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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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warmen Vorgemach; was ihr um so wohler that, als der
Winter bereits in's Land gerückt war, Endlich hörte sie ein
Geklirr von Säbeln; einige Offiziere traten aus den Ge¬
mächern des Obersten und gingen, wie es schien, etwas nieder¬
geschlagen fort. Nach einer Weile öffnete sich wieder die
Thüre; ein stattlicher Herr mit leicht ergrautem Schnurrbart
blickte heraus und fragte ziemlich barsch nach ihrem Begehren.
Da sie aber gleich zu weinen anfing, wurde sein Antlitz mil¬
der; er hieß sie eintreten und hörte, nachdem er sich gesetzt
hatte, schweigend an, was sie vorbrachte. Dann stellte er
einige Fragen an sie und forderte sie endlich auf, den ganzen
Hergang zu erzählen. Das that sie nun; freilich gar schlicht
und unbeholfen; aber dabei so wahr, warm und innig, daß
der Oberst, der dabei öfter seinen Schnurrbart leicht empor
strich, sichtlich ergriffen wurde. Nachdem sie geendet hatte,
stand er auf, legte ihr sanft die Hand auf die Schulter und
sagte, sie möge getrost von hinnen gehen. Er gäbe ihr sein
Wort, daß nunmehr die ganze Angelegenheit in kürzester Frist
und, wie er hoffe, zu Georgs Gunsten erledigt sein werde.
Freien und gehobenen Herzens entfernte sie sich; der Oberst
jedoch ging noch eine Weile sinnend im Gemache auf und nie¬
der, wobei er von Zeit zu Zeit die Sporen leise an einander
schlug. Endlich ließ er durch eine Ordonnanz den Auditor
zu sich bescheiden. Er mußte ziemlich lange warten, bis der junge
Mann, ganz erhitzt, mit einer raschen Verbeugung herein trat.

warmen Vorgemach; was ihr um ſo wohler that, als der
Winter bereits in's Land gerückt war, Endlich hörte ſie ein
Geklirr von Säbeln; einige Offiziere traten aus den Ge¬
mächern des Oberſten und gingen, wie es ſchien, etwas nieder¬
geſchlagen fort. Nach einer Weile öffnete ſich wieder die
Thüre; ein ſtattlicher Herr mit leicht ergrautem Schnurrbart
blickte heraus und fragte ziemlich barſch nach ihrem Begehren.
Da ſie aber gleich zu weinen anfing, wurde ſein Antlitz mil¬
der; er hieß ſie eintreten und hörte, nachdem er ſich geſetzt
hatte, ſchweigend an, was ſie vorbrachte. Dann ſtellte er
einige Fragen an ſie und forderte ſie endlich auf, den ganzen
Hergang zu erzählen. Das that ſie nun; freilich gar ſchlicht
und unbeholfen; aber dabei ſo wahr, warm und innig, daß
der Oberſt, der dabei öfter ſeinen Schnurrbart leicht empor
ſtrich, ſichtlich ergriffen wurde. Nachdem ſie geendet hatte,
ſtand er auf, legte ihr ſanft die Hand auf die Schulter und
ſagte, ſie möge getroſt von hinnen gehen. Er gäbe ihr ſein
Wort, daß nunmehr die ganze Angelegenheit in kürzeſter Friſt
und, wie er hoffe, zu Georgs Gunſten erledigt ſein werde.
Freien und gehobenen Herzens entfernte ſie ſich; der Oberſt
jedoch ging noch eine Weile ſinnend im Gemache auf und nie¬
der, wobei er von Zeit zu Zeit die Sporen leiſe an einander
ſchlug. Endlich ließ er durch eine Ordonnanz den Auditor
zu ſich beſcheiden. Er mußte ziemlich lange warten, bis der junge
Mann, ganz erhitzt, mit einer raſchen Verbeugung herein trat.

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[178/0194] warmen Vorgemach; was ihr um ſo wohler that, als der Winter bereits in's Land gerückt war, Endlich hörte ſie ein Geklirr von Säbeln; einige Offiziere traten aus den Ge¬ mächern des Oberſten und gingen, wie es ſchien, etwas nieder¬ geſchlagen fort. Nach einer Weile öffnete ſich wieder die Thüre; ein ſtattlicher Herr mit leicht ergrautem Schnurrbart blickte heraus und fragte ziemlich barſch nach ihrem Begehren. Da ſie aber gleich zu weinen anfing, wurde ſein Antlitz mil¬ der; er hieß ſie eintreten und hörte, nachdem er ſich geſetzt hatte, ſchweigend an, was ſie vorbrachte. Dann ſtellte er einige Fragen an ſie und forderte ſie endlich auf, den ganzen Hergang zu erzählen. Das that ſie nun; freilich gar ſchlicht und unbeholfen; aber dabei ſo wahr, warm und innig, daß der Oberſt, der dabei öfter ſeinen Schnurrbart leicht empor ſtrich, ſichtlich ergriffen wurde. Nachdem ſie geendet hatte, ſtand er auf, legte ihr ſanft die Hand auf die Schulter und ſagte, ſie möge getroſt von hinnen gehen. Er gäbe ihr ſein Wort, daß nunmehr die ganze Angelegenheit in kürzeſter Friſt und, wie er hoffe, zu Georgs Gunſten erledigt ſein werde. Freien und gehobenen Herzens entfernte ſie ſich; der Oberſt jedoch ging noch eine Weile ſinnend im Gemache auf und nie¬ der, wobei er von Zeit zu Zeit die Sporen leiſe an einander ſchlug. Endlich ließ er durch eine Ordonnanz den Auditor zu ſich beſcheiden. Er mußte ziemlich lange warten, bis der junge Mann, ganz erhitzt, mit einer raſchen Verbeugung herein trat.

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/194>, abgerufen am 24.11.2024.