Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.jectivität erscheinen müssen, welche ihn von seinen Zeitgenossen, Es ist demnach der vulgären Kunstgeschichte nicht einzu- III. 2
jectivitaͤt erſcheinen muͤſſen, welche ihn von ſeinen Zeitgenoſſen, Es iſt demnach der vulgaͤren Kunſtgeſchichte nicht einzu- III. 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0039" n="17"/> jectivitaͤt erſcheinen muͤſſen, welche ihn von ſeinen Zeitgenoſſen,<lb/> ich denke, guͤnſtig unterſcheidet. Eine andere Eigenſchaft ſei-<lb/> ner Arbeiten iſt die Sauberkeit in deren Raͤndern, einfaͤrbigen<lb/> Grundflaͤchen und aͤhnlichen Nebendingen; doch auch dieſe<lb/> kann nicht wohl fuͤr Manier gelten, da ſie aus Ordnungs-<lb/> liebe, Gewiſſenhaftigkeit und billiger Beruͤckſichtigung der An-<lb/> ſpruͤche des Abnehmers entſpringt. Endlich ſcheint ſelbſt jene<lb/> Eigenthuͤmlichkeit ſeiner Pallette, der weißliche Grundton in<lb/> den Lichtern ſeiner Carnation, der Vorbereitung ſeiner Ge-<lb/> maͤlde anzugehoͤren; denn in ſolchen, deren Oberflaͤche nicht<lb/> angegriffen iſt, verdecken ihn waͤrmere Tinten, denen er, als<lb/> Unterlage ein erfreuliches Licht verleiht. Die Veranlaſſung<lb/> fuͤhrt hier die Bemerkung herbey, daß unter allen Malern der<lb/> einzige <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael</persName> ſich bemuͤht hat, jenen lichten Glanz zu be-<lb/> nutzen und auszudruͤcken, welcher im menſchlichen Antlitz aus<lb/> dem Hervortreten der Knochenbildung, in der Stirne, laͤngs<lb/> der Naſe, unter den Augen, auch wohl am Kinn, zu entſte-<lb/> hen pflegt. Die großen Coloriſten der lombardiſchen Schulen<lb/> moͤgen dem taͤglichen Vorbilde mehr fleiſchiger Bildungen nach-<lb/> gegeben, auch ſonſt das Beduͤrfniß ſtrenger Formen weniger<lb/> gefuͤhlt haben; denn gewiß zeigen jene Theile in den Koͤpfen<lb/> des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118622994">Tizian</persName> dieſelbe Weichheit, denſelben Ton, als die anſto-<lb/> ßenden Muskelbildungen, in denen des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11867692X">Coreggio</persName> aber etwas<lb/> von der unverhaͤrteten Beſchaffenheit der Kinderkoͤpfe. Dieſes<lb/> jedoch der Ehrfurcht vor unvergleichbaren Vorzuͤgen ganz un-<lb/> beſchadet.</p><lb/> <p>Es iſt demnach der vulgaͤren Kunſtgeſchichte nicht einzu-<lb/> raͤumen, daß <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael</persName> jemals von Manieren ſich habe beherr-<lb/> ſchen laſſen. Suchen wir nun zu verhindern, daß man, den<lb/> Namen, nicht das Vorurtheil aͤndernd, zum Style ſeine Zu-<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">III.</hi> 2</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [17/0039]
jectivitaͤt erſcheinen muͤſſen, welche ihn von ſeinen Zeitgenoſſen,
ich denke, guͤnſtig unterſcheidet. Eine andere Eigenſchaft ſei-
ner Arbeiten iſt die Sauberkeit in deren Raͤndern, einfaͤrbigen
Grundflaͤchen und aͤhnlichen Nebendingen; doch auch dieſe
kann nicht wohl fuͤr Manier gelten, da ſie aus Ordnungs-
liebe, Gewiſſenhaftigkeit und billiger Beruͤckſichtigung der An-
ſpruͤche des Abnehmers entſpringt. Endlich ſcheint ſelbſt jene
Eigenthuͤmlichkeit ſeiner Pallette, der weißliche Grundton in
den Lichtern ſeiner Carnation, der Vorbereitung ſeiner Ge-
maͤlde anzugehoͤren; denn in ſolchen, deren Oberflaͤche nicht
angegriffen iſt, verdecken ihn waͤrmere Tinten, denen er, als
Unterlage ein erfreuliches Licht verleiht. Die Veranlaſſung
fuͤhrt hier die Bemerkung herbey, daß unter allen Malern der
einzige Raphael ſich bemuͤht hat, jenen lichten Glanz zu be-
nutzen und auszudruͤcken, welcher im menſchlichen Antlitz aus
dem Hervortreten der Knochenbildung, in der Stirne, laͤngs
der Naſe, unter den Augen, auch wohl am Kinn, zu entſte-
hen pflegt. Die großen Coloriſten der lombardiſchen Schulen
moͤgen dem taͤglichen Vorbilde mehr fleiſchiger Bildungen nach-
gegeben, auch ſonſt das Beduͤrfniß ſtrenger Formen weniger
gefuͤhlt haben; denn gewiß zeigen jene Theile in den Koͤpfen
des Tizian dieſelbe Weichheit, denſelben Ton, als die anſto-
ßenden Muskelbildungen, in denen des Coreggio aber etwas
von der unverhaͤrteten Beſchaffenheit der Kinderkoͤpfe. Dieſes
jedoch der Ehrfurcht vor unvergleichbaren Vorzuͤgen ganz un-
beſchadet.
Es iſt demnach der vulgaͤren Kunſtgeſchichte nicht einzu-
raͤumen, daß Raphael jemals von Manieren ſich habe beherr-
ſchen laſſen. Suchen wir nun zu verhindern, daß man, den
Namen, nicht das Vorurtheil aͤndernd, zum Style ſeine Zu-
III. 2
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