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Rumohr, Karl Friedrich: Der letzte Savello. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 125–209. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Die Prinzessin stieg an der Treppe, welche zu den Logen Rafael's führt, aus ihrem Wagen und begab sich hinauf zu jener Bogenreihe, welche sein Genius durch zarte Anklänge des Gefühles und üppig mannichfache Formenspiele belebt und erheitert hat. Noch behielten diese Wunder der Kunst ihre erste Frische, noch lebten Personen, welche sie entstehen gesehen, den Sinn und Geist ihres Schöpfers lebend und wirksam angeschaut hatten. Oft sprach man daher in den höhern Kreisen Roms von Rafael's Anmuth, vom Zauber seines Umganges, beklagte das frühe Dahinscheiden seiner männlichen Jünglingsseele. Margarethen ward Alles, was sie gelegentlich und im Fortgange der Zeit über ihn gehört und vernommen hatte, hier wiederum gegenwärtig. Sie blickte auf den reichen Schmuck der Wände und Decken, nicht gleich uns, als auf ein Kunstwerk vorübergegangener Zeiten, vielmehr wie man auf Solches hinsieht, was uns so nahe steht, daß wir wähnen könnten, daran mitgewirkt zu haben. In der Mitte des Ganges hielt sie an und lehnte sich zu einem der offenen Bogen hinaus, die große Stadt, die ernste, verlassene Ebene, die Bergreihen der Ferne auf ihre Weise nachdenklich zu überschauen. Sie war auf diesem Boden nie heimisch geworden; ihr Verhältniß zu Rom erschien ihr, ungeachtet seiner gegenwärtigen Bedeutung, doch nur als ein vorübergehendes. Daher behielt ihre Seele für das Wunderbare, allein auch für das Wehmüthige und Zermalmende dieses Anblicks jene Frische der Empfänglichkeit, welche

Die Prinzessin stieg an der Treppe, welche zu den Logen Rafael's führt, aus ihrem Wagen und begab sich hinauf zu jener Bogenreihe, welche sein Genius durch zarte Anklänge des Gefühles und üppig mannichfache Formenspiele belebt und erheitert hat. Noch behielten diese Wunder der Kunst ihre erste Frische, noch lebten Personen, welche sie entstehen gesehen, den Sinn und Geist ihres Schöpfers lebend und wirksam angeschaut hatten. Oft sprach man daher in den höhern Kreisen Roms von Rafael's Anmuth, vom Zauber seines Umganges, beklagte das frühe Dahinscheiden seiner männlichen Jünglingsseele. Margarethen ward Alles, was sie gelegentlich und im Fortgange der Zeit über ihn gehört und vernommen hatte, hier wiederum gegenwärtig. Sie blickte auf den reichen Schmuck der Wände und Decken, nicht gleich uns, als auf ein Kunstwerk vorübergegangener Zeiten, vielmehr wie man auf Solches hinsieht, was uns so nahe steht, daß wir wähnen könnten, daran mitgewirkt zu haben. In der Mitte des Ganges hielt sie an und lehnte sich zu einem der offenen Bogen hinaus, die große Stadt, die ernste, verlassene Ebene, die Bergreihen der Ferne auf ihre Weise nachdenklich zu überschauen. Sie war auf diesem Boden nie heimisch geworden; ihr Verhältniß zu Rom erschien ihr, ungeachtet seiner gegenwärtigen Bedeutung, doch nur als ein vorübergehendes. Daher behielt ihre Seele für das Wunderbare, allein auch für das Wehmüthige und Zermalmende dieses Anblicks jene Frische der Empfänglichkeit, welche

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[0030] Die Prinzessin stieg an der Treppe, welche zu den Logen Rafael's führt, aus ihrem Wagen und begab sich hinauf zu jener Bogenreihe, welche sein Genius durch zarte Anklänge des Gefühles und üppig mannichfache Formenspiele belebt und erheitert hat. Noch behielten diese Wunder der Kunst ihre erste Frische, noch lebten Personen, welche sie entstehen gesehen, den Sinn und Geist ihres Schöpfers lebend und wirksam angeschaut hatten. Oft sprach man daher in den höhern Kreisen Roms von Rafael's Anmuth, vom Zauber seines Umganges, beklagte das frühe Dahinscheiden seiner männlichen Jünglingsseele. Margarethen ward Alles, was sie gelegentlich und im Fortgange der Zeit über ihn gehört und vernommen hatte, hier wiederum gegenwärtig. Sie blickte auf den reichen Schmuck der Wände und Decken, nicht gleich uns, als auf ein Kunstwerk vorübergegangener Zeiten, vielmehr wie man auf Solches hinsieht, was uns so nahe steht, daß wir wähnen könnten, daran mitgewirkt zu haben. In der Mitte des Ganges hielt sie an und lehnte sich zu einem der offenen Bogen hinaus, die große Stadt, die ernste, verlassene Ebene, die Bergreihen der Ferne auf ihre Weise nachdenklich zu überschauen. Sie war auf diesem Boden nie heimisch geworden; ihr Verhältniß zu Rom erschien ihr, ungeachtet seiner gegenwärtigen Bedeutung, doch nur als ein vorübergehendes. Daher behielt ihre Seele für das Wunderbare, allein auch für das Wehmüthige und Zermalmende dieses Anblicks jene Frische der Empfänglichkeit, welche

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich: Der letzte Savello. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 125–209. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_savello_1910/30>, abgerufen am 27.04.2024.