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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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Figuren, daß man den Hintergrund, beide ohne raphaelisches
Liniengefühl, in die Composition eingeschoben, eingedrängt habe,
ist nicht schwer aufzufassen.

Raphael scheint demnach diese größte Unternehmung des
Pinturicchio nur abwesend unterstützt zu haben. Vasari hin-
gegen erzählt: "Pinturicchio habe den Raphael, als einen
trefflichen Zeichner (verstehe, Erfinder), nach Siena berufen,
wo derselbe ihm einige Zeichnungen (Entwürfe) machte. Daß
er jedoch damit nicht fortgefahren, sey daher entstanden, daß
Raphael, als er von einigen zu Siena anwesenden Malern
die Cartons von Michelangelo und Lionardo, für den großen
Saal des alten Palastes, habe rühmen hören, jene Arbeit be-
seitigend nach Florenz gezogen sey." Ob Vasari, welcher der
poetischen Neigung, Uebergänge zu machen, Entschließungen
zu motiviren, überhaupt nachzugeben gewohnt ist, hier eben-
falls nur sich ausgedacht habe, was den Umständen angemes-
sen schien, oder im Gegentheil achtbaren Quellen und Tradi-
tionen gefolgt sey, ist nicht so leicht auszumachen. Nach Flo-
renz
konnte Raphael eben sowohl über Siena, als auf einem
anderen Wege gereiset seyn, den Freund im Vorbeyziehn be-
sucht, obwohl, nach den Gründen, welche ich angegeben, nicht
leicht an der Arbeit anwesend Theil genommen haben. Doch
fragt es sich, ob die Zeit, in welcher das Werk noch in Ar-
beit war, mit Raphaels erster florentinischer Reise zusammen-
falle; worüber Vasari weder Auskunft ertheilt, noch selbst er-
theilen konnte, weil er, der überhaupt die sicheren Zeitbestim-
mungen nicht hinreichend würdigte, auch in dieser Beziehung
versäumt hat, sich eine Gewißheit zu erwerben, welche damals
ganz leicht mußte zu erlangen seyn.

Aus den Aufschriften zweyer Gemälde, glaube ich, deren

Figuren, daß man den Hintergrund, beide ohne raphaeliſches
Liniengefuͤhl, in die Compoſition eingeſchoben, eingedraͤngt habe,
iſt nicht ſchwer aufzufaſſen.

Raphael ſcheint demnach dieſe groͤßte Unternehmung des
Pinturicchio nur abweſend unterſtuͤtzt zu haben. Vaſari hin-
gegen erzaͤhlt: „Pinturicchio habe den Raphael, als einen
trefflichen Zeichner (verſtehe, Erfinder), nach Siena berufen,
wo derſelbe ihm einige Zeichnungen (Entwuͤrfe) machte. Daß
er jedoch damit nicht fortgefahren, ſey daher entſtanden, daß
Raphael, als er von einigen zu Siena anweſenden Malern
die Cartons von Michelangelo und Lionardo, fuͤr den großen
Saal des alten Palaſtes, habe ruͤhmen hoͤren, jene Arbeit be-
ſeitigend nach Florenz gezogen ſey.“ Ob Vaſari, welcher der
poetiſchen Neigung, Uebergaͤnge zu machen, Entſchließungen
zu motiviren, uͤberhaupt nachzugeben gewohnt iſt, hier eben-
falls nur ſich ausgedacht habe, was den Umſtaͤnden angemeſ-
ſen ſchien, oder im Gegentheil achtbaren Quellen und Tradi-
tionen gefolgt ſey, iſt nicht ſo leicht auszumachen. Nach Flo-
renz
konnte Raphael eben ſowohl uͤber Siena, als auf einem
anderen Wege gereiſet ſeyn, den Freund im Vorbeyziehn be-
ſucht, obwohl, nach den Gruͤnden, welche ich angegeben, nicht
leicht an der Arbeit anweſend Theil genommen haben. Doch
fragt es ſich, ob die Zeit, in welcher das Werk noch in Ar-
beit war, mit Raphaels erſter florentiniſcher Reiſe zuſammen-
falle; woruͤber Vaſari weder Auskunft ertheilt, noch ſelbſt er-
theilen konnte, weil er, der uͤberhaupt die ſicheren Zeitbeſtim-
mungen nicht hinreichend wuͤrdigte, auch in dieſer Beziehung
verſaͤumt hat, ſich eine Gewißheit zu erwerben, welche damals
ganz leicht mußte zu erlangen ſeyn.

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[47/0069] Figuren, daß man den Hintergrund, beide ohne raphaeliſches Liniengefuͤhl, in die Compoſition eingeſchoben, eingedraͤngt habe, iſt nicht ſchwer aufzufaſſen. Raphael ſcheint demnach dieſe groͤßte Unternehmung des Pinturicchio nur abweſend unterſtuͤtzt zu haben. Vaſari hin- gegen erzaͤhlt: „Pinturicchio habe den Raphael, als einen trefflichen Zeichner (verſtehe, Erfinder), nach Siena berufen, wo derſelbe ihm einige Zeichnungen (Entwuͤrfe) machte. Daß er jedoch damit nicht fortgefahren, ſey daher entſtanden, daß Raphael, als er von einigen zu Siena anweſenden Malern die Cartons von Michelangelo und Lionardo, fuͤr den großen Saal des alten Palaſtes, habe ruͤhmen hoͤren, jene Arbeit be- ſeitigend nach Florenz gezogen ſey.“ Ob Vaſari, welcher der poetiſchen Neigung, Uebergaͤnge zu machen, Entſchließungen zu motiviren, uͤberhaupt nachzugeben gewohnt iſt, hier eben- falls nur ſich ausgedacht habe, was den Umſtaͤnden angemeſ- ſen ſchien, oder im Gegentheil achtbaren Quellen und Tradi- tionen gefolgt ſey, iſt nicht ſo leicht auszumachen. Nach Flo- renz konnte Raphael eben ſowohl uͤber Siena, als auf einem anderen Wege gereiſet ſeyn, den Freund im Vorbeyziehn be- ſucht, obwohl, nach den Gruͤnden, welche ich angegeben, nicht leicht an der Arbeit anweſend Theil genommen haben. Doch fragt es ſich, ob die Zeit, in welcher das Werk noch in Ar- beit war, mit Raphaels erſter florentiniſcher Reiſe zuſammen- falle; woruͤber Vaſari weder Auskunft ertheilt, noch ſelbſt er- theilen konnte, weil er, der uͤberhaupt die ſicheren Zeitbeſtim- mungen nicht hinreichend wuͤrdigte, auch in dieſer Beziehung verſaͤumt hat, ſich eine Gewißheit zu erwerben, welche damals ganz leicht mußte zu erlangen ſeyn. Aus den Aufſchriften zweyer Gemaͤlde, glaube ich, deren

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/69>, abgerufen am 23.11.2024.