das Gefolge der Könige in mehrgedachtem Altarbilde, indem sie uns zugleich auf die Zeit hinführen, in welcher Perugino der Beobachtung und Nachbildung natürlicher Erscheinungen sich freudig hingegeben. Hingegen verräth sein besterhaltenes Gemälde dieser Kappelle, die Verleihung der Himmelsschlüssel, daß er schon während dieser Arbeit seinen Standpunct verän- dert habe und, bey lässigerem Naturstudium, zu einer stren- geren Auffassung der Idee seiner Kunstaufgaben, doch leider auch zu einer gewissen Hingebung in zunehmende Fertigkeit übergegangen sey; wenn dieser Vorwurf nicht vielmehr den Bartolommeo della Gatta trifft, einen mir unbekannten Ma- ler, welcher, wenn Vasari nicht irrte, dem Perugino bey Aus- führung dieses Gemäldes Hülfe geleistet hat.
Wie dem auch seyn möge, so lehrt doch ein anderes, mit Namen und Jahr bezeichnetes Gemälde, welches gegenwärtig zu Rom im Palast Albani gezeigt wird, daß Perugino schon um das Jahr 1480. also im Verlaufe jener größeren Arbeit, angefangen habe, allmählich vom Naturalismus der Floren- tiner abzuweichen. Das Hauptfeld dieses Bildes zeigt das Christuskind auf dem Boden liegend, vor welchem die Ma- donna und einige Engel knieen; im Grunde die Erzengel, s. Johannes Bapt. und den Hl. Hieronymus. Auf den vier Pfeilern dieses Stückes vertheilt, die Aufschrift: PETRVS DE PERVSIA -- PINXIT -- M. CCCC. VIII. PRIMO.; lies octuagesimo primo. Oben, nach Art des Niccolo di Fuligno, ein Halbrund mit dem Kreuze, zu dessen Füßen Maria Magdalena, zu den Seiten Maria und s. Johannes der Evangelist. Wahrscheinlich waren andere Nebentheile vor- handen, welche sich verloren haben.
das Gefolge der Koͤnige in mehrgedachtem Altarbilde, indem ſie uns zugleich auf die Zeit hinfuͤhren, in welcher Perugino der Beobachtung und Nachbildung natuͤrlicher Erſcheinungen ſich freudig hingegeben. Hingegen verraͤth ſein beſterhaltenes Gemaͤlde dieſer Kappelle, die Verleihung der Himmelsſchluͤſſel, daß er ſchon waͤhrend dieſer Arbeit ſeinen Standpunct veraͤn- dert habe und, bey laͤſſigerem Naturſtudium, zu einer ſtren- geren Auffaſſung der Idee ſeiner Kunſtaufgaben, doch leider auch zu einer gewiſſen Hingebung in zunehmende Fertigkeit uͤbergegangen ſey; wenn dieſer Vorwurf nicht vielmehr den Bartolommeo della Gatta trifft, einen mir unbekannten Ma- ler, welcher, wenn Vaſari nicht irrte, dem Perugino bey Aus- fuͤhrung dieſes Gemaͤldes Huͤlfe geleiſtet hat.
Wie dem auch ſeyn moͤge, ſo lehrt doch ein anderes, mit Namen und Jahr bezeichnetes Gemaͤlde, welches gegenwaͤrtig zu Rom im Palaſt Albani gezeigt wird, daß Perugino ſchon um das Jahr 1480. alſo im Verlaufe jener groͤßeren Arbeit, angefangen habe, allmaͤhlich vom Naturalismus der Floren- tiner abzuweichen. Das Hauptfeld dieſes Bildes zeigt das Chriſtuskind auf dem Boden liegend, vor welchem die Ma- donna und einige Engel knieen; im Grunde die Erzengel, ſ. Johannes Bapt. und den Hl. Hieronymus. Auf den vier Pfeilern dieſes Stuͤckes vertheilt, die Aufſchrift: PETRVS DE PERVSIA — PINXIT — M. CCCC. VIII. PRIMO.; lies octuagesimo primo. Oben, nach Art des Niccolò di Fuligno, ein Halbrund mit dem Kreuze, zu deſſen Fuͤßen Maria Magdalena, zu den Seiten Maria und ſ. Johannes der Evangeliſt. Wahrſcheinlich waren andere Nebentheile vor- handen, welche ſich verloren haben.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0359"n="341"/>
das Gefolge der Koͤnige in mehrgedachtem Altarbilde, indem<lb/>ſie uns zugleich auf die Zeit hinfuͤhren, in welcher <persNameref="http://d-nb.info/gnd/119091771">Perugino</persName><lb/>
der Beobachtung und Nachbildung natuͤrlicher Erſcheinungen<lb/>ſich freudig hingegeben. Hingegen verraͤth ſein beſterhaltenes<lb/>
Gemaͤlde dieſer Kappelle, die Verleihung der Himmelsſchluͤſſel,<lb/>
daß er ſchon waͤhrend dieſer Arbeit ſeinen Standpunct veraͤn-<lb/>
dert habe und, bey laͤſſigerem Naturſtudium, zu einer ſtren-<lb/>
geren Auffaſſung der Idee ſeiner Kunſtaufgaben, doch leider<lb/>
auch zu einer gewiſſen Hingebung in zunehmende Fertigkeit<lb/>
uͤbergegangen ſey; wenn dieſer Vorwurf nicht vielmehr den<lb/><persNameref="http://d-nb.info/gnd/121864472">Bartolommeo della Gatta</persName> trifft, einen mir unbekannten Ma-<lb/>
ler, welcher, wenn <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Vaſari</persName> nicht irrte, dem <persNameref="http://d-nb.info/gnd/119091771">Perugino</persName> bey Aus-<lb/>
fuͤhrung dieſes Gemaͤldes Huͤlfe geleiſtet hat.</p><lb/><p>Wie dem auch ſeyn moͤge, ſo lehrt doch ein anderes, mit<lb/>
Namen und Jahr bezeichnetes Gemaͤlde, welches gegenwaͤrtig<lb/>
zu <placeName>Rom</placeName> im Palaſt Albani gezeigt wird, daß <persNameref="http://d-nb.info/gnd/119091771">Perugino</persName>ſchon<lb/>
um das Jahr 1480. alſo im Verlaufe jener groͤßeren Arbeit,<lb/>
angefangen habe, allmaͤhlich vom Naturalismus der Floren-<lb/>
tiner abzuweichen. Das Hauptfeld dieſes Bildes zeigt das<lb/>
Chriſtuskind auf dem Boden liegend, vor welchem die Ma-<lb/>
donna und einige Engel knieen; im Grunde die Erzengel, ſ.<lb/><persNameref="http://d-nb.info/gnd/118557858">Johannes Bapt.</persName> und den Hl. <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118550853">Hieronymus</persName>. Auf den vier<lb/>
Pfeilern dieſes Stuͤckes vertheilt, die Aufſchrift: <hirendition="#aq"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/119091771">PETRVS<lb/><hirendition="#sup">DE</hi> PERVSIA</persName>— PINXIT — M. CCCC. VIII. PRIMO.;</hi><lb/>
lies <hirendition="#aq">octuagesimo primo.</hi> Oben, nach Art des <persNameref="http://d-nb.info/gnd/129222976">Niccol<hirendition="#aq">ò</hi> di<lb/>
Fuligno</persName>, ein Halbrund mit dem Kreuze, zu deſſen Fuͤßen<lb/>
Maria Magdalena, zu den Seiten Maria und ſ. <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118557858">Johannes</persName><lb/>
der Evangeliſt. Wahrſcheinlich waren andere Nebentheile vor-<lb/>
handen, welche ſich verloren haben.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[341/0359]
das Gefolge der Koͤnige in mehrgedachtem Altarbilde, indem
ſie uns zugleich auf die Zeit hinfuͤhren, in welcher Perugino
der Beobachtung und Nachbildung natuͤrlicher Erſcheinungen
ſich freudig hingegeben. Hingegen verraͤth ſein beſterhaltenes
Gemaͤlde dieſer Kappelle, die Verleihung der Himmelsſchluͤſſel,
daß er ſchon waͤhrend dieſer Arbeit ſeinen Standpunct veraͤn-
dert habe und, bey laͤſſigerem Naturſtudium, zu einer ſtren-
geren Auffaſſung der Idee ſeiner Kunſtaufgaben, doch leider
auch zu einer gewiſſen Hingebung in zunehmende Fertigkeit
uͤbergegangen ſey; wenn dieſer Vorwurf nicht vielmehr den
Bartolommeo della Gatta trifft, einen mir unbekannten Ma-
ler, welcher, wenn Vaſari nicht irrte, dem Perugino bey Aus-
fuͤhrung dieſes Gemaͤldes Huͤlfe geleiſtet hat.
Wie dem auch ſeyn moͤge, ſo lehrt doch ein anderes, mit
Namen und Jahr bezeichnetes Gemaͤlde, welches gegenwaͤrtig
zu Rom im Palaſt Albani gezeigt wird, daß Perugino ſchon
um das Jahr 1480. alſo im Verlaufe jener groͤßeren Arbeit,
angefangen habe, allmaͤhlich vom Naturalismus der Floren-
tiner abzuweichen. Das Hauptfeld dieſes Bildes zeigt das
Chriſtuskind auf dem Boden liegend, vor welchem die Ma-
donna und einige Engel knieen; im Grunde die Erzengel, ſ.
Johannes Bapt. und den Hl. Hieronymus. Auf den vier
Pfeilern dieſes Stuͤckes vertheilt, die Aufſchrift: PETRVS
DE PERVSIA — PINXIT — M. CCCC. VIII. PRIMO.;
lies octuagesimo primo. Oben, nach Art des Niccolò di
Fuligno, ein Halbrund mit dem Kreuze, zu deſſen Fuͤßen
Maria Magdalena, zu den Seiten Maria und ſ. Johannes
der Evangeliſt. Wahrſcheinlich waren andere Nebentheile vor-
handen, welche ſich verloren haben.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/359>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.