Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

"Ja, es sind glückliche Leute", sprach er, ohne hin zu
sehen, wie im Traum. -- "Wenn wir nur auch einmal Hoch¬
zeit haben könnten."

"Ach geh'," sagte sie leise und langte nach einer rothen
Blume, die zu ihren Füßen blühte.

"Resi", fuhr er fort -- es war das erste Mal, daß er
sie so nannte -- und legte seinen Arm scheu und bebend um
ihren Leib, "Resi -- ich hab' Dich so lieb!"

Sie erwiederte nichts; aber in dem Blicke, den sie zu
ihm aufschlug, lag es für ihn wie ein wogendes Meer von
Glück. Und als jetzt drüben die Geigen lauter jubelten und
das Brautpaar, durch allseitiges Rufen und Händeklatschen
angefeuert, sich im stürmischen Wirbel dahin schwang: da zog
er sie fest an's Herz und ihre Lippen schlossen sich zu einem
langen, tiefen Kusse zusammen. --


Soll ich, der ich diese einfache Geschichte wahrheitsgetreu
zu erzählen mir vorgesetzt, nun auch die Seligkeit zu schildern
versuchen, welche die Beiden von jetzt an überkommen hatte?
Ich glaube, daß ich darauf verzichten darf; und zwar nicht
blos deshalb, weil keine Worte zu dem Gefühl hinanreichen,
das ihnen mit einem Male den vollen Lichtglanz, den über¬
schwänglichen Reichthum des Daseins erschlossen hatte; sondern

„Ja, es ſind glückliche Leute“, ſprach er, ohne hin zu
ſehen, wie im Traum. — „Wenn wir nur auch einmal Hoch¬
zeit haben könnten.“

„Ach geh',“ ſagte ſie leiſe und langte nach einer rothen
Blume, die zu ihren Füßen blühte.

„Reſi“, fuhr er fort — es war das erſte Mal, daß er
ſie ſo nannte — und legte ſeinen Arm ſcheu und bebend um
ihren Leib, „Reſi — ich hab' Dich ſo lieb!“

Sie erwiederte nichts; aber in dem Blicke, den ſie zu
ihm aufſchlug, lag es für ihn wie ein wogendes Meer von
Glück. Und als jetzt drüben die Geigen lauter jubelten und
das Brautpaar, durch allſeitiges Rufen und Händeklatſchen
angefeuert, ſich im ſtürmiſchen Wirbel dahin ſchwang: da zog
er ſie feſt an's Herz und ihre Lippen ſchloſſen ſich zu einem
langen, tiefen Kuſſe zuſammen. —


Soll ich, der ich dieſe einfache Geſchichte wahrheitsgetreu
zu erzählen mir vorgeſetzt, nun auch die Seligkeit zu ſchildern
verſuchen, welche die Beiden von jetzt an überkommen hatte?
Ich glaube, daß ich darauf verzichten darf; und zwar nicht
blos deshalb, weil keine Worte zu dem Gefühl hinanreichen,
das ihnen mit einem Male den vollen Lichtglanz, den über¬
ſchwänglichen Reichthum des Daſeins erſchloſſen hatte; ſondern

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0178" n="162"/>
        <p>&#x201E;Ja, es &#x017F;ind glückliche Leute&#x201C;, &#x017F;prach er, ohne hin zu<lb/>
&#x017F;ehen, wie im Traum. &#x2014; &#x201E;Wenn wir nur auch einmal Hoch¬<lb/>
zeit haben könnten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ach geh',&#x201C; &#x017F;agte &#x017F;ie lei&#x017F;e und langte nach einer rothen<lb/>
Blume, die zu ihren Füßen blühte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Re&#x017F;i&#x201C;, fuhr er fort &#x2014; es war das er&#x017F;te Mal, daß er<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;o nannte &#x2014; und legte &#x017F;einen Arm &#x017F;cheu und bebend um<lb/>
ihren Leib, &#x201E;Re&#x017F;i &#x2014; ich hab' Dich &#x017F;o lieb!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Sie erwiederte nichts; aber in dem Blicke, den &#x017F;ie zu<lb/>
ihm auf&#x017F;chlug, lag es für ihn wie ein wogendes Meer von<lb/>
Glück. Und als jetzt drüben die Geigen lauter jubelten und<lb/>
das Brautpaar, durch all&#x017F;eitiges Rufen und Händeklat&#x017F;chen<lb/>
angefeuert, &#x017F;ich im &#x017F;türmi&#x017F;chen Wirbel dahin &#x017F;chwang: da zog<lb/>
er &#x017F;ie fe&#x017F;t an's Herz und ihre Lippen &#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich zu einem<lb/>
langen, tiefen Ku&#x017F;&#x017F;e zu&#x017F;ammen. &#x2014;</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Soll ich, der ich die&#x017F;e einfache Ge&#x017F;chichte wahrheitsgetreu<lb/>
zu erzählen mir vorge&#x017F;etzt, nun auch die Seligkeit zu &#x017F;childern<lb/>
ver&#x017F;uchen, welche die Beiden von jetzt an überkommen hatte?<lb/>
Ich glaube, daß ich darauf verzichten darf; und zwar nicht<lb/>
blos deshalb, weil keine Worte zu dem Gefühl hinanreichen,<lb/>
das ihnen mit einem Male den vollen Lichtglanz, den über¬<lb/>
&#x017F;chwänglichen Reichthum des Da&#x017F;eins er&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en hatte; &#x017F;ondern<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0178] „Ja, es ſind glückliche Leute“, ſprach er, ohne hin zu ſehen, wie im Traum. — „Wenn wir nur auch einmal Hoch¬ zeit haben könnten.“ „Ach geh',“ ſagte ſie leiſe und langte nach einer rothen Blume, die zu ihren Füßen blühte. „Reſi“, fuhr er fort — es war das erſte Mal, daß er ſie ſo nannte — und legte ſeinen Arm ſcheu und bebend um ihren Leib, „Reſi — ich hab' Dich ſo lieb!“ Sie erwiederte nichts; aber in dem Blicke, den ſie zu ihm aufſchlug, lag es für ihn wie ein wogendes Meer von Glück. Und als jetzt drüben die Geigen lauter jubelten und das Brautpaar, durch allſeitiges Rufen und Händeklatſchen angefeuert, ſich im ſtürmiſchen Wirbel dahin ſchwang: da zog er ſie feſt an's Herz und ihre Lippen ſchloſſen ſich zu einem langen, tiefen Kuſſe zuſammen. — Soll ich, der ich dieſe einfache Geſchichte wahrheitsgetreu zu erzählen mir vorgeſetzt, nun auch die Seligkeit zu ſchildern verſuchen, welche die Beiden von jetzt an überkommen hatte? Ich glaube, daß ich darauf verzichten darf; und zwar nicht blos deshalb, weil keine Worte zu dem Gefühl hinanreichen, das ihnen mit einem Male den vollen Lichtglanz, den über¬ ſchwänglichen Reichthum des Daſeins erſchloſſen hatte; ſondern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/178
Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/178>, abgerufen am 14.05.2024.