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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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Sie zuckte zusammen. "Eine wichtige Mittheilung --"
wiederholte sie tonlos und mußte sich, um nicht zu sinken, an
die nächste Mauer lehnen.

Ich war auf's Aeußerste bestürzt. "Erschrecken Sie nicht",
fuhr ich fort, "es handelt sich um etwas sehr Angenehmes --
sehr Erfreuliches."

Sie athmete auf. "Und was könnte das sein?" fragte
sie ungläubig.

"Folgen Sie mir in jenes Durchhaus, wir können dort
ungestörter sprechen."

Sie betrachtete mich zögernd und mißtrauisch; aber sie
folgte mir.

"Mein Fräulein", begann ich, "Sie befinden sich in die¬
sem Augenblicke in einer höchst peinlichen Verlegenheit."

"Woher wissen Sie --?" stammelte sie überrascht.

"Ich sah Sie vorhin -- doch das thut jetzt nichts zur
Sache; genug, daß ich es weiß."

Sie blickte zu Boden. "Nun, es ist wahr", sagte sie und
fuhr mit zitternder Hand über die Stirne, "ich bin in der
größten Verzweiflung. Es gilt, eine mir sehr werthe und
nahestehende Persönlichkeit aus einer drohenden Gefahr zu
retten. Seit gestern müh' ich mich in jeder Weise, zu diesem Zwecke
ein Darlehen aufzutreiben. Endlich habe ich von einer ehemaligen
Freundin nach vielem Bitten und Flehen -- nach vielfachen
Erniedrigungen diese Diamanten erhalten, aber nur gegen das

Sie zuckte zuſammen. „Eine wichtige Mittheilung —“
wiederholte ſie tonlos und mußte ſich, um nicht zu ſinken, an
die nächſte Mauer lehnen.

Ich war auf's Aeußerſte beſtürzt. „Erſchrecken Sie nicht“,
fuhr ich fort, „es handelt ſich um etwas ſehr Angenehmes —
ſehr Erfreuliches.“

Sie athmete auf. „Und was könnte das ſein?“ fragte
ſie ungläubig.

„Folgen Sie mir in jenes Durchhaus, wir können dort
ungeſtörter ſprechen.“

Sie betrachtete mich zögernd und mißtrauiſch; aber ſie
folgte mir.

„Mein Fräulein“, begann ich, „Sie befinden ſich in die¬
ſem Augenblicke in einer höchſt peinlichen Verlegenheit.“

„Woher wiſſen Sie —?“ ſtammelte ſie überraſcht.

„Ich ſah Sie vorhin — doch das thut jetzt nichts zur
Sache; genug, daß ich es weiß.“

Sie blickte zu Boden. „Nun, es iſt wahr“, ſagte ſie und
fuhr mit zitternder Hand über die Stirne, „ich bin in der
größten Verzweiflung. Es gilt, eine mir ſehr werthe und
naheſtehende Perſönlichkeit aus einer drohenden Gefahr zu
retten. Seit geſtern müh' ich mich in jeder Weiſe, zu dieſem Zwecke
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[206/0222] Sie zuckte zuſammen. „Eine wichtige Mittheilung —“ wiederholte ſie tonlos und mußte ſich, um nicht zu ſinken, an die nächſte Mauer lehnen. Ich war auf's Aeußerſte beſtürzt. „Erſchrecken Sie nicht“, fuhr ich fort, „es handelt ſich um etwas ſehr Angenehmes — ſehr Erfreuliches.“ Sie athmete auf. „Und was könnte das ſein?“ fragte ſie ungläubig. „Folgen Sie mir in jenes Durchhaus, wir können dort ungeſtörter ſprechen.“ Sie betrachtete mich zögernd und mißtrauiſch; aber ſie folgte mir. „Mein Fräulein“, begann ich, „Sie befinden ſich in die¬ ſem Augenblicke in einer höchſt peinlichen Verlegenheit.“ „Woher wiſſen Sie —?“ ſtammelte ſie überraſcht. „Ich ſah Sie vorhin — doch das thut jetzt nichts zur Sache; genug, daß ich es weiß.“ Sie blickte zu Boden. „Nun, es iſt wahr“, ſagte ſie und fuhr mit zitternder Hand über die Stirne, „ich bin in der größten Verzweiflung. Es gilt, eine mir ſehr werthe und naheſtehende Perſönlichkeit aus einer drohenden Gefahr zu retten. Seit geſtern müh' ich mich in jeder Weiſe, zu dieſem Zwecke ein Darlehen aufzutreiben. Endlich habe ich von einer ehemaligen Freundin nach vielem Bitten und Flehen — nach vielfachen Erniedrigungen dieſe Diamanten erhalten, aber nur gegen das

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/222>, abgerufen am 15.05.2024.