dem Rücken. Tertschka!" rief der Mann mit dem Korbe in heiserem Tone, "mach' Licht drinnen, daß wir den Proviant in den Keller schaffen können!" Und da er jetzt vor ihr stand und ihm die Jacke, die sie ängstlich an sich drückte, in die Augen fiel, fragte er barsch: "nun, ist sie fertig?"
"Noch nicht ganz;" war die zaghafte Antwort.
"Was? Nicht?" kreischte er und sein Gesicht wurde blau¬ roth. "Hab' ich Dir nicht gesagt, daß ich sie morgen brauche?"
"Ich hab' mich den ganzen Nachmittag damit geplagt. Aber ich kann's nicht so schnell machen, wie Eine, die das Nähen gelernt hat."
Der stille Vorwurf, der in diesen Worten lag, schien ihn noch mehr zu reizen. "Du weißt immer etwas zu erwiedern!" schrie er. "Aber ich sage Dir nur, wenn ich die Jacke morgen früh nicht habe, so gieb Acht, was Dir geschieht!" Und er drang, den Korb zu Boden stellend, auf die Zurückweichende ein, als wollte er schon jetzt seine Drohung zur Wahrheit werden lassen. Dabei fiel sein Blick auf die Gestalt im Sol¬ datenkittel, die sich inzwischen furchtsam genähert hatte. "Wer ist der da?" fragte der Wüthende, indem er die erhobene Hand sinken ließ.
"Er ist zur Arbeit her gewiesen", sagte Tertschka, schwer athmend.
Der Aufseher -- denn er war es -- trat mit der gan¬ zen Wucht seines vierschrötigen Wesens vor den Kleinen hin
dem Rücken. Tertſchka!” rief der Mann mit dem Korbe in heiſerem Tone, „mach' Licht drinnen, daß wir den Proviant in den Keller ſchaffen können!“ Und da er jetzt vor ihr ſtand und ihm die Jacke, die ſie ängſtlich an ſich drückte, in die Augen fiel, fragte er barſch: „nun, iſt ſie fertig?“
„Noch nicht ganz;“ war die zaghafte Antwort.
„Was? Nicht?“ kreiſchte er und ſein Geſicht wurde blau¬ roth. „Hab' ich Dir nicht geſagt, daß ich ſie morgen brauche?“
„Ich hab' mich den ganzen Nachmittag damit geplagt. Aber ich kann's nicht ſo ſchnell machen, wie Eine, die das Nähen gelernt hat.“
Der ſtille Vorwurf, der in dieſen Worten lag, ſchien ihn noch mehr zu reizen. „Du weißt immer etwas zu erwiedern!“ ſchrie er. „Aber ich ſage Dir nur, wenn ich die Jacke morgen früh nicht habe, ſo gieb Acht, was Dir geſchieht!“ Und er drang, den Korb zu Boden ſtellend, auf die Zurückweichende ein, als wollte er ſchon jetzt ſeine Drohung zur Wahrheit werden laſſen. Dabei fiel ſein Blick auf die Geſtalt im Sol¬ datenkittel, die ſich inzwiſchen furchtſam genähert hatte. „Wer iſt der da?“ fragte der Wüthende, indem er die erhobene Hand ſinken ließ.
„Er iſt zur Arbeit her gewieſen“, ſagte Tertſchka, ſchwer athmend.
Der Aufſeher — denn er war es — trat mit der gan¬ zen Wucht ſeines vierſchrötigen Weſens vor den Kleinen hin
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0149"n="133"/>
dem Rücken. Tertſchka!” rief der Mann mit dem<lb/>
Korbe in heiſerem Tone, „mach' Licht drinnen, daß wir den<lb/>
Proviant in den Keller ſchaffen können!“ Und da er jetzt<lb/>
vor ihr ſtand und ihm die Jacke, die ſie ängſtlich an ſich drückte,<lb/>
in die Augen fiel, fragte er barſch: „nun, iſt ſie fertig?“</p><lb/><p>„Noch nicht ganz;“ war die zaghafte Antwort.</p><lb/><p>„Was? Nicht?“ kreiſchte er und ſein Geſicht wurde blau¬<lb/>
roth. „Hab' ich Dir nicht geſagt, daß ich ſie morgen brauche?“</p><lb/><p>„Ich hab' mich den ganzen Nachmittag damit geplagt.<lb/>
Aber ich kann's nicht ſo ſchnell machen, wie Eine, die das<lb/>
Nähen gelernt hat.“</p><lb/><p>Der ſtille Vorwurf, der in dieſen Worten lag, ſchien ihn<lb/>
noch mehr zu reizen. „Du weißt immer etwas zu erwiedern!“<lb/>ſchrie er. „Aber ich ſage Dir nur, wenn ich die Jacke morgen<lb/>
früh nicht habe, ſo gieb Acht, was Dir geſchieht!“ Und er<lb/>
drang, den Korb zu Boden ſtellend, auf die Zurückweichende<lb/>
ein, als wollte er ſchon jetzt ſeine Drohung zur Wahrheit<lb/>
werden laſſen. Dabei fiel ſein Blick auf die Geſtalt im Sol¬<lb/>
datenkittel, die ſich inzwiſchen furchtſam genähert hatte. „Wer<lb/>
iſt <hirendition="#g">der</hi> da?“ fragte der Wüthende, indem er die erhobene<lb/>
Hand ſinken ließ.</p><lb/><p>„Er iſt zur Arbeit her gewieſen“, ſagte Tertſchka, ſchwer<lb/>
athmend.</p><lb/><p>Der Aufſeher — denn er war es — trat mit der gan¬<lb/>
zen Wucht ſeines vierſchrötigen Weſens vor den Kleinen hin<lb/></p></div></body></text></TEI>
[133/0149]
dem Rücken. Tertſchka!” rief der Mann mit dem
Korbe in heiſerem Tone, „mach' Licht drinnen, daß wir den
Proviant in den Keller ſchaffen können!“ Und da er jetzt
vor ihr ſtand und ihm die Jacke, die ſie ängſtlich an ſich drückte,
in die Augen fiel, fragte er barſch: „nun, iſt ſie fertig?“
„Noch nicht ganz;“ war die zaghafte Antwort.
„Was? Nicht?“ kreiſchte er und ſein Geſicht wurde blau¬
roth. „Hab' ich Dir nicht geſagt, daß ich ſie morgen brauche?“
„Ich hab' mich den ganzen Nachmittag damit geplagt.
Aber ich kann's nicht ſo ſchnell machen, wie Eine, die das
Nähen gelernt hat.“
Der ſtille Vorwurf, der in dieſen Worten lag, ſchien ihn
noch mehr zu reizen. „Du weißt immer etwas zu erwiedern!“
ſchrie er. „Aber ich ſage Dir nur, wenn ich die Jacke morgen
früh nicht habe, ſo gieb Acht, was Dir geſchieht!“ Und er
drang, den Korb zu Boden ſtellend, auf die Zurückweichende
ein, als wollte er ſchon jetzt ſeine Drohung zur Wahrheit
werden laſſen. Dabei fiel ſein Blick auf die Geſtalt im Sol¬
datenkittel, die ſich inzwiſchen furchtſam genähert hatte. „Wer
iſt der da?“ fragte der Wüthende, indem er die erhobene
Hand ſinken ließ.
„Er iſt zur Arbeit her gewieſen“, ſagte Tertſchka, ſchwer
athmend.
Der Aufſeher — denn er war es — trat mit der gan¬
zen Wucht ſeines vierſchrötigen Weſens vor den Kleinen hin
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/149>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.