Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.bäudes verschwand. Ein tiefes Weh fiel mir auf's Herz. Sie sah mich ausdruckslos an und eilte weiter. Ich hielt mich neben ihr. "Bemühen Sie sich nicht, mein "Halten Sie mich für keinen Unverschämten, keinen Zu¬ bäudes verſchwand. Ein tiefes Weh fiel mir auf's Herz. Sie ſah mich ausdruckslos an und eilte weiter. Ich hielt mich neben ihr. „Bemühen Sie ſich nicht, mein „Halten Sie mich für keinen Unverſchämten, keinen Zu¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0221" n="205"/> bäudes verſchwand. Ein tiefes Weh fiel mir auf's Herz.<lb/> Alſo auch <hi rendition="#g">ſie</hi> hatte mit der Noth des Lebens zu kämpfen, die<lb/> mir hier wieder einmal als unzertrennliche Begleiterin der<lb/> Kunſt erſchien, und mußte vielleicht irgend ein theures Ange¬<lb/> denken, einen liebgewordenen Schmuck verpfänden, um nicht<lb/> unterzugehen! In ſolch' trübe Gedanken verſunken, war ich<lb/> halb unbewußt ebenfalls vor der Anſtalt eingetroffen, als ſie<lb/> plötzlich, das Päckchen krampfhaft umklammernd, mit dem Aus¬<lb/> drucke tiefſter Verzweiflung im Antlitz, wieder unter dem Thore<lb/> erſchien. Sie war offenbar zu ſpät gekommen oder man hatte<lb/> ſie auf morgen vertröſtet; und nun ſtand ſie da und blickte<lb/> ſtumpfſinnig in das goldene Sonnenlicht hinein, das die gegen¬<lb/> über liegenden Häuſer umfunkelte. Fröhliche Menſchen ſchritten<lb/> an ihr vorüber; ein kleines Mädchen bot ihr Veilchen zum<lb/> Kaufe, aber ſie ſah und hörte nichts. Endlich ging ſie und<lb/> irrte, wie es mir ſchien, ohne Wahl und Ziel in den nächſten<lb/> Gaſſen umher. Ich konnte es nicht länger mit anſehen und<lb/> trat an ihre Seite. „Erlauben Sie, mein Fräulein“, — ſagte ich,<lb/> indem ich höflich den Hut abzog.</p><lb/> <p>Sie ſah mich ausdruckslos an und eilte weiter.</p><lb/> <p>Ich hielt mich neben ihr. „Bemühen Sie ſich nicht, mein<lb/> Herr“, ſagte ſie endlich. „Ich wünſche keine Begleitung —<lb/> ich muß Sie bitten —“</p><lb/> <p>„Halten Sie mich für keinen Unverſchämten, keinen Zu¬<lb/> dringlichen“, erwiederte ich feſt. „Ich habe Ihnen eine wich¬<lb/> tige Mittheilung zu machen.“<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [205/0221]
bäudes verſchwand. Ein tiefes Weh fiel mir auf's Herz.
Alſo auch ſie hatte mit der Noth des Lebens zu kämpfen, die
mir hier wieder einmal als unzertrennliche Begleiterin der
Kunſt erſchien, und mußte vielleicht irgend ein theures Ange¬
denken, einen liebgewordenen Schmuck verpfänden, um nicht
unterzugehen! In ſolch' trübe Gedanken verſunken, war ich
halb unbewußt ebenfalls vor der Anſtalt eingetroffen, als ſie
plötzlich, das Päckchen krampfhaft umklammernd, mit dem Aus¬
drucke tiefſter Verzweiflung im Antlitz, wieder unter dem Thore
erſchien. Sie war offenbar zu ſpät gekommen oder man hatte
ſie auf morgen vertröſtet; und nun ſtand ſie da und blickte
ſtumpfſinnig in das goldene Sonnenlicht hinein, das die gegen¬
über liegenden Häuſer umfunkelte. Fröhliche Menſchen ſchritten
an ihr vorüber; ein kleines Mädchen bot ihr Veilchen zum
Kaufe, aber ſie ſah und hörte nichts. Endlich ging ſie und
irrte, wie es mir ſchien, ohne Wahl und Ziel in den nächſten
Gaſſen umher. Ich konnte es nicht länger mit anſehen und
trat an ihre Seite. „Erlauben Sie, mein Fräulein“, — ſagte ich,
indem ich höflich den Hut abzog.
Sie ſah mich ausdruckslos an und eilte weiter.
Ich hielt mich neben ihr. „Bemühen Sie ſich nicht, mein
Herr“, ſagte ſie endlich. „Ich wünſche keine Begleitung —
ich muß Sie bitten —“
„Halten Sie mich für keinen Unverſchämten, keinen Zu¬
dringlichen“, erwiederte ich feſt. „Ich habe Ihnen eine wich¬
tige Mittheilung zu machen.“
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