Rumohr, Karl Friedrich: Der letzte Savello. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 125–209. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.licher Mangel an Ernst und Tugend und Haltung, weit entfernt ein neues Ansehen begründen zu können, leicht hinreichen dürfe, auch das älteste Haus in Verachtung zu bringen und vielleicht selbst es zu stürzen. Also hörte er jetzt den Bericht der Prinzessin mit Freundlichkeit an, erklärte sich bereit, jede nicht streng eheliche Nachkommenschaft des ältern Bruders zu Gunsten des jüngeren von der Erbfolge in den Herzogthümern auszuschließen. Von diesem Gegenstande ging der Papst zu allgemeineren Sachen über, suchte über die Lebenskraft des Kaisers, die Stimmung, die Anlagen des Thronerben, die Neigungen und schwachen Seiten der Günstlinge von der Prinzessin neue Kunde einzuziehen, oder auch im schon Bekannten mehr Sicherheit zu gewinnen. Bis dahin war es selbst den Nahestehenden dunkel oder doch ungewiß geblieben, ob Philipp eine Person vor der anderen begünstige. Man sagte von ihm, daß er an den Menschen Nichts unterscheide und hochschätze, als deren unmittelbare Brauchbarkeit. Seine Werkzeuge schone er, schmeichle ihnen mit Feinheit, doch mit Furcht und Mißtrauen, und bei stets reger Besorgniß, sie möchten über ihn Leitung und Herrschaft erringen. Sogar den geistlichen Behörden, denen er gehorsam und ganz ergeben zu sein scheine, gestatte er keinen unmittelbaren Einblick in seinen politischen Charakter. Seine Beichte (so lauteten die Berichte an den heiligen Stuhl) sei allgemein ausgedrückt, räthselhaft die Bezeichnung seiner Gewissenszweifel. Man sah daher einem Könige von ganz neuem, licher Mangel an Ernst und Tugend und Haltung, weit entfernt ein neues Ansehen begründen zu können, leicht hinreichen dürfe, auch das älteste Haus in Verachtung zu bringen und vielleicht selbst es zu stürzen. Also hörte er jetzt den Bericht der Prinzessin mit Freundlichkeit an, erklärte sich bereit, jede nicht streng eheliche Nachkommenschaft des ältern Bruders zu Gunsten des jüngeren von der Erbfolge in den Herzogthümern auszuschließen. Von diesem Gegenstande ging der Papst zu allgemeineren Sachen über, suchte über die Lebenskraft des Kaisers, die Stimmung, die Anlagen des Thronerben, die Neigungen und schwachen Seiten der Günstlinge von der Prinzessin neue Kunde einzuziehen, oder auch im schon Bekannten mehr Sicherheit zu gewinnen. Bis dahin war es selbst den Nahestehenden dunkel oder doch ungewiß geblieben, ob Philipp eine Person vor der anderen begünstige. Man sagte von ihm, daß er an den Menschen Nichts unterscheide und hochschätze, als deren unmittelbare Brauchbarkeit. Seine Werkzeuge schone er, schmeichle ihnen mit Feinheit, doch mit Furcht und Mißtrauen, und bei stets reger Besorgniß, sie möchten über ihn Leitung und Herrschaft erringen. Sogar den geistlichen Behörden, denen er gehorsam und ganz ergeben zu sein scheine, gestatte er keinen unmittelbaren Einblick in seinen politischen Charakter. Seine Beichte (so lauteten die Berichte an den heiligen Stuhl) sei allgemein ausgedrückt, räthselhaft die Bezeichnung seiner Gewissenszweifel. Man sah daher einem Könige von ganz neuem, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0034"/> licher Mangel an Ernst und Tugend und Haltung, weit entfernt ein neues Ansehen begründen zu können, leicht hinreichen dürfe, auch das älteste Haus in Verachtung zu bringen und vielleicht selbst es zu stürzen. Also hörte er jetzt den Bericht der Prinzessin mit Freundlichkeit an, erklärte sich bereit, jede nicht streng eheliche Nachkommenschaft des ältern Bruders zu Gunsten des jüngeren von der Erbfolge in den Herzogthümern auszuschließen. Von diesem Gegenstande ging der Papst zu allgemeineren Sachen über, suchte über die Lebenskraft des Kaisers, die Stimmung, die Anlagen des Thronerben, die Neigungen und schwachen Seiten der Günstlinge von der Prinzessin neue Kunde einzuziehen, oder auch im schon Bekannten mehr Sicherheit zu gewinnen. Bis dahin war es selbst den Nahestehenden dunkel oder doch ungewiß geblieben, ob Philipp eine Person vor der anderen begünstige. Man sagte von ihm, daß er an den Menschen Nichts unterscheide und hochschätze, als deren unmittelbare Brauchbarkeit. Seine Werkzeuge schone er, schmeichle ihnen mit Feinheit, doch mit Furcht und Mißtrauen, und bei stets reger Besorgniß, sie möchten über ihn Leitung und Herrschaft erringen. Sogar den geistlichen Behörden, denen er gehorsam und ganz ergeben zu sein scheine, gestatte er keinen unmittelbaren Einblick in seinen politischen Charakter. Seine Beichte (so lauteten die Berichte an den heiligen Stuhl) sei allgemein ausgedrückt, räthselhaft die Bezeichnung seiner Gewissenszweifel. Man sah daher einem Könige von ganz neuem,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0034]
licher Mangel an Ernst und Tugend und Haltung, weit entfernt ein neues Ansehen begründen zu können, leicht hinreichen dürfe, auch das älteste Haus in Verachtung zu bringen und vielleicht selbst es zu stürzen. Also hörte er jetzt den Bericht der Prinzessin mit Freundlichkeit an, erklärte sich bereit, jede nicht streng eheliche Nachkommenschaft des ältern Bruders zu Gunsten des jüngeren von der Erbfolge in den Herzogthümern auszuschließen. Von diesem Gegenstande ging der Papst zu allgemeineren Sachen über, suchte über die Lebenskraft des Kaisers, die Stimmung, die Anlagen des Thronerben, die Neigungen und schwachen Seiten der Günstlinge von der Prinzessin neue Kunde einzuziehen, oder auch im schon Bekannten mehr Sicherheit zu gewinnen. Bis dahin war es selbst den Nahestehenden dunkel oder doch ungewiß geblieben, ob Philipp eine Person vor der anderen begünstige. Man sagte von ihm, daß er an den Menschen Nichts unterscheide und hochschätze, als deren unmittelbare Brauchbarkeit. Seine Werkzeuge schone er, schmeichle ihnen mit Feinheit, doch mit Furcht und Mißtrauen, und bei stets reger Besorgniß, sie möchten über ihn Leitung und Herrschaft erringen. Sogar den geistlichen Behörden, denen er gehorsam und ganz ergeben zu sein scheine, gestatte er keinen unmittelbaren Einblick in seinen politischen Charakter. Seine Beichte (so lauteten die Berichte an den heiligen Stuhl) sei allgemein ausgedrückt, räthselhaft die Bezeichnung seiner Gewissenszweifel. Man sah daher einem Könige von ganz neuem,
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