Manier und Eigenthümlichkeit bis zur gänzlichen Abstumpfung seiner Fähigkeiten und eigenen Bestrebungen befangen ward. Vielleicht werden einige unserer Zeitgenossen, uneingedenk ihrer Abneigung, sich selbst, wenn auch unter den billigsten Bedin- gungen irgend einem Meister anzuschließen, jene übergroße Ab- hängigkeit als einen der mächtigsten Hebel der neueren Kunst auspreisen wollen, da es nun einmal beliebt ist, geschichtliche Verhältnisse nach Laune darzustellen und Grundsätze aufzustel- len, denen man keinesweges zu folgen beabsichtet. Indeß dürfte es zu ihrem eigenen Besten ausschlagen, wenn sie künf- tighin, einerseits eine gehörig bedingte Unterordnung unter den Meister sich gefallen ließen, andererseits der begründeten Ge-
rechtlich mit großer Strenge abgeschlossen seyn; es wurden förm- liche Verträge des Meister mit den Vormündern des Lehrlings ab- gefaßt, wie unter andern, Archiv. dell' opera del Duomo di Siena, Pergamene No. 616. eine Vollmacht bezeugt, vermöge welcher der Bildhauer oder Steinmetz Ciolus, einen dritten ermächtigt, in sei- nem Namen und für ihn einen gewissen Terius als Lehrling anzu- nehmen -- ad recipiendum pro eo et ejus nomine Terium ..... Baldini de castro Florentino nunc commorantem Senis In disci- pulum et pro discipulo scripti Cioli, Et ad promictendum ipsi Terio vel alie persone pro eo, quod ipse Ciolus magister tene- bit eundem Terium in suum et pro suo discipulo ad terminum et terminos statuendum et statuendos a dicto Ciolo et quod eum dictam suam artem docebit et ad statuendum et pro- mictendum salarium etc. -- In den Statuten der genuesischen Malerzunft, welche zur Zeit der Streitigkeiten mit dem Maler Paggi wiederum hervorgezogen wurden, befand sich (S. Raccolta di Lettere sulla pittura etc. To. VI. Lett. XLV.) die Verordnung, daß Niemand zu Genua die Malerey ausüben könne, ohne vorher sieben Jahre demselben Meister als Lehrling gedient zu haben. -- Ob wohl unter denen, welche in unseren Tagen dem Mittelalter schwär- merisch anhängen, so fügsame und geduldige Zöglinge aufzufinden wären? --
Manier und Eigenthuͤmlichkeit bis zur gaͤnzlichen Abſtumpfung ſeiner Faͤhigkeiten und eigenen Beſtrebungen befangen ward. Vielleicht werden einige unſerer Zeitgenoſſen, uneingedenk ihrer Abneigung, ſich ſelbſt, wenn auch unter den billigſten Bedin- gungen irgend einem Meiſter anzuſchließen, jene uͤbergroße Ab- haͤngigkeit als einen der maͤchtigſten Hebel der neueren Kunſt auspreiſen wollen, da es nun einmal beliebt iſt, geſchichtliche Verhaͤltniſſe nach Laune darzuſtellen und Grundſaͤtze aufzuſtel- len, denen man keinesweges zu folgen beabſichtet. Indeß duͤrfte es zu ihrem eigenen Beſten ausſchlagen, wenn ſie kuͤnf- tighin, einerſeits eine gehoͤrig bedingte Unterordnung unter den Meiſter ſich gefallen ließen, andererſeits der begruͤndeten Ge-
rechtlich mit großer Strenge abgeſchloſſen ſeyn; es wurden foͤrm- liche Vertraͤge des Meiſter mit den Vormuͤndern des Lehrlings ab- gefaßt, wie unter andern, Archiv. dell’ opera del Duomo di Siena, Pergamene No. 616. eine Vollmacht bezeugt, vermoͤge welcher der Bildhauer oder Steinmetz Ciolus, einen dritten ermaͤchtigt, in ſei- nem Namen und fuͤr ihn einen gewiſſen Terius als Lehrling anzu- nehmen — ad recipiendum pro eo et ejus nomine Terium ..... Baldini de castro Florentino nunc commorantem Senis In disci- pulum et pro discipulo scripti Cioli, Et ad promictendum ipsi Terio vel alie persone pro eo, quod ipse Ciolus magister tene- bit eundem Terium in suum et pro suo discipulo ad terminum et terminos statuendum et statuendos a dicto Ciolo et quod eum dictam suam artem docebit et ad statuendum et pro- mictendum salarium etc. — In den Statuten der genueſiſchen Malerzunft, welche zur Zeit der Streitigkeiten mit dem Maler Paggi wiederum hervorgezogen wurden, befand ſich (S. Raccolta di Lettere sulla pittura etc. To. VI. Lett. XLV.) die Verordnung, daß Niemand zu Genua die Malerey ausuͤben koͤnne, ohne vorher ſieben Jahre demſelben Meiſter als Lehrling gedient zu haben. — Ob wohl unter denen, welche in unſeren Tagen dem Mittelalter ſchwaͤr- meriſch anhaͤngen, ſo fuͤgſame und geduldige Zoͤglinge aufzufinden waͤren? —
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Manier und Eigenthuͤmlichkeit bis zur gaͤnzlichen Abſtumpfung
ſeiner Faͤhigkeiten und eigenen Beſtrebungen befangen ward.
Vielleicht werden einige unſerer Zeitgenoſſen, uneingedenk ihrer
Abneigung, ſich ſelbſt, wenn auch unter den billigſten Bedin-
gungen irgend einem Meiſter anzuſchließen, jene uͤbergroße Ab-
haͤngigkeit als einen der maͤchtigſten Hebel der neueren Kunſt
auspreiſen wollen, da es nun einmal beliebt iſt, geſchichtliche
Verhaͤltniſſe nach Laune darzuſtellen und Grundſaͤtze aufzuſtel-
len, denen man keinesweges zu folgen beabſichtet. Indeß
duͤrfte es zu ihrem eigenen Beſten ausſchlagen, wenn ſie kuͤnf-
tighin, einerſeits eine gehoͤrig bedingte Unterordnung unter den
Meiſter ſich gefallen ließen, andererſeits der begruͤndeten Ge-
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***) rechtlich mit großer Strenge abgeſchloſſen ſeyn; es wurden foͤrm-
liche Vertraͤge des Meiſter mit den Vormuͤndern des Lehrlings ab-
gefaßt, wie unter andern, Archiv. dell’ opera del Duomo di Siena,
Pergamene No. 616. eine Vollmacht bezeugt, vermoͤge welcher der
Bildhauer oder Steinmetz Ciolus, einen dritten ermaͤchtigt, in ſei-
nem Namen und fuͤr ihn einen gewiſſen Terius als Lehrling anzu-
nehmen — ad recipiendum pro eo et ejus nomine Terium .....
Baldini de castro Florentino nunc commorantem Senis In disci-
pulum et pro discipulo scripti Cioli, Et ad promictendum
ipsi Terio vel alie persone pro eo, quod ipse Ciolus magister tene-
bit eundem Terium in suum et pro suo discipulo ad terminum
et terminos statuendum et statuendos a dicto Ciolo et
quod eum dictam suam artem docebit et ad statuendum et pro-
mictendum salarium etc. — In den Statuten der genueſiſchen
Malerzunft, welche zur Zeit der Streitigkeiten mit dem Maler
Paggi wiederum hervorgezogen wurden, befand ſich (S. Raccolta di
Lettere sulla pittura etc. To. VI. Lett. XLV.) die Verordnung, daß
Niemand zu Genua die Malerey ausuͤben koͤnne, ohne vorher ſieben
Jahre demſelben Meiſter als Lehrling gedient zu haben. — Ob
wohl unter denen, welche in unſeren Tagen dem Mittelalter ſchwaͤr-
meriſch anhaͤngen, ſo fuͤgſame und geduldige Zoͤglinge aufzufinden
waͤren? —
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/420>, abgerufen am 17.02.2025.
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