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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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"Darauf geb' ich gar keine Antwort", knirschte er
endlich.

"Ihr braucht auch keine zu geben. Tertschka ist frei und
ledig, und kann thun was sie will."

Der Aufseher keuchte.

"Nimm, was Dir gehört, Resi;" fuhr Georg fort, indem
er sich wandte, um seinen Quersack zu suchen, "und dann
komm'."

In der Brust des Anderen arbeitete es heftig. Er wußte
augenscheinlich nicht, was er beginnen sollte. Aber in dieser
Unentschlossenheit warf er einen Blick nach Tertschka, welche
ihre Seelenangst nicht verbergen konnte. Und als sie jetzt auf
die Kiste zuschritt, sprang er auf sie los und stieß die Ent¬
setzte in den Keller hinab, dessen Thüre halb offen stand.
Dann schloß er dieselbe und steckte den Schlüssel in die Tasche.
"So, das ist meine Antwort", stammelte er, vor Aufregung
am ganzen Leibe zitternd, während er sich wieder am Tische
niederließ und mit erzwungener Ruhe seine Beschäftigung fort¬
zusetzen begann.

Das war so rasch, so unvermuthet geschehen, daß es Georg
nicht hatte verhindern können. Er faßte sich daher, hängte
ohne jedes Zeichen der Eile seinen Sack über die Schulter
und näherte sich mit langsamen Schritten dem Aufseher. "Laßt
die Tertschka heraus", sagte er ruhig.

Der Aufseher schälte Kartoffeln.

„Darauf geb' ich gar keine Antwort“, knirſchte er
endlich.

„Ihr braucht auch keine zu geben. Tertſchka iſt frei und
ledig, und kann thun was ſie will.“

Der Aufſeher keuchte.

„Nimm, was Dir gehört, Reſi;“ fuhr Georg fort, indem
er ſich wandte, um ſeinen Querſack zu ſuchen, „und dann
komm'.“

In der Bruſt des Anderen arbeitete es heftig. Er wußte
augenſcheinlich nicht, was er beginnen ſollte. Aber in dieſer
Unentſchloſſenheit warf er einen Blick nach Tertſchka, welche
ihre Seelenangſt nicht verbergen konnte. Und als ſie jetzt auf
die Kiſte zuſchritt, ſprang er auf ſie los und ſtieß die Ent¬
ſetzte in den Keller hinab, deſſen Thüre halb offen ſtand.
Dann ſchloß er dieſelbe und ſteckte den Schlüſſel in die Taſche.
„So, das iſt meine Antwort“, ſtammelte er, vor Aufregung
am ganzen Leibe zitternd, während er ſich wieder am Tiſche
niederließ und mit erzwungener Ruhe ſeine Beſchäftigung fort¬
zuſetzen begann.

Das war ſo raſch, ſo unvermuthet geſchehen, daß es Georg
nicht hatte verhindern können. Er faßte ſich daher, hängte
ohne jedes Zeichen der Eile ſeinen Sack über die Schulter
und näherte ſich mit langſamen Schritten dem Aufſeher. „Laßt
die Tertſchka heraus“, ſagte er ruhig.

Der Aufſeher ſchälte Kartoffeln.

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[169/0185] „Darauf geb' ich gar keine Antwort“, knirſchte er endlich. „Ihr braucht auch keine zu geben. Tertſchka iſt frei und ledig, und kann thun was ſie will.“ Der Aufſeher keuchte. „Nimm, was Dir gehört, Reſi;“ fuhr Georg fort, indem er ſich wandte, um ſeinen Querſack zu ſuchen, „und dann komm'.“ In der Bruſt des Anderen arbeitete es heftig. Er wußte augenſcheinlich nicht, was er beginnen ſollte. Aber in dieſer Unentſchloſſenheit warf er einen Blick nach Tertſchka, welche ihre Seelenangſt nicht verbergen konnte. Und als ſie jetzt auf die Kiſte zuſchritt, ſprang er auf ſie los und ſtieß die Ent¬ ſetzte in den Keller hinab, deſſen Thüre halb offen ſtand. Dann ſchloß er dieſelbe und ſteckte den Schlüſſel in die Taſche. „So, das iſt meine Antwort“, ſtammelte er, vor Aufregung am ganzen Leibe zitternd, während er ſich wieder am Tiſche niederließ und mit erzwungener Ruhe ſeine Beſchäftigung fort¬ zuſetzen begann. Das war ſo raſch, ſo unvermuthet geſchehen, daß es Georg nicht hatte verhindern können. Er faßte ſich daher, hängte ohne jedes Zeichen der Eile ſeinen Sack über die Schulter und näherte ſich mit langſamen Schritten dem Aufſeher. „Laßt die Tertſchka heraus“, ſagte er ruhig. Der Aufſeher ſchälte Kartoffeln.

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/185>, abgerufen am 14.05.2024.