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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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heilige Versprechen, dieselben blos in der öffentlichen Anstalt,
um keinen Preis jedoch in einem jener Winkelämter zu ver¬
pfänden, die nicht genug Sicherheit bieten. Und nun --"

"Kamen Sie nicht mehr zur rechten Zeit --"

"Kam um fünf Minuten zu spät! das Bureau wird erst
morgen wieder geöffnet -- und wenn bis drei Uhr das Geld
nicht beschafft wird, so ist Alles verloren!"

"Beruhigen Sie sich. Es soll Alles gut werden. Ich bin
bereit, Ihnen das Nöthige ohne Pfand vorzustrecken."

"O mein Herr", sagte sie in einem Kampfe zwischen Freude
und Schaam -- "wie kann ich -- wie darf ich -- von einem
ganz Unbekannten --"

"Hier ist meine Karte. Und wenn auch ich Ihnen unbe¬
kannt bin -- Sie sind es mir nicht. Ich habe Sie spielen
hören." Und während sie erröthend auf die Karte niedersah,
fuhr ich dringend fort: "Besinnen Sie sich nicht länger! Wei¬
sen Sie die Hülfe nicht zurück, die ich Ihnen aus vollem
Herzen anbiete. Nennen Sie mir den Betrag --"

"O", sagte sie, wieder hoffnungslos, "es ist viel Geld."
Und sie nannte eine Summe, über deren Höhe ich allerdings
erschrak. Aber ich besaß diese Summe und konnte nicht zurück.
"Sie begreifen", sagte ich, "daß ich so viel nicht bei mir
trage. Erwarten Sie mich in zehn Minuten vor dem Ste¬
phansdome; ich werde Ihnen das Gewünschte einhändigen."

heilige Verſprechen, dieſelben blos in der öffentlichen Anſtalt,
um keinen Preis jedoch in einem jener Winkelämter zu ver¬
pfänden, die nicht genug Sicherheit bieten. Und nun —“

„Kamen Sie nicht mehr zur rechten Zeit —“

„Kam um fünf Minuten zu ſpät! das Bureau wird erſt
morgen wieder geöffnet — und wenn bis drei Uhr das Geld
nicht beſchafft wird, ſo iſt Alles verloren!“

„Beruhigen Sie ſich. Es ſoll Alles gut werden. Ich bin
bereit, Ihnen das Nöthige ohne Pfand vorzuſtrecken.“

„O mein Herr“, ſagte ſie in einem Kampfe zwiſchen Freude
und Schaam — „wie kann ich — wie darf ich — von einem
ganz Unbekannten —“

„Hier iſt meine Karte. Und wenn auch ich Ihnen unbe¬
kannt bin — Sie ſind es mir nicht. Ich habe Sie ſpielen
hören.“ Und während ſie erröthend auf die Karte niederſah,
fuhr ich dringend fort: „Beſinnen Sie ſich nicht länger! Wei¬
ſen Sie die Hülfe nicht zurück, die ich Ihnen aus vollem
Herzen anbiete. Nennen Sie mir den Betrag —“

„O“, ſagte ſie, wieder hoffnungslos, „es iſt viel Geld.“
Und ſie nannte eine Summe, über deren Höhe ich allerdings
erſchrak. Aber ich beſaß dieſe Summe und konnte nicht zurück.
„Sie begreifen“, ſagte ich, „daß ich ſo viel nicht bei mir
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[207/0223] heilige Verſprechen, dieſelben blos in der öffentlichen Anſtalt, um keinen Preis jedoch in einem jener Winkelämter zu ver¬ pfänden, die nicht genug Sicherheit bieten. Und nun —“ „Kamen Sie nicht mehr zur rechten Zeit —“ „Kam um fünf Minuten zu ſpät! das Bureau wird erſt morgen wieder geöffnet — und wenn bis drei Uhr das Geld nicht beſchafft wird, ſo iſt Alles verloren!“ „Beruhigen Sie ſich. Es ſoll Alles gut werden. Ich bin bereit, Ihnen das Nöthige ohne Pfand vorzuſtrecken.“ „O mein Herr“, ſagte ſie in einem Kampfe zwiſchen Freude und Schaam — „wie kann ich — wie darf ich — von einem ganz Unbekannten —“ „Hier iſt meine Karte. Und wenn auch ich Ihnen unbe¬ kannt bin — Sie ſind es mir nicht. Ich habe Sie ſpielen hören.“ Und während ſie erröthend auf die Karte niederſah, fuhr ich dringend fort: „Beſinnen Sie ſich nicht länger! Wei¬ ſen Sie die Hülfe nicht zurück, die ich Ihnen aus vollem Herzen anbiete. Nennen Sie mir den Betrag —“ „O“, ſagte ſie, wieder hoffnungslos, „es iſt viel Geld.“ Und ſie nannte eine Summe, über deren Höhe ich allerdings erſchrak. Aber ich beſaß dieſe Summe und konnte nicht zurück. „Sie begreifen“, ſagte ich, „daß ich ſo viel nicht bei mir trage. Erwarten Sie mich in zehn Minuten vor dem Ste¬ phansdome; ich werde Ihnen das Gewünſchte einhändigen.“

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/223>, abgerufen am 23.11.2024.