Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.Kopf und zog die Handschuhe an. "Wie, Du willst schon "Das ist also die Schwester, von der Sie mir sagten, "Allerdings, dieselbe. Ihr Mann will sich jetzt, einer "Und wie lange ist Ihre Schwester schon verheirathet?" "Seit fünf Jahren. Aber sie sieht noch immer so jugend¬ Kopf und zog die Handſchuhe an. „Wie, Du willſt ſchon „Das iſt alſo die Schweſter, von der Sie mir ſagten, „Allerdings, dieſelbe. Ihr Mann will ſich jetzt, einer „Und wie lange iſt Ihre Schweſter ſchon verheirathet?“ „Seit fünf Jahren. Aber ſie ſieht noch immer ſo jugend¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0105" n="89"/> Kopf und zog die Handſchuhe an. „Wie, Du willſt ſchon<lb/> wieder fort?“ fragte Frau Louiſe erſtaunt. „Ja, mein Mann<lb/> erwartet mich —“ und ſchon hatte das anmuthige Geſchöpf<lb/> den Sonnenſchirm ergriffen und die Schweſter und die Kinder<lb/> zum Abſchied geküßt. „Alſo morgen, wie verabredet,“ rief<lb/> noch Frau Louiſe, während die Andere mit einem haſtigen<lb/> Zeichen des Einverſtändniſſes aus dem Garten eilte. Ich ſah<lb/> ihr nach wie im Traum. Frau Louiſe aber wandte ſich<lb/> lächelnd zu mir und ſagte: „Wie Sie meine Schweſter er¬<lb/> ſchreckt haben! Seltſam, ſie war doch ſonſt nicht ſo menſchen¬<lb/> ſcheu. Sollte ſie es in der Provinz geworden ſein?“</p><lb/> <p>„Das iſt alſo die Schweſter, von der Sie mir ſagten,<lb/> daß ſie in der Provinz verheirathet ſei?“ fragte ich, noch immer<lb/> ganz verloren.</p><lb/> <p>„Allerdings, dieſelbe. Ihr Mann will ſich jetzt, einer<lb/> induſtriellen Unternehmung wegen, hier anſäßig machen. Sie<lb/> ſind geſtern eingetroffen und im Gaſthof abgeſtiegen; ſpäter<lb/> werden ſie in unſerer Nähe eine Wohnung beziehen.“</p><lb/> <p>„Und wie lange iſt Ihre Schweſter ſchon verheirathet?“</p><lb/> <p>„Seit fünf Jahren. Aber ſie ſieht noch immer ſo jugend¬<lb/> lich und mädchenhaft aus, wie an dem Tage, wo ſie mit<lb/> Kranz und Schleier an den Altar trat. Wer würde denken,<lb/> daß ſie älter iſt als ich? Freilich hat ſie keine Kinder;“<lb/> und dabei ſah Frau Louiſe mit leichtem Erröthen auf das Knäblein<lb/> nieder, das inzwiſchen in ihrem Schooße eingeſchlummert war.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [89/0105]
Kopf und zog die Handſchuhe an. „Wie, Du willſt ſchon
wieder fort?“ fragte Frau Louiſe erſtaunt. „Ja, mein Mann
erwartet mich —“ und ſchon hatte das anmuthige Geſchöpf
den Sonnenſchirm ergriffen und die Schweſter und die Kinder
zum Abſchied geküßt. „Alſo morgen, wie verabredet,“ rief
noch Frau Louiſe, während die Andere mit einem haſtigen
Zeichen des Einverſtändniſſes aus dem Garten eilte. Ich ſah
ihr nach wie im Traum. Frau Louiſe aber wandte ſich
lächelnd zu mir und ſagte: „Wie Sie meine Schweſter er¬
ſchreckt haben! Seltſam, ſie war doch ſonſt nicht ſo menſchen¬
ſcheu. Sollte ſie es in der Provinz geworden ſein?“
„Das iſt alſo die Schweſter, von der Sie mir ſagten,
daß ſie in der Provinz verheirathet ſei?“ fragte ich, noch immer
ganz verloren.
„Allerdings, dieſelbe. Ihr Mann will ſich jetzt, einer
induſtriellen Unternehmung wegen, hier anſäßig machen. Sie
ſind geſtern eingetroffen und im Gaſthof abgeſtiegen; ſpäter
werden ſie in unſerer Nähe eine Wohnung beziehen.“
„Und wie lange iſt Ihre Schweſter ſchon verheirathet?“
„Seit fünf Jahren. Aber ſie ſieht noch immer ſo jugend¬
lich und mädchenhaft aus, wie an dem Tage, wo ſie mit
Kranz und Schleier an den Altar trat. Wer würde denken,
daß ſie älter iſt als ich? Freilich hat ſie keine Kinder;“
und dabei ſah Frau Louiſe mit leichtem Erröthen auf das Knäblein
nieder, das inzwiſchen in ihrem Schooße eingeſchlummert war.
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