Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.und beide Paare den Garten verließen. Wir Hausgenossen Am anderen Vormittage saß ich im Schatten der Laube. Saar, Novellen aus Oesterreich. 7
und beide Paare den Garten verließen. Wir Hausgenoſſen Am anderen Vormittage ſaß ich im Schatten der Laube. Saar, Novellen aus Oeſterreich. 7
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0113" n="97"/> und beide Paare den Garten verließen. Wir Hausgenoſſen<lb/> verweilten noch kurze Zeit beiſammen; dann gingen die Frauen<lb/> mit Erni hinauf, Heidrich folgte ihnen bald und ich blieb allein<lb/> zurück. Eine laue, mondloſe Nacht breitete ſich allmälig über<lb/> die Wipfel. Geheimnißvoll ſchimmerten die Akazienblüthen;<lb/> eine Fledermaus huſchte mit leiſem Fluge durch den Garten;<lb/> von draußen herein ſcholl der Geſang fröhlich heimkehrender<lb/> Menſchen. Ich erhob mich und ſchritt langſam die verſchlun¬<lb/> genen Pfade auf und nieder. Die Eindrücke des durchlebten<lb/> Tages wirkten mit ſtiller Macht in mir nach, und es war mir,<lb/> als ſäh' ich das weiße Kleid Mariannen's durch die Büſche<lb/> leuchten und über den dunklen Raſen hinflattern. Endlich<lb/> ging ich in den Pavillon, deſſen Thüre nur wenig offen ſtand.<lb/> Ein leichter Duft war im Raume verbreitet. Ich trat an das<lb/> Sopha, wo die junge Frau geſchlummert haben mußte; als<lb/> ich mich darauf niederließ, faßte meine Hand etwas Glattes,<lb/> Kniſterndes: es war das Band, das ſie in den Haaren ge¬<lb/> tragen. Eine ſüße Müdigkeit überkam mich; ich ſtreckte mich<lb/> aus — und eh' ich mich deſſen verſehen hatte, war ich, die kühle,<lb/> duftende Seide zwiſchen Hand und Wange, eingeſchlafen. —</p><lb/> <p>Am anderen Vormittage ſaß ich im Schatten der Laube.<lb/> Ich hatte ein Buch vor mir; aber ich las nicht, ſondern blickte<lb/> hinaus in den goldenen Sonnenſchein. Weiße Falter flatter¬<lb/> ten um die Blumen; ferne Glockenklänge zitterten durch die<lb/> Luft; in den Zweigen des Apfelbaumes ſang eine Meiſe, die<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Saar</hi>, Novellen aus Oeſterreich. 7<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [97/0113]
und beide Paare den Garten verließen. Wir Hausgenoſſen
verweilten noch kurze Zeit beiſammen; dann gingen die Frauen
mit Erni hinauf, Heidrich folgte ihnen bald und ich blieb allein
zurück. Eine laue, mondloſe Nacht breitete ſich allmälig über
die Wipfel. Geheimnißvoll ſchimmerten die Akazienblüthen;
eine Fledermaus huſchte mit leiſem Fluge durch den Garten;
von draußen herein ſcholl der Geſang fröhlich heimkehrender
Menſchen. Ich erhob mich und ſchritt langſam die verſchlun¬
genen Pfade auf und nieder. Die Eindrücke des durchlebten
Tages wirkten mit ſtiller Macht in mir nach, und es war mir,
als ſäh' ich das weiße Kleid Mariannen's durch die Büſche
leuchten und über den dunklen Raſen hinflattern. Endlich
ging ich in den Pavillon, deſſen Thüre nur wenig offen ſtand.
Ein leichter Duft war im Raume verbreitet. Ich trat an das
Sopha, wo die junge Frau geſchlummert haben mußte; als
ich mich darauf niederließ, faßte meine Hand etwas Glattes,
Kniſterndes: es war das Band, das ſie in den Haaren ge¬
tragen. Eine ſüße Müdigkeit überkam mich; ich ſtreckte mich
aus — und eh' ich mich deſſen verſehen hatte, war ich, die kühle,
duftende Seide zwiſchen Hand und Wange, eingeſchlafen. —
Am anderen Vormittage ſaß ich im Schatten der Laube.
Ich hatte ein Buch vor mir; aber ich las nicht, ſondern blickte
hinaus in den goldenen Sonnenſchein. Weiße Falter flatter¬
ten um die Blumen; ferne Glockenklänge zitterten durch die
Luft; in den Zweigen des Apfelbaumes ſang eine Meiſe, die
Saar, Novellen aus Oeſterreich. 7
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