Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

und Erde! -- Plötzlich war es mir, als strauchelte sie; mein
Arm wollte sie halten; aber ich schwankte selbst -- und schon
sank sie mit nach rückwärts überhangendem Haupte und stierem
Blick schwer an mir nieder. Ein jähes Entsetzen riß an mei¬
nem Herzen; ich hörte noch, wie man rings aufschrie, wie die
Musik mit einem grellen Mißklang abbrach; sah, wie man
von allen Seiten auf uns zustürzte -- dann drehte sich Alles
um mich und meine Sinne vergingen. -- --

Als ich wieder zu mir selber kam, lag ich auf einem
Sopha in dem matt erhellten Nebenzimmer. Ein alter Herr,
die Uhr in der Hand, saß vor mir. "Sie waren ziemlich lange
bewußtlos", sagte er.

Ich starrte ihn an.

"Ich bin der Arzt des Ortes", setzte er leise hinzu.

Ich sah um mich wie im Traum. Draußen strahlte der
Saal in vollem Lichterglanz; aber es war Alles still, ganz
still. --

Er merkte, daß ich mich nicht zurecht fand und nahm
meine Frage vorweg. "Die Gesellschaft hat sich bereits nach
der Stadt begeben. Der Dame, mit der Sie getanzt haben,
ist ein schwerer Unfall zugestoßen."

Ich wollte aufspringen; aber meine Glieder waren erstarrt
und das Herz lag mir wie Eis in der Brust.

Er faßte meinen Arm. "Sie kommen zu spät. Ich weiß
nicht, ob ich es Ihnen sagen soll -- -- Die Dame ist --"

und Erde! — Plötzlich war es mir, als ſtrauchelte ſie; mein
Arm wollte ſie halten; aber ich ſchwankte ſelbſt — und ſchon
ſank ſie mit nach rückwärts überhangendem Haupte und ſtierem
Blick ſchwer an mir nieder. Ein jähes Entſetzen riß an mei¬
nem Herzen; ich hörte noch, wie man rings aufſchrie, wie die
Muſik mit einem grellen Mißklang abbrach; ſah, wie man
von allen Seiten auf uns zuſtürzte — dann drehte ſich Alles
um mich und meine Sinne vergingen. — —

Als ich wieder zu mir ſelber kam, lag ich auf einem
Sopha in dem matt erhellten Nebenzimmer. Ein alter Herr,
die Uhr in der Hand, ſaß vor mir. „Sie waren ziemlich lange
bewußtlos“, ſagte er.

Ich ſtarrte ihn an.

„Ich bin der Arzt des Ortes“, ſetzte er leiſe hinzu.

Ich ſah um mich wie im Traum. Draußen ſtrahlte der
Saal in vollem Lichterglanz; aber es war Alles ſtill, ganz
ſtill. —

Er merkte, daß ich mich nicht zurecht fand und nahm
meine Frage vorweg. „Die Geſellſchaft hat ſich bereits nach
der Stadt begeben. Der Dame, mit der Sie getanzt haben,
iſt ein ſchwerer Unfall zugeſtoßen.“

Ich wollte aufſpringen; aber meine Glieder waren erſtarrt
und das Herz lag mir wie Eis in der Bruſt.

Er faßte meinen Arm. „Sie kommen zu ſpät. Ich weiß
nicht, ob ich es Ihnen ſagen ſoll — — Die Dame iſt —“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0138" n="122"/>
und Erde! &#x2014; Plötzlich war es mir, als &#x017F;trauchelte &#x017F;ie; mein<lb/>
Arm wollte &#x017F;ie halten; aber ich &#x017F;chwankte &#x017F;elb&#x017F;t &#x2014; und &#x017F;chon<lb/>
&#x017F;ank &#x017F;ie mit nach rückwärts überhangendem Haupte und &#x017F;tierem<lb/>
Blick &#x017F;chwer an mir nieder. Ein jähes Ent&#x017F;etzen riß an mei¬<lb/>
nem Herzen; ich hörte noch, wie man rings auf&#x017F;chrie, wie die<lb/>
Mu&#x017F;ik mit einem grellen Mißklang abbrach; &#x017F;ah, wie man<lb/>
von allen Seiten auf uns zu&#x017F;türzte &#x2014; dann drehte &#x017F;ich Alles<lb/>
um mich und meine Sinne vergingen. &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Als ich wieder zu mir &#x017F;elber kam, lag ich auf einem<lb/>
Sopha in dem matt erhellten Nebenzimmer. Ein alter Herr,<lb/>
die Uhr in der Hand, &#x017F;aß vor mir. &#x201E;Sie waren ziemlich lange<lb/>
bewußtlos&#x201C;, &#x017F;agte er.</p><lb/>
        <p>Ich &#x017F;tarrte ihn an.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich bin der Arzt des Ortes&#x201C;, &#x017F;etzte er lei&#x017F;e hinzu.</p><lb/>
        <p>Ich &#x017F;ah um mich wie im Traum. Draußen &#x017F;trahlte der<lb/>
Saal in vollem Lichterglanz; aber es war Alles &#x017F;till, ganz<lb/>
&#x017F;till. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Er merkte, daß ich mich nicht zurecht fand und nahm<lb/>
meine Frage vorweg. &#x201E;Die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft hat &#x017F;ich bereits nach<lb/>
der Stadt begeben. Der Dame, mit der Sie getanzt haben,<lb/>
i&#x017F;t ein &#x017F;chwerer Unfall zuge&#x017F;toßen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ich wollte auf&#x017F;pringen; aber meine Glieder waren er&#x017F;tarrt<lb/>
und das Herz lag mir wie Eis in der Bru&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Er faßte meinen Arm. &#x201E;Sie kommen zu &#x017F;pät. Ich weiß<lb/>
nicht, ob ich es Ihnen &#x017F;agen &#x017F;oll &#x2014; &#x2014; Die Dame i&#x017F;t &#x2014;&#x201C;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0138] und Erde! — Plötzlich war es mir, als ſtrauchelte ſie; mein Arm wollte ſie halten; aber ich ſchwankte ſelbſt — und ſchon ſank ſie mit nach rückwärts überhangendem Haupte und ſtierem Blick ſchwer an mir nieder. Ein jähes Entſetzen riß an mei¬ nem Herzen; ich hörte noch, wie man rings aufſchrie, wie die Muſik mit einem grellen Mißklang abbrach; ſah, wie man von allen Seiten auf uns zuſtürzte — dann drehte ſich Alles um mich und meine Sinne vergingen. — — Als ich wieder zu mir ſelber kam, lag ich auf einem Sopha in dem matt erhellten Nebenzimmer. Ein alter Herr, die Uhr in der Hand, ſaß vor mir. „Sie waren ziemlich lange bewußtlos“, ſagte er. Ich ſtarrte ihn an. „Ich bin der Arzt des Ortes“, ſetzte er leiſe hinzu. Ich ſah um mich wie im Traum. Draußen ſtrahlte der Saal in vollem Lichterglanz; aber es war Alles ſtill, ganz ſtill. — Er merkte, daß ich mich nicht zurecht fand und nahm meine Frage vorweg. „Die Geſellſchaft hat ſich bereits nach der Stadt begeben. Der Dame, mit der Sie getanzt haben, iſt ein ſchwerer Unfall zugeſtoßen.“ Ich wollte aufſpringen; aber meine Glieder waren erſtarrt und das Herz lag mir wie Eis in der Bruſt. Er faßte meinen Arm. „Sie kommen zu ſpät. Ich weiß nicht, ob ich es Ihnen ſagen ſoll — — Die Dame iſt —“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/138
Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/138>, abgerufen am 14.05.2024.