Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.wird. Kunstwerke tragen nothwendig das Gepräge des Gei- Doch, indem ich die Fähigkeit, gegebenen oder selbstge- Das erste, was hier auffällt, ist jenes an Nachahmung wird. Kunſtwerke tragen nothwendig das Gepraͤge des Gei- Doch, indem ich die Faͤhigkeit, gegebenen oder ſelbſtge- Das erſte, was hier auffaͤllt, iſt jenes an Nachahmung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0037" n="15"/> wird. Kunſtwerke tragen nothwendig das Gepraͤge des Gei-<lb/> ſtes, welcher ſie hervorgebracht; gewiß hat auch <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael</persName> die<lb/> Milde ſeiner Geſinnung, die Ruhe und Beſonnenheit ſeines<lb/> Geiſtes nie verlaͤugnen koͤnnen. Allein eben in dieſen Haupt-<lb/> zuͤgen ſeiner Eigenthuͤmlichkeit iſt jene Objectivitaͤt gegruͤndet,<lb/> welche ungeachtet ſo vieler Unaͤhnlichkeit in der aͤußeren Er-<lb/> ſcheinung doch <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphaels</persName> Werke denen der Alten vergleichbar<lb/> macht, ihnen, ſollten ſie denn auch der uͤberraſchenden Virtuo-<lb/> ſitaͤt anderer Meiſter entbehren, doch ſo viel beſchaͤftigende<lb/> Mannichfaltigkeit, ſo viel tiefen Gehalt verleiht.</p><lb/> <p>Doch, indem ich die Faͤhigkeit, gegebenen oder ſelbſtge-<lb/> waͤhlten Gegenſtaͤnden der kuͤnſtleriſchen Darſtellung ganz ſich<lb/> hinzugeben, ſie zu durchdringen, in ihnen neu aufzuleben, als<lb/> den meiſt unterſcheidenden Charakterzug <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphaels</persName> auffaſſe,<lb/> darf ich nicht unerwaͤhnt laſſen, was Anſpruch zu haben<lb/> ſcheint, davon ausgenommen zu werden.</p><lb/> <p>Das erſte, was hier auffaͤllt, iſt jenes an Nachahmung<lb/> grenzende ſich Anſchmiegen an die Vorbilder, welche im Laufe<lb/> ſeines Jugendlebens ihm ſich dargeboten haben, beſonders an<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/119091771">Pietro Perugino</persName>, welcher, ſeit <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Vaſari</persName>, fuͤr <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphaels</persName> Lehrmei-<lb/> ſter gilt. Dieſe Erſcheinung indeß kann nur auf den erſten<lb/> Blick befremden, da es bey naͤherer Unterſuchung ſich zeigt,<lb/> daß dem Lehrling, Schuͤler und Gehuͤlfen im alten Sinne<lb/> des Wortes die Kunſt und Art des Meiſters fuͤr einige Zeit<lb/> der Gegenſtand war, den er vor anderen ins Auge faßte,<lb/> wetteifernd zu erreichen, man koͤnnte ſagen, darzuſtellen ſtrebte.<lb/> Daß <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael</persName> hierin es weiter gebracht als, ſelbſt den <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119053357">Spagna</persName><lb/> nicht ausgenommen, alle uͤbrige Schuͤler und Geſellen des<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/119091771">Perugino</persName>, begruͤndet demnach keinen Einwurf. Zudem zeigt<lb/> ſich gerade in ſeinen fruͤheſten Arbeiten viel unabhaͤngiges Ur-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [15/0037]
wird. Kunſtwerke tragen nothwendig das Gepraͤge des Gei-
ſtes, welcher ſie hervorgebracht; gewiß hat auch Raphael die
Milde ſeiner Geſinnung, die Ruhe und Beſonnenheit ſeines
Geiſtes nie verlaͤugnen koͤnnen. Allein eben in dieſen Haupt-
zuͤgen ſeiner Eigenthuͤmlichkeit iſt jene Objectivitaͤt gegruͤndet,
welche ungeachtet ſo vieler Unaͤhnlichkeit in der aͤußeren Er-
ſcheinung doch Raphaels Werke denen der Alten vergleichbar
macht, ihnen, ſollten ſie denn auch der uͤberraſchenden Virtuo-
ſitaͤt anderer Meiſter entbehren, doch ſo viel beſchaͤftigende
Mannichfaltigkeit, ſo viel tiefen Gehalt verleiht.
Doch, indem ich die Faͤhigkeit, gegebenen oder ſelbſtge-
waͤhlten Gegenſtaͤnden der kuͤnſtleriſchen Darſtellung ganz ſich
hinzugeben, ſie zu durchdringen, in ihnen neu aufzuleben, als
den meiſt unterſcheidenden Charakterzug Raphaels auffaſſe,
darf ich nicht unerwaͤhnt laſſen, was Anſpruch zu haben
ſcheint, davon ausgenommen zu werden.
Das erſte, was hier auffaͤllt, iſt jenes an Nachahmung
grenzende ſich Anſchmiegen an die Vorbilder, welche im Laufe
ſeines Jugendlebens ihm ſich dargeboten haben, beſonders an
Pietro Perugino, welcher, ſeit Vaſari, fuͤr Raphaels Lehrmei-
ſter gilt. Dieſe Erſcheinung indeß kann nur auf den erſten
Blick befremden, da es bey naͤherer Unterſuchung ſich zeigt,
daß dem Lehrling, Schuͤler und Gehuͤlfen im alten Sinne
des Wortes die Kunſt und Art des Meiſters fuͤr einige Zeit
der Gegenſtand war, den er vor anderen ins Auge faßte,
wetteifernd zu erreichen, man koͤnnte ſagen, darzuſtellen ſtrebte.
Daß Raphael hierin es weiter gebracht als, ſelbſt den Spagna
nicht ausgenommen, alle uͤbrige Schuͤler und Geſellen des
Perugino, begruͤndet demnach keinen Einwurf. Zudem zeigt
ſich gerade in ſeinen fruͤheſten Arbeiten viel unabhaͤngiges Ur-
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