Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

Nachdem die Beiden mit scheuen Dankesworten das Zimmer
verlassen hatten, ging der Oberst wieder mit leisem Sporen¬
geklirr auf und ab. Es waren seltsame Gedanken, die ihn
bewegten. Er hatte vor vielen Jahren ein schlankes blondes
Fräulein geliebt, und war sehr unglücklich gewesen. Nicht
etwa, daß die Schöne seine Neigung zurückgewiesen hätte;
darüber würde sich seine stolze, kräftige Jünglingsseele wohl
bald getröstet haben: aber er war in seinen reinsten Empfin¬
dungen betrogen und mißbraucht worden, und das hatte ihn
mit dauernder Bitterkeit und einer krankhaften Verachtung des
weiblichen Geschlechtes erfüllt, die er gern offen zur Schau
trug; wie er denn auch das Wesen der Liebe überhaupt an¬
griff und behauptete, dieselbe wäre zwar in den Romanen
hirnverbrannter Poeten, niemals aber im wirklichen Leben zu
finden. Und nun, nachdem er diese Meinung, einem leisen
Widerspruche seines Innern zu Trotz, so lange und leiden¬
schaftlich vor sich selbst und Anderen aufrecht erhalten hatte:
nun war ihm mit einem Male in diesem armen, verkümmer¬
ten Menschenpaare die Liebe mit all' ihrer Tiefe, Hingebung,
Treue und Zärtlichkeit, in ihrer ganzen heiligen Kraft ent¬
gegengetreten -- und stille Beschämung und unsägliche Rührung
zogen in seine Brust. Auch ein klein wenig Neid mischte sich
mit hinein; aber er beschloß, so weit dies von ihm abhinge,
die Beiden glücklich zu machen für's ganze Leben. -- --


Nachdem die Beiden mit ſcheuen Dankesworten das Zimmer
verlaſſen hatten, ging der Oberſt wieder mit leiſem Sporen¬
geklirr auf und ab. Es waren ſeltſame Gedanken, die ihn
bewegten. Er hatte vor vielen Jahren ein ſchlankes blondes
Fräulein geliebt, und war ſehr unglücklich geweſen. Nicht
etwa, daß die Schöne ſeine Neigung zurückgewieſen hätte;
darüber würde ſich ſeine ſtolze, kräftige Jünglingsſeele wohl
bald getröſtet haben: aber er war in ſeinen reinſten Empfin¬
dungen betrogen und mißbraucht worden, und das hatte ihn
mit dauernder Bitterkeit und einer krankhaften Verachtung des
weiblichen Geſchlechtes erfüllt, die er gern offen zur Schau
trug; wie er denn auch das Weſen der Liebe überhaupt an¬
griff und behauptete, dieſelbe wäre zwar in den Romanen
hirnverbrannter Poeten, niemals aber im wirklichen Leben zu
finden. Und nun, nachdem er dieſe Meinung, einem leiſen
Widerſpruche ſeines Innern zu Trotz, ſo lange und leiden¬
ſchaftlich vor ſich ſelbſt und Anderen aufrecht erhalten hatte:
nun war ihm mit einem Male in dieſem armen, verkümmer¬
ten Menſchenpaare die Liebe mit all' ihrer Tiefe, Hingebung,
Treue und Zärtlichkeit, in ihrer ganzen heiligen Kraft ent¬
gegengetreten — und ſtille Beſchämung und unſägliche Rührung
zogen in ſeine Bruſt. Auch ein klein wenig Neid miſchte ſich
mit hinein; aber er beſchloß, ſo weit dies von ihm abhinge,
die Beiden glücklich zu machen für's ganze Leben. — —


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0197" n="181"/>
Nachdem die Beiden mit &#x017F;cheuen Dankesworten das Zimmer<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;en hatten, ging der Ober&#x017F;t wieder mit lei&#x017F;em Sporen¬<lb/>
geklirr auf und ab. Es waren &#x017F;elt&#x017F;ame Gedanken, die ihn<lb/>
bewegten. Er hatte vor vielen Jahren ein &#x017F;chlankes blondes<lb/>
Fräulein geliebt, und war &#x017F;ehr unglücklich gewe&#x017F;en. Nicht<lb/>
etwa, daß die Schöne &#x017F;eine Neigung zurückgewie&#x017F;en hätte;<lb/>
darüber würde &#x017F;ich &#x017F;eine &#x017F;tolze, kräftige Jünglings&#x017F;eele wohl<lb/>
bald getrö&#x017F;tet haben: aber er war in &#x017F;einen rein&#x017F;ten Empfin¬<lb/>
dungen betrogen und mißbraucht worden, und das hatte ihn<lb/>
mit dauernder Bitterkeit und einer krankhaften Verachtung des<lb/>
weiblichen Ge&#x017F;chlechtes erfüllt, die er gern offen zur Schau<lb/>
trug; wie er denn auch das We&#x017F;en der Liebe überhaupt an¬<lb/>
griff und behauptete, die&#x017F;elbe wäre zwar in den Romanen<lb/>
hirnverbrannter Poeten, niemals aber im wirklichen Leben zu<lb/>
finden. Und nun, nachdem er die&#x017F;e Meinung, einem lei&#x017F;en<lb/>
Wider&#x017F;pruche &#x017F;eines Innern zu Trotz, &#x017F;o lange und leiden¬<lb/>
&#x017F;chaftlich vor &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t und Anderen aufrecht erhalten hatte:<lb/>
nun war ihm mit einem Male in die&#x017F;em armen, verkümmer¬<lb/>
ten Men&#x017F;chenpaare die Liebe mit all' ihrer Tiefe, Hingebung,<lb/>
Treue und Zärtlichkeit, in ihrer ganzen heiligen Kraft ent¬<lb/>
gegengetreten &#x2014; und &#x017F;tille Be&#x017F;chämung und un&#x017F;ägliche Rührung<lb/>
zogen in &#x017F;eine Bru&#x017F;t. Auch ein klein wenig Neid mi&#x017F;chte &#x017F;ich<lb/>
mit hinein; aber er be&#x017F;chloß, &#x017F;o weit dies von ihm abhinge,<lb/>
die Beiden glücklich zu machen für's ganze Leben. &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[181/0197] Nachdem die Beiden mit ſcheuen Dankesworten das Zimmer verlaſſen hatten, ging der Oberſt wieder mit leiſem Sporen¬ geklirr auf und ab. Es waren ſeltſame Gedanken, die ihn bewegten. Er hatte vor vielen Jahren ein ſchlankes blondes Fräulein geliebt, und war ſehr unglücklich geweſen. Nicht etwa, daß die Schöne ſeine Neigung zurückgewieſen hätte; darüber würde ſich ſeine ſtolze, kräftige Jünglingsſeele wohl bald getröſtet haben: aber er war in ſeinen reinſten Empfin¬ dungen betrogen und mißbraucht worden, und das hatte ihn mit dauernder Bitterkeit und einer krankhaften Verachtung des weiblichen Geſchlechtes erfüllt, die er gern offen zur Schau trug; wie er denn auch das Weſen der Liebe überhaupt an¬ griff und behauptete, dieſelbe wäre zwar in den Romanen hirnverbrannter Poeten, niemals aber im wirklichen Leben zu finden. Und nun, nachdem er dieſe Meinung, einem leiſen Widerſpruche ſeines Innern zu Trotz, ſo lange und leiden¬ ſchaftlich vor ſich ſelbſt und Anderen aufrecht erhalten hatte: nun war ihm mit einem Male in dieſem armen, verkümmer¬ ten Menſchenpaare die Liebe mit all' ihrer Tiefe, Hingebung, Treue und Zärtlichkeit, in ihrer ganzen heiligen Kraft ent¬ gegengetreten — und ſtille Beſchämung und unſägliche Rührung zogen in ſeine Bruſt. Auch ein klein wenig Neid miſchte ſich mit hinein; aber er beſchloß, ſo weit dies von ihm abhinge, die Beiden glücklich zu machen für's ganze Leben. — —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/197
Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/197>, abgerufen am 23.11.2024.