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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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Gallo zu gehen pflegt; und Männer und Weiber gehen mehr
zur Lust, als des Ablasses willen hinauf. An einem dieser
Tage entschloß sich auch Giotto, mit seinen Freunden dorthin
zu gehn; und, als er gerade in der Straße del Cocomero ein
wenig Halt gemacht, um irgend eine Geschichte zu erzählen,
kamen Schweine daher, deren eines den Giotto so heftig an-
lief, daß er zu Boden fiel. Nachdem er nun mit Hülfe sei-
ner Genossen sich aufgerichtet und abgestäubt hatte, hörte man
ihn weder den Schweinen fluchen, noch sich beklagen, vielmehr
sagte er, zu den Freunden gewendet, mit halbem Lachen: nun,
haben Sie denn nicht Recht? Habe ich nicht mit ihren Bor-
sten Tausende gewonnen und ihnen doch noch keinen Teller
Suppe gereicht?

Seine Gefährten lachten und sagten: was hilft's, Giotto
ist Meister in allen Dingen. Du hast noch keine Geschichte
so gut gemalt und dargestellt, als diese hier mit den Schwei-
nen. Und so gingen sie nach san Gallo hinauf und betrach-
teten sich auf dem Rückwege, wie es Gebrauch ist, zu san
Marco und bey den Serviten die Malereyen. Und da sie
dort eine Jungfrau sahen mit dem heiligen Joseph zur Seite,
sprachen sie: sag mir, Giotto, weßhalb malt man denn die-
sen Heiligen jederzeit mit so trübseliger Miene? Darauf ant-
wortete Giotto: hat er nicht Grund? u. s. f. -- Alle wende-
ten sich einer zum anderen und versicherten, daß Giotto nicht
allein ein großer Maler, sondern auch ein Meister in den
freyen Künsten sey.

Diese Anecdoten, deren letzte ungleich mehr Frivolität,
als Verstand, unter allen Umständen viel Nüchternheit des
Geistes darlegt, haben zu viel Individualität und allgemeine
Uebereinstimmung, um ganz erdichtet zu seyn; gewiß lehren

Gallo zu gehen pflegt; und Maͤnner und Weiber gehen mehr
zur Luſt, als des Ablaſſes willen hinauf. An einem dieſer
Tage entſchloß ſich auch Giotto, mit ſeinen Freunden dorthin
zu gehn; und, als er gerade in der Straße del Cocomero ein
wenig Halt gemacht, um irgend eine Geſchichte zu erzaͤhlen,
kamen Schweine daher, deren eines den Giotto ſo heftig an-
lief, daß er zu Boden fiel. Nachdem er nun mit Huͤlfe ſei-
ner Genoſſen ſich aufgerichtet und abgeſtaͤubt hatte, hoͤrte man
ihn weder den Schweinen fluchen, noch ſich beklagen, vielmehr
ſagte er, zu den Freunden gewendet, mit halbem Lachen: nun,
haben Sie denn nicht Recht? Habe ich nicht mit ihren Bor-
ſten Tauſende gewonnen und ihnen doch noch keinen Teller
Suppe gereicht?

Seine Gefaͤhrten lachten und ſagten: was hilft’s, Giotto
iſt Meiſter in allen Dingen. Du haſt noch keine Geſchichte
ſo gut gemalt und dargeſtellt, als dieſe hier mit den Schwei-
nen. Und ſo gingen ſie nach ſan Gallo hinauf und betrach-
teten ſich auf dem Ruͤckwege, wie es Gebrauch iſt, zu ſan
Marco und bey den Serviten die Malereyen. Und da ſie
dort eine Jungfrau ſahen mit dem heiligen Joſeph zur Seite,
ſprachen ſie: ſag mir, Giotto, weßhalb malt man denn die-
ſen Heiligen jederzeit mit ſo truͤbſeliger Miene? Darauf ant-
wortete Giotto: hat er nicht Grund? u. ſ. f. — Alle wende-
ten ſich einer zum anderen und verſicherten, daß Giotto nicht
allein ein großer Maler, ſondern auch ein Meiſter in den
freyen Kuͤnſten ſey.

Dieſe Anecdoten, deren letzte ungleich mehr Frivolitaͤt,
als Verſtand, unter allen Umſtaͤnden viel Nuͤchternheit des
Geiſtes darlegt, haben zu viel Individualitaͤt und allgemeine
Uebereinſtimmung, um ganz erdichtet zu ſeyn; gewiß lehren

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[50/0068] Gallo zu gehen pflegt; und Maͤnner und Weiber gehen mehr zur Luſt, als des Ablaſſes willen hinauf. An einem dieſer Tage entſchloß ſich auch Giotto, mit ſeinen Freunden dorthin zu gehn; und, als er gerade in der Straße del Cocomero ein wenig Halt gemacht, um irgend eine Geſchichte zu erzaͤhlen, kamen Schweine daher, deren eines den Giotto ſo heftig an- lief, daß er zu Boden fiel. Nachdem er nun mit Huͤlfe ſei- ner Genoſſen ſich aufgerichtet und abgeſtaͤubt hatte, hoͤrte man ihn weder den Schweinen fluchen, noch ſich beklagen, vielmehr ſagte er, zu den Freunden gewendet, mit halbem Lachen: nun, haben Sie denn nicht Recht? Habe ich nicht mit ihren Bor- ſten Tauſende gewonnen und ihnen doch noch keinen Teller Suppe gereicht? Seine Gefaͤhrten lachten und ſagten: was hilft’s, Giotto iſt Meiſter in allen Dingen. Du haſt noch keine Geſchichte ſo gut gemalt und dargeſtellt, als dieſe hier mit den Schwei- nen. Und ſo gingen ſie nach ſan Gallo hinauf und betrach- teten ſich auf dem Ruͤckwege, wie es Gebrauch iſt, zu ſan Marco und bey den Serviten die Malereyen. Und da ſie dort eine Jungfrau ſahen mit dem heiligen Joſeph zur Seite, ſprachen ſie: ſag mir, Giotto, weßhalb malt man denn die- ſen Heiligen jederzeit mit ſo truͤbſeliger Miene? Darauf ant- wortete Giotto: hat er nicht Grund? u. ſ. f. — Alle wende- ten ſich einer zum anderen und verſicherten, daß Giotto nicht allein ein großer Maler, ſondern auch ein Meiſter in den freyen Kuͤnſten ſey. Dieſe Anecdoten, deren letzte ungleich mehr Frivolitaͤt, als Verſtand, unter allen Umſtaͤnden viel Nuͤchternheit des Geiſtes darlegt, haben zu viel Individualitaͤt und allgemeine Uebereinſtimmung, um ganz erdichtet zu ſeyn; gewiß lehren

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/68>, abgerufen am 23.11.2024.