der Uffizj, für einen anderen seiner florentinischen Gönner, den Lorenzo Nasi gemalt. Doch bleibt es zweifelhaft, ob er hier von einem Urtheil über beide Bilder bestimmt wurde, oder nur, nach seiner Weise, von dem einen Gönner, dem Taddei, zu dem anderen, dem Nasi überging, ohne zu berücksichtigen, was daraus in Bezug auf die Zeitordnung beider Bilder ge- folgert werden könne. Bey näherer Vergleichung beider Ge- mälde wird es sich leicht darbieten, daß das Münchner die sichere Formengebung, den malerischen Schmelz des Florenti- nischen nicht erreicht. Allerdings haben beide gelitten; doch erinnere ich mich der Madonna del Cardellino wie sie vor späteren Wiederherstellungen beschaffen war, wie andererseits in der heiligen Familie zu München die malerische Behand- lung nur um so besser sich beurtheilen läßt, als an vielen Stellen die Unterlage aufgedeckt, die Beendigung verwa- schen ist.
Man hat auch diesem Bilde die Originalität streitig ma- chen, ihm alte Copieen entgegensetzen wollen. Indeß, von sei- nen Vorzügen abgesehn, wird es auch durch die Spuren ei- ner alten Zertrümmerung, deren Umstände bey Vasari, unge- wöhnlich beglaubigt. Den Gegenstand und dessen untergeord- nete Motive beschreibt derselbe Schriftsteller so treffend, als anmuthsvoll; auch ist der Kupferstich des Morghen überall bekannt.
Wenn die planlose, übereilte Aufhebung so vieler Kirchen und Klöster der Kunst, wie deren Alterthümern, da man häu- fig ganz kenntnißlose Personen dabey anstellen müssen, im All- gemeinen den unsäglichsten Schaden gebracht hat, so ward doch andererseits auch manches vergessene Stück durch die Versetzung von einsamen Stellen in die Mittelpunkte moder-
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der Uffizj, fuͤr einen anderen ſeiner florentiniſchen Goͤnner, den Lorenzo Naſi gemalt. Doch bleibt es zweifelhaft, ob er hier von einem Urtheil uͤber beide Bilder beſtimmt wurde, oder nur, nach ſeiner Weiſe, von dem einen Goͤnner, dem Taddei, zu dem anderen, dem Naſi uͤberging, ohne zu beruͤckſichtigen, was daraus in Bezug auf die Zeitordnung beider Bilder ge- folgert werden koͤnne. Bey naͤherer Vergleichung beider Ge- maͤlde wird es ſich leicht darbieten, daß das Muͤnchner die ſichere Formengebung, den maleriſchen Schmelz des Florenti- niſchen nicht erreicht. Allerdings haben beide gelitten; doch erinnere ich mich der Madonna del Cardellino wie ſie vor ſpaͤteren Wiederherſtellungen beſchaffen war, wie andererſeits in der heiligen Familie zu Muͤnchen die maleriſche Behand- lung nur um ſo beſſer ſich beurtheilen laͤßt, als an vielen Stellen die Unterlage aufgedeckt, die Beendigung verwa- ſchen iſt.
Man hat auch dieſem Bilde die Originalitaͤt ſtreitig ma- chen, ihm alte Copieen entgegenſetzen wollen. Indeß, von ſei- nen Vorzuͤgen abgeſehn, wird es auch durch die Spuren ei- ner alten Zertruͤmmerung, deren Umſtaͤnde bey Vaſari, unge- woͤhnlich beglaubigt. Den Gegenſtand und deſſen untergeord- nete Motive beſchreibt derſelbe Schriftſteller ſo treffend, als anmuthsvoll; auch iſt der Kupferſtich des Morghen uͤberall bekannt.
Wenn die planloſe, uͤbereilte Aufhebung ſo vieler Kirchen und Kloͤſter der Kunſt, wie deren Alterthuͤmern, da man haͤu- fig ganz kenntnißloſe Perſonen dabey anſtellen muͤſſen, im All- gemeinen den unſaͤglichſten Schaden gebracht hat, ſo ward doch andererſeits auch manches vergeſſene Stuͤck durch die Verſetzung von einſamen Stellen in die Mittelpunkte moder-
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der Uffizj, fuͤr einen anderen ſeiner florentiniſchen Goͤnner, den
Lorenzo Naſi gemalt. Doch bleibt es zweifelhaft, ob er hier
von einem Urtheil uͤber beide Bilder beſtimmt wurde, oder
nur, nach ſeiner Weiſe, von dem einen Goͤnner, dem Taddei,
zu dem anderen, dem Naſi uͤberging, ohne zu beruͤckſichtigen,
was daraus in Bezug auf die Zeitordnung beider Bilder ge-
folgert werden koͤnne. Bey naͤherer Vergleichung beider Ge-
maͤlde wird es ſich leicht darbieten, daß das Muͤnchner die
ſichere Formengebung, den maleriſchen Schmelz des Florenti-
niſchen nicht erreicht. Allerdings haben beide gelitten; doch
erinnere ich mich der Madonna del Cardellino wie ſie vor
ſpaͤteren Wiederherſtellungen beſchaffen war, wie andererſeits
in der heiligen Familie zu Muͤnchen die maleriſche Behand-
lung nur um ſo beſſer ſich beurtheilen laͤßt, als an vielen
Stellen die Unterlage aufgedeckt, die Beendigung verwa-
ſchen iſt.
Man hat auch dieſem Bilde die Originalitaͤt ſtreitig ma-
chen, ihm alte Copieen entgegenſetzen wollen. Indeß, von ſei-
nen Vorzuͤgen abgeſehn, wird es auch durch die Spuren ei-
ner alten Zertruͤmmerung, deren Umſtaͤnde bey Vaſari, unge-
woͤhnlich beglaubigt. Den Gegenſtand und deſſen untergeord-
nete Motive beſchreibt derſelbe Schriftſteller ſo treffend, als
anmuthsvoll; auch iſt der Kupferſtich des Morghen uͤberall
bekannt.
Wenn die planloſe, uͤbereilte Aufhebung ſo vieler Kirchen
und Kloͤſter der Kunſt, wie deren Alterthuͤmern, da man haͤu-
fig ganz kenntnißloſe Perſonen dabey anſtellen muͤſſen, im All-
gemeinen den unſaͤglichſten Schaden gebracht hat, ſo ward
doch andererſeits auch manches vergeſſene Stuͤck durch die
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/89>, abgerufen am 16.07.2024.
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