Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie betrachtete es still und schob es mit dankendem Lächeln
zwischen den Strauß und den Rosenkranz ein. "Ich habe
noch etwas für Dich gekauft", fuhr er nach einer Weile fort,
indem er das kleine Päckchen langsam aus der Tasche zog und
die Perlen durch die geöffnete Papierhülle blitzen ließ. Sie
warf einen Blick darauf. "Wie kannst Du nur so viel Geld
für mich ausgeben!" sagte sie; aber ihre Miene strahlte von
froher Ueberraschung und reinster Freude. "Für Dich möcht'
ich Alles hingeben", erwiederte er innig. "Aber nimm es
gleich um; es wird Dir gut stehen!" Sie reichte ihm, was
sie in der Hand hatte, und legte dann den Schmuck um ihren
Hals. Da er aber etwas eng und rückwärts fest zu machen
war, so konnte sie damit nicht recht zu Stande kommen. "Laß
das mich thun!" rief er, gab ihr wieder Alles zurück, drückte,
nachdem sie sich umgewendet, ihre braunen Haarflechten sanft
empor und schob die beiden Theile der kleinen Schließe in
einander. "So!" sagte er, indem er mit zufrieden prüfendem
Blick vor sie hin trat. Dann gingen sie fröhlich weiter und
hatten bald die Kirche erreicht, die aus schattigen Linden her¬
vorsah. Sie trafen nur sehr wenige Beter an; ein alter Prie¬
ster mit grämlichen Gesichtszügen war eben zum Altar getreten
und begann gleichgültig die Messe zu lesen. Tertschka kniete
in der letzten Reihe der Bänke nieder, legte den Strauß und
das Herz vor sich hin und faltete die Hände. Georg blieb
hinter ihr stehen. Es wurde ihm ganz eigenthümlich zu Muth

Sie betrachtete es ſtill und ſchob es mit dankendem Lächeln
zwiſchen den Strauß und den Roſenkranz ein. „Ich habe
noch etwas für Dich gekauft“, fuhr er nach einer Weile fort,
indem er das kleine Päckchen langſam aus der Taſche zog und
die Perlen durch die geöffnete Papierhülle blitzen ließ. Sie
warf einen Blick darauf. „Wie kannſt Du nur ſo viel Geld
für mich ausgeben!“ ſagte ſie; aber ihre Miene ſtrahlte von
froher Ueberraſchung und reinſter Freude. „Für Dich möcht'
ich Alles hingeben“, erwiederte er innig. „Aber nimm es
gleich um; es wird Dir gut ſtehen!“ Sie reichte ihm, was
ſie in der Hand hatte, und legte dann den Schmuck um ihren
Hals. Da er aber etwas eng und rückwärts feſt zu machen
war, ſo konnte ſie damit nicht recht zu Stande kommen. „Laß
das mich thun!“ rief er, gab ihr wieder Alles zurück, drückte,
nachdem ſie ſich umgewendet, ihre braunen Haarflechten ſanft
empor und ſchob die beiden Theile der kleinen Schließe in
einander. „So!“ ſagte er, indem er mit zufrieden prüfendem
Blick vor ſie hin trat. Dann gingen ſie fröhlich weiter und
hatten bald die Kirche erreicht, die aus ſchattigen Linden her¬
vorſah. Sie trafen nur ſehr wenige Beter an; ein alter Prie¬
ſter mit grämlichen Geſichtszügen war eben zum Altar getreten
und begann gleichgültig die Meſſe zu leſen. Tertſchka kniete
in der letzten Reihe der Bänke nieder, legte den Strauß und
das Herz vor ſich hin und faltete die Hände. Georg blieb
hinter ihr ſtehen. Es wurde ihm ganz eigenthümlich zu Muth

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0173" n="157"/>
Sie betrachtete es &#x017F;till und &#x017F;chob es mit dankendem Lächeln<lb/>
zwi&#x017F;chen den Strauß und den Ro&#x017F;enkranz ein. &#x201E;Ich habe<lb/>
noch etwas für Dich gekauft&#x201C;, fuhr er nach einer Weile fort,<lb/>
indem er das kleine Päckchen lang&#x017F;am aus der Ta&#x017F;che zog und<lb/>
die Perlen durch die geöffnete Papierhülle blitzen ließ. Sie<lb/>
warf einen Blick darauf. &#x201E;Wie kann&#x017F;t Du nur &#x017F;o viel Geld<lb/>
für mich ausgeben!&#x201C; &#x017F;agte &#x017F;ie; aber ihre Miene &#x017F;trahlte von<lb/>
froher Ueberra&#x017F;chung und rein&#x017F;ter Freude. &#x201E;Für Dich möcht'<lb/>
ich Alles hingeben&#x201C;, erwiederte er innig. &#x201E;Aber nimm es<lb/>
gleich um; es wird Dir gut &#x017F;tehen!&#x201C; Sie reichte ihm, was<lb/>
&#x017F;ie in der Hand hatte, und legte dann den Schmuck um ihren<lb/>
Hals. Da er aber etwas eng und rückwärts fe&#x017F;t zu machen<lb/>
war, &#x017F;o konnte &#x017F;ie damit nicht recht zu Stande kommen. &#x201E;Laß<lb/>
das mich thun!&#x201C; rief er, gab ihr wieder Alles zurück, drückte,<lb/>
nachdem &#x017F;ie &#x017F;ich umgewendet, ihre braunen Haarflechten &#x017F;anft<lb/>
empor und &#x017F;chob die beiden Theile der kleinen Schließe in<lb/>
einander. &#x201E;So!&#x201C; &#x017F;agte er, indem er mit zufrieden prüfendem<lb/>
Blick vor &#x017F;ie hin trat. Dann gingen &#x017F;ie fröhlich weiter und<lb/>
hatten bald die Kirche erreicht, die aus &#x017F;chattigen Linden her¬<lb/>
vor&#x017F;ah. Sie trafen nur &#x017F;ehr wenige Beter an; ein alter Prie¬<lb/>
&#x017F;ter mit grämlichen Ge&#x017F;ichtszügen war eben zum Altar getreten<lb/>
und begann gleichgültig die Me&#x017F;&#x017F;e zu le&#x017F;en. Tert&#x017F;chka kniete<lb/>
in der letzten Reihe der Bänke nieder, legte den Strauß und<lb/>
das Herz vor &#x017F;ich hin und faltete die Hände. Georg blieb<lb/>
hinter ihr &#x017F;tehen. Es wurde ihm ganz eigenthümlich zu Muth<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0173] Sie betrachtete es ſtill und ſchob es mit dankendem Lächeln zwiſchen den Strauß und den Roſenkranz ein. „Ich habe noch etwas für Dich gekauft“, fuhr er nach einer Weile fort, indem er das kleine Päckchen langſam aus der Taſche zog und die Perlen durch die geöffnete Papierhülle blitzen ließ. Sie warf einen Blick darauf. „Wie kannſt Du nur ſo viel Geld für mich ausgeben!“ ſagte ſie; aber ihre Miene ſtrahlte von froher Ueberraſchung und reinſter Freude. „Für Dich möcht' ich Alles hingeben“, erwiederte er innig. „Aber nimm es gleich um; es wird Dir gut ſtehen!“ Sie reichte ihm, was ſie in der Hand hatte, und legte dann den Schmuck um ihren Hals. Da er aber etwas eng und rückwärts feſt zu machen war, ſo konnte ſie damit nicht recht zu Stande kommen. „Laß das mich thun!“ rief er, gab ihr wieder Alles zurück, drückte, nachdem ſie ſich umgewendet, ihre braunen Haarflechten ſanft empor und ſchob die beiden Theile der kleinen Schließe in einander. „So!“ ſagte er, indem er mit zufrieden prüfendem Blick vor ſie hin trat. Dann gingen ſie fröhlich weiter und hatten bald die Kirche erreicht, die aus ſchattigen Linden her¬ vorſah. Sie trafen nur ſehr wenige Beter an; ein alter Prie¬ ſter mit grämlichen Geſichtszügen war eben zum Altar getreten und begann gleichgültig die Meſſe zu leſen. Tertſchka kniete in der letzten Reihe der Bänke nieder, legte den Strauß und das Herz vor ſich hin und faltete die Hände. Georg blieb hinter ihr ſtehen. Es wurde ihm ganz eigenthümlich zu Muth

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/173
Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/173>, abgerufen am 14.05.2024.