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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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an Scharfblick und Fertigkeit gebrach, so dauerte es wirklich
nicht allzu lange, daß Georg und die Zeugen, unter welch'
letzteren sich auch Tertschka befand, vernommen waren, und
vor einem versammelten Kriegsrathe folgendes Urtheil geschöpft
wurde: "Georg Huber, Urlauber des zwölften Regimentes,
sei des verübten Todtschlages schuldig erkannt und zu einem
Jahre schweren Kerker verurtheilt; in Erwägung des Umstan¬
des jedoch, daß er sich theilweise im Falle der Nothwehr be¬
funden, so wie anderer erheblicher Milderungsgründe und mit
Hinblick auf seine tadellose Dienstzeit: sei ihm die ausgestan¬
dene längere Untersuchungshaft als Strafe anzurechnen." Der
Auditor erröthete ein wenig vor sich selbst, als er diese letzten
Zeilen niederschrieb; aber weit höher färbte sich sein Antlitz
am nächsten Tage, als er dem Obersten das Urtheil zur Be¬
stätigung überbracht hatte, und dieser, nachdem er das Blatt
gelesen, ihm lächelnd auf die Achsel klopfte und sagte: "Da
sieht man, daß eine kleine Saumseligkeit im Dienste auch hin
und wieder ihr Gutes haben kann." Aber er reichte ihm die
Hand und verabschiedete ihn freundlich.

Zwei Tage darauf ließ der Oberst Georg und Tertschka
zu sich rufen. Er betrachtete sie lange und schweigend; dann
fragte er nach diesem und jenem und schloß damit, daß er
ihnen den Rath ertheilte, vor der Hand in der Stadt zu
bleiben. Für ihren Unterhalt durch angemessene Arbeit wolle
er Sorge tragen und sie würden noch später von ihm hören.

an Scharfblick und Fertigkeit gebrach, ſo dauerte es wirklich
nicht allzu lange, daß Georg und die Zeugen, unter welch'
letzteren ſich auch Tertſchka befand, vernommen waren, und
vor einem verſammelten Kriegsrathe folgendes Urtheil geſchöpft
wurde: „Georg Huber, Urlauber des zwölften Regimentes,
ſei des verübten Todtſchlages ſchuldig erkannt und zu einem
Jahre ſchweren Kerker verurtheilt; in Erwägung des Umſtan¬
des jedoch, daß er ſich theilweiſe im Falle der Nothwehr be¬
funden, ſo wie anderer erheblicher Milderungsgründe und mit
Hinblick auf ſeine tadelloſe Dienſtzeit: ſei ihm die ausgeſtan¬
dene längere Unterſuchungshaft als Strafe anzurechnen.“ Der
Auditor erröthete ein wenig vor ſich ſelbſt, als er dieſe letzten
Zeilen niederſchrieb; aber weit höher färbte ſich ſein Antlitz
am nächſten Tage, als er dem Oberſten das Urtheil zur Be¬
ſtätigung überbracht hatte, und dieſer, nachdem er das Blatt
geleſen, ihm lächelnd auf die Achſel klopfte und ſagte: „Da
ſieht man, daß eine kleine Saumſeligkeit im Dienſte auch hin
und wieder ihr Gutes haben kann.“ Aber er reichte ihm die
Hand und verabſchiedete ihn freundlich.

Zwei Tage darauf ließ der Oberſt Georg und Tertſchka
zu ſich rufen. Er betrachtete ſie lange und ſchweigend; dann
fragte er nach dieſem und jenem und ſchloß damit, daß er
ihnen den Rath ertheilte, vor der Hand in der Stadt zu
bleiben. Für ihren Unterhalt durch angemeſſene Arbeit wolle
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[180/0196] an Scharfblick und Fertigkeit gebrach, ſo dauerte es wirklich nicht allzu lange, daß Georg und die Zeugen, unter welch' letzteren ſich auch Tertſchka befand, vernommen waren, und vor einem verſammelten Kriegsrathe folgendes Urtheil geſchöpft wurde: „Georg Huber, Urlauber des zwölften Regimentes, ſei des verübten Todtſchlages ſchuldig erkannt und zu einem Jahre ſchweren Kerker verurtheilt; in Erwägung des Umſtan¬ des jedoch, daß er ſich theilweiſe im Falle der Nothwehr be¬ funden, ſo wie anderer erheblicher Milderungsgründe und mit Hinblick auf ſeine tadelloſe Dienſtzeit: ſei ihm die ausgeſtan¬ dene längere Unterſuchungshaft als Strafe anzurechnen.“ Der Auditor erröthete ein wenig vor ſich ſelbſt, als er dieſe letzten Zeilen niederſchrieb; aber weit höher färbte ſich ſein Antlitz am nächſten Tage, als er dem Oberſten das Urtheil zur Be¬ ſtätigung überbracht hatte, und dieſer, nachdem er das Blatt geleſen, ihm lächelnd auf die Achſel klopfte und ſagte: „Da ſieht man, daß eine kleine Saumſeligkeit im Dienſte auch hin und wieder ihr Gutes haben kann.“ Aber er reichte ihm die Hand und verabſchiedete ihn freundlich. Zwei Tage darauf ließ der Oberſt Georg und Tertſchka zu ſich rufen. Er betrachtete ſie lange und ſchweigend; dann fragte er nach dieſem und jenem und ſchloß damit, daß er ihnen den Rath ertheilte, vor der Hand in der Stadt zu bleiben. Für ihren Unterhalt durch angemeſſene Arbeit wolle er Sorge tragen und ſie würden noch ſpäter von ihm hören.

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/196>, abgerufen am 14.05.2024.