Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.und scherzend die Runde durch den Saal. Marianne jedoch Sie athmete schwer und brachte, wie um sich zu erquicken, "Nein, Frau Dorner." Sie erwiederte nichts. "Leben Sie wohl", sagte sie end¬ Im selben Augenblick begann die Musik wieder, einen und ſcherzend die Runde durch den Saal. Marianne jedoch Sie athmete ſchwer und brachte, wie um ſich zu erquicken, „Nein, Frau Dorner.“ Sie erwiederte nichts. „Leben Sie wohl“, ſagte ſie end¬ Im ſelben Augenblick begann die Muſik wieder, einen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0136" n="120"/> und ſcherzend die Runde durch den Saal. Marianne jedoch<lb/> hatte ſich mit allen Zeichen der Ermüdung auf einen Stuhl<lb/> niedergelaſſen; vor ihr, ſichtlich bemüht, ſie für ſich einzunehmen,<lb/> ſtand ein junger Mann mit lebhaften Blicken und Geberden,<lb/> welchen ich mehrmals mit ihr hatte durch den Saal fliegen<lb/> ſehen. Sie aber achtete nicht auf das, was er ſprach, ſondern<lb/> blickte, während ſie manchmal gezwungen lächelte, mit wogen¬<lb/> der Bruſt zerſtreut vor ſich hin und nach der Fenſterniſche, in<lb/> der ich noch immer ſaß. Endlich zog ſich der Enttäuſchte<lb/> zurück. Ich ſtand auf und trat vor ſie hin. „Ich muß noch<lb/> von Ihnen Abſchied nehmen, Frau Dorner“, ſprach ich mit<lb/> zitternder Stimme. „Ich verlaſſe morgen die Reſidenz.“</p><lb/> <p>Sie athmete ſchwer und brachte, wie um ſich zu erquicken,<lb/> ihren Strauß vor's Antlitz. „Ich weiß es; meine Schweſter<lb/> hat es mir mitgetheilt. — Und Sie kehren nie wieder?“ fragte<lb/> ſie nach einer Pauſe kaum hörbar.</p><lb/> <p>„Nein, Frau Dorner.“</p><lb/> <p>Sie erwiederte nichts. „Leben Sie wohl“, ſagte ſie end¬<lb/> lich und reichte mir langſam die Hand.</p><lb/> <p>Im ſelben Augenblick begann die Muſik wieder, einen<lb/> Galopp intonirend. Ich war des Tanzens längſt entwöhnt;<lb/> aber dieſe Klänge durchzuckten mich ſeltſam. „Frau Marianne“,<lb/> ſagte ich, von einem plötzlichen Verlangen unwiderſtehlich er¬<lb/> griffen, und hielt ihre bebende Hand feſt, „Frau Marianne,<lb/> laſſen Sie uns, bevor ich ſcheide, noch mit einander tanzen —<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [120/0136]
und ſcherzend die Runde durch den Saal. Marianne jedoch
hatte ſich mit allen Zeichen der Ermüdung auf einen Stuhl
niedergelaſſen; vor ihr, ſichtlich bemüht, ſie für ſich einzunehmen,
ſtand ein junger Mann mit lebhaften Blicken und Geberden,
welchen ich mehrmals mit ihr hatte durch den Saal fliegen
ſehen. Sie aber achtete nicht auf das, was er ſprach, ſondern
blickte, während ſie manchmal gezwungen lächelte, mit wogen¬
der Bruſt zerſtreut vor ſich hin und nach der Fenſterniſche, in
der ich noch immer ſaß. Endlich zog ſich der Enttäuſchte
zurück. Ich ſtand auf und trat vor ſie hin. „Ich muß noch
von Ihnen Abſchied nehmen, Frau Dorner“, ſprach ich mit
zitternder Stimme. „Ich verlaſſe morgen die Reſidenz.“
Sie athmete ſchwer und brachte, wie um ſich zu erquicken,
ihren Strauß vor's Antlitz. „Ich weiß es; meine Schweſter
hat es mir mitgetheilt. — Und Sie kehren nie wieder?“ fragte
ſie nach einer Pauſe kaum hörbar.
„Nein, Frau Dorner.“
Sie erwiederte nichts. „Leben Sie wohl“, ſagte ſie end¬
lich und reichte mir langſam die Hand.
Im ſelben Augenblick begann die Muſik wieder, einen
Galopp intonirend. Ich war des Tanzens längſt entwöhnt;
aber dieſe Klänge durchzuckten mich ſeltſam. „Frau Marianne“,
ſagte ich, von einem plötzlichen Verlangen unwiderſtehlich er¬
griffen, und hielt ihre bebende Hand feſt, „Frau Marianne,
laſſen Sie uns, bevor ich ſcheide, noch mit einander tanzen —
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