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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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Italiens und Roms abmahnt, unstreitig eines der unerreich-
barsten Meisterstücke der Malerey a fresco. Zur Rechten
das erobernde Reitervolk, Roß und Mann voll ungebändigter
Wildheit, unruhig, flackernd bis auf die Haarfarbe seiner
Pferde; zur Linken bildet der Pabst, auf weißem Zelter, von
seinem Hofe umgeben, durch weichliche Ruhe zum Hunnen-
fürsten den stärksten Gegensatz, aber auch zu seinem rüstigen
Vorgänger in der nahen Gruppe des anstoßenden Bildes.

Julius II. gehört der Entschluß, einem frischen, jugend-
lichen Talente, dessen Fruchtbarkeit, dessen innere Harmonie er
ahndete, voraussah, die Verzierung dieser Reihe von Zimmern
anzuvertrauen. Der Reichthum an Vorstellungen, die Gründ-
lichkeit ihrer malerischen Ausbildung, bezeugt, daß Julius
durch angemessene Belohnung, durch lebhafte Theilnahme am
Gelingen des Werkes, durch Ungeduld und Langmuth, den
Künstler dahin zu lenken wußte, daß er sein Höchstes leiste.
Also sind die beiden Halbrunde, welche Raphael bald nach
dem Tode seines wahres Gönners unter Leo X. gemalt hat,
eine nothwendige Nachwirkung des Anstoßes, welchen der
Künstler unter der vorangehenden Regierung erhalten hatte.
Ueberhaupt wird Leo von den Schriftstellern, welche ihm Dank
schuldig sind, als Beförderer der bildenden Künste viel höher
gestellt, als er es verdient.

Den großartigen Ansichten, dem standhaften, kräftigen
Willen Julius II. verdanken die bewundertsten Werke der
neueren Kunst, die vaticanischen Stanzen, die sixtinische Kap-
pelle, ihre Entstehung. Dieser Herr führte die Kunst, welche
er nur halbentwickelt vorgefunden, im Verlaufe seiner nicht
langen Regierung auf jene unerreichbare Höhe, zu welcher die
Nachwelt bisher nur schüchtern ihre Blicke zu erheben ge-

Italiens und Roms abmahnt, unſtreitig eines der unerreich-
barſten Meiſterſtuͤcke der Malerey a fresco. Zur Rechten
das erobernde Reitervolk, Roß und Mann voll ungebaͤndigter
Wildheit, unruhig, flackernd bis auf die Haarfarbe ſeiner
Pferde; zur Linken bildet der Pabſt, auf weißem Zelter, von
ſeinem Hofe umgeben, durch weichliche Ruhe zum Hunnen-
fuͤrſten den ſtaͤrkſten Gegenſatz, aber auch zu ſeinem ruͤſtigen
Vorgaͤnger in der nahen Gruppe des anſtoßenden Bildes.

Julius II. gehoͤrt der Entſchluß, einem friſchen, jugend-
lichen Talente, deſſen Fruchtbarkeit, deſſen innere Harmonie er
ahndete, vorausſah, die Verzierung dieſer Reihe von Zimmern
anzuvertrauen. Der Reichthum an Vorſtellungen, die Gruͤnd-
lichkeit ihrer maleriſchen Ausbildung, bezeugt, daß Julius
durch angemeſſene Belohnung, durch lebhafte Theilnahme am
Gelingen des Werkes, durch Ungeduld und Langmuth, den
Kuͤnſtler dahin zu lenken wußte, daß er ſein Hoͤchſtes leiſte.
Alſo ſind die beiden Halbrunde, welche Raphael bald nach
dem Tode ſeines wahres Goͤnners unter Leo X. gemalt hat,
eine nothwendige Nachwirkung des Anſtoßes, welchen der
Kuͤnſtler unter der vorangehenden Regierung erhalten hatte.
Ueberhaupt wird Leo von den Schriftſtellern, welche ihm Dank
ſchuldig ſind, als Befoͤrderer der bildenden Kuͤnſte viel hoͤher
geſtellt, als er es verdient.

Den großartigen Anſichten, dem ſtandhaften, kraͤftigen
Willen Julius II. verdanken die bewundertſten Werke der
neueren Kunſt, die vaticaniſchen Stanzen, die ſixtiniſche Kap-
pelle, ihre Entſtehung. Dieſer Herr fuͤhrte die Kunſt, welche
er nur halbentwickelt vorgefunden, im Verlaufe ſeiner nicht
langen Regierung auf jene unerreichbare Hoͤhe, zu welcher die
Nachwelt bisher nur ſchuͤchtern ihre Blicke zu erheben ge-

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[122/0144] Italiens und Roms abmahnt, unſtreitig eines der unerreich- barſten Meiſterſtuͤcke der Malerey a fresco. Zur Rechten das erobernde Reitervolk, Roß und Mann voll ungebaͤndigter Wildheit, unruhig, flackernd bis auf die Haarfarbe ſeiner Pferde; zur Linken bildet der Pabſt, auf weißem Zelter, von ſeinem Hofe umgeben, durch weichliche Ruhe zum Hunnen- fuͤrſten den ſtaͤrkſten Gegenſatz, aber auch zu ſeinem ruͤſtigen Vorgaͤnger in der nahen Gruppe des anſtoßenden Bildes. Julius II. gehoͤrt der Entſchluß, einem friſchen, jugend- lichen Talente, deſſen Fruchtbarkeit, deſſen innere Harmonie er ahndete, vorausſah, die Verzierung dieſer Reihe von Zimmern anzuvertrauen. Der Reichthum an Vorſtellungen, die Gruͤnd- lichkeit ihrer maleriſchen Ausbildung, bezeugt, daß Julius durch angemeſſene Belohnung, durch lebhafte Theilnahme am Gelingen des Werkes, durch Ungeduld und Langmuth, den Kuͤnſtler dahin zu lenken wußte, daß er ſein Hoͤchſtes leiſte. Alſo ſind die beiden Halbrunde, welche Raphael bald nach dem Tode ſeines wahres Goͤnners unter Leo X. gemalt hat, eine nothwendige Nachwirkung des Anſtoßes, welchen der Kuͤnſtler unter der vorangehenden Regierung erhalten hatte. Ueberhaupt wird Leo von den Schriftſtellern, welche ihm Dank ſchuldig ſind, als Befoͤrderer der bildenden Kuͤnſte viel hoͤher geſtellt, als er es verdient. Den großartigen Anſichten, dem ſtandhaften, kraͤftigen Willen Julius II. verdanken die bewundertſten Werke der neueren Kunſt, die vaticaniſchen Stanzen, die ſixtiniſche Kap- pelle, ihre Entſtehung. Dieſer Herr fuͤhrte die Kunſt, welche er nur halbentwickelt vorgefunden, im Verlaufe ſeiner nicht langen Regierung auf jene unerreichbare Hoͤhe, zu welcher die Nachwelt bisher nur ſchuͤchtern ihre Blicke zu erheben ge-

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/144>, abgerufen am 23.11.2024.