iſt dieſes herrliche Gemaͤlde ſehr verwaſchen, einzelne
Koͤpfe, beſonders ſ. Franz, bis zur Untermalung. Doch erleichtern
dieſe Beſchaͤdigungen den Blick in die Manier der Ausfuͤhrung,
welche an den meiſten Stellen an jene Mittelſtufe erinnert, auf
welcher Raphael unmittelbar vor ſeiner Berufung nach Rom ei-
nige Jahre verweilt zu ſeyn ſcheint. Ich bezeichne hier die Zeit,
als er die Lunette im Kloſter ſ. Severo zu Perugia begann (1505)
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