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Rumohr, Karl Friedrich: Der letzte Savello. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 125–209. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Doch jenseit des Ganges lag ein wohtunterhaltener, vor nicht gar langer Zeit neu ausgerüsteter Flügel. Er war gegen Südwest gerichtet; man übersah aus seinen Fenstern die Stadt, ihre lachende Feldmark, in großer Ferne über den öden Strand hinaus das Meer.

Im Saale war die alternde Decke nach einer schönen Zeichnung getäfelt, die Wände oberhalb von guter Hand auf die Mauer bemalt, nach unten aber durch Lederteppiche bekleidet, der Art, wie sie früherhin zu Venedig bereitet und nach gutgewählten Mustern in Gold bedruckt wurden. Seitwärts glühte in dem breiten Kamin ein mächtiges Feuer; es kam den verwöhnten Südländern gelegen, weil nach Mittag das Wetter sich geändert, auf der Höhe ein kalter Wind die Reisenden, leicht bekleidet, überrascht hatte. In der Mitte des Saales war die Tafel bereits gedeckt; der Castellan hatte von der bevorstehenden Ankunft des jungen Herrn zeitig Kunde erlangt, das Haus im Stillen auf seinen Empfang vorgerüstet, doch im Orte Nichts davon verlauten lassen. Er kannte das Gelüste des Jünglings, in den väterlichen Herrschaften unerkannt, unerwartet umherzuschweifen, um Abenteuer aufzusuchen, deren Ausgang oft fürchterlich war.

Die Tafel belasteten unzählige Speisen und Getränke, Erzeugnisse des umliegenden Landes, doch edle und sorgsam bereitete; denn noch immer war man in Italien dieser Art von Genüssen wohl geneigt. Das fette, milchweiße Kalbfleisch der Ufergegend, das gemästete zahme Geflügel wechselte mit der Beute der Jagd und

Doch jenseit des Ganges lag ein wohtunterhaltener, vor nicht gar langer Zeit neu ausgerüsteter Flügel. Er war gegen Südwest gerichtet; man übersah aus seinen Fenstern die Stadt, ihre lachende Feldmark, in großer Ferne über den öden Strand hinaus das Meer.

Im Saale war die alternde Decke nach einer schönen Zeichnung getäfelt, die Wände oberhalb von guter Hand auf die Mauer bemalt, nach unten aber durch Lederteppiche bekleidet, der Art, wie sie früherhin zu Venedig bereitet und nach gutgewählten Mustern in Gold bedruckt wurden. Seitwärts glühte in dem breiten Kamin ein mächtiges Feuer; es kam den verwöhnten Südländern gelegen, weil nach Mittag das Wetter sich geändert, auf der Höhe ein kalter Wind die Reisenden, leicht bekleidet, überrascht hatte. In der Mitte des Saales war die Tafel bereits gedeckt; der Castellan hatte von der bevorstehenden Ankunft des jungen Herrn zeitig Kunde erlangt, das Haus im Stillen auf seinen Empfang vorgerüstet, doch im Orte Nichts davon verlauten lassen. Er kannte das Gelüste des Jünglings, in den väterlichen Herrschaften unerkannt, unerwartet umherzuschweifen, um Abenteuer aufzusuchen, deren Ausgang oft fürchterlich war.

Die Tafel belasteten unzählige Speisen und Getränke, Erzeugnisse des umliegenden Landes, doch edle und sorgsam bereitete; denn noch immer war man in Italien dieser Art von Genüssen wohl geneigt. Das fette, milchweiße Kalbfleisch der Ufergegend, das gemästete zahme Geflügel wechselte mit der Beute der Jagd und

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:26:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich: Der letzte Savello. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 125–209. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_savello_1910/41>, abgerufen am 24.04.2024.